Interview mit Elizabeth George:


(Abgedruckt der Verlagsprogrammbroschüre Herbst 1999):

 

Mrs. George, was hat Sie dazu bewogen, mit dem Schreiben zu beginnen? 

Ich glaube, es ging mit wie den meisten Schriftstellern: Ich wußte, daß ich dafür bestimmt bin. Aber das Schreiben machte mir Angst, es ist ein Geschäft, in dem man ein hohes Risiko eingeht und bei dem man schnell zurückgewiesen werden kann und scheitert. Aber schließlich habe ich mir gesagt: Willst Du zu denen gehören, die sagen "Oh, ich habe mir immer gewünscht, einmal ein Buch zu schreiben", oder willst Du jemand sein, der einmal von sich sagen kann "Ich habe ein Buch geschrieben, ganz egal, ob es gedruckt wird oder nicht." Und ich entschied mich für letzteres. 

 

Aber was fasziniert eine Professorin für Literatur und englische Sprache an dem Genre Kriminalliteratur? 

Für den Kriminalroman habe ich mich entschieden, weil ich zu dieser Zeit gerade einen Kurs zum Thema Krimi gegeben habe, also meinen Schülern genau erklären mußte, wie solche Geschichten funktionieren, wie sie aufgebaut und konstruiert werden. Und da habe ich gemerkt, daß auch ich solche Geschichten schreiben könnte. So kam das ganz unwillkürlich, daß ich mich diesem Genre zuwandte, als ich mich entschloß, mit dem Schreiben anzufangen. 

 

Auf dem Gebiet der Krimis haben sich die Frauen in den vergangenen Jahren besonders hervorgetan. Glauben Sie, daß Frauen ein besonderes Talent für knifflige Mordfälle haben?

Ich bin der šberzeugung, daß die Frauen auf dem Gebiet des Kriminalromans tatsächlich sehr viel stärker geworden sind, wie etwa der Erfolg von Sue Grafton, Sara Paretsky oder Carol O'Connell zeigt. Bei der Art von Kriminalromanen, die ich schreibe, nämlich dem klassischen britischen Suspense-Roman, waren die Frauen allerdings schon immer beherrschend, schon ganz von Anfang an. Denken Sie nur an Agatha Christie und an Dorothy Sayers. 

 

Ihre Bücher spielen immer in England, obgleich Sie selbst Amerikanerin sind und in Kalifornien leben. Verraten Sie uns, warum Sie "Marry Old England" zum Schauplatz Ihrer Geschichten gewählt haben.

Ich bevorzuge England als Schauplatz, weil die Atmosphäre für die Spannung in einem Kriminalroman die entscheidende Rolle spielt. Und diese Voraussetzungen sind in England da: Die Landschaft, das Wetter, die alten Gemäuer und verdrehten Traditionen - all das brauche ich für die richtige Stimmung in meinen Büchern. 

 

Wie erklären Sie sich den großen Erfolg Ihrer Inspector-Lynley-Romane?

Lassen Die mich zunächst einmal sagen, daß ich mir nicht dauernd den Kopf zerbreche, wie ich meinen Lesern gefallen könnte, wenn ich ein Buch schreibe. Ich denke, Leute, die das tun, verlieren ziemlich schnell die Lust am Schreiben. Das Schreiben ist eine sehr einsame Erfahrung und wenn man nicht zu seiner eigenen Freude schreibt, dann werden die Monate und Jahre des Schreibens eine Tortur. Ich schreibe zunächst für mich und meine Freunde, und glücklicherweise ist das, was mir gefällt, auch das, was den Lesern gefällt. Ich glaube, ein Grund, warum so viele Menschen von meinen Büchern angetan sind, liegt darin, daß ich etwas tue, was bei Kriminalromanen nicht üblich ist: Ich schreibe auch über das persönliche Leben der Detektive. Das hat zur Folge, daß meine Leser wissen, daß in jedem meiner Bücher irgendetwas im Leben von Inspector Lynley und seiner Umgebung passieren wird, und sie sind neugierig zu erfahren, was geschehen wird...

 

Ist das Team um Inspector Lynley nach all den Jahren nicht so etwas wie eine Familie für Sie geworden? 

Ich würde zwar nicht sagen, daß ich mich mit ihrem Leben und ihrer Umgebung identifiziere, denn Inspector Lynley und seine Mitarbeiter und Freunde sind sehr verschieden von meinem Leben und meinen Bekannten. Aber ich identifiziere mich mit ihren Gefühlen, ihren psychischen Strukturen, ihren Schuldgefühlen und Leidenschaften. Den Personen meiner Romane fühle ich mich, also sehr wohl verwandt, wenngleich das Leben, das sie führen, sehr weit entfernt von der Art ist, wie ich mein Leben führe.

 

Mrs. George, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 

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