Minette Walters:

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Die Autorin:

Die Lektüre von Minette Walters 8. Krimi - wenn man „In Flammen" mitrechnet - „Schlangenlinien" veranlasste mich zu folgendem Bericht. Bereits seit ihrem kriminalistischen Erstlingswerks „Im Eishaus" (1992), komme ich nicht umzu, ihre Romane zu lesen. Und das obwohl ich als Leser nicht immer ganz zufrieden mit ihrer Arbeit war. Ihr Krimidebüt und den Nachfolger „Die Bildhauerin" fand ich hervorragend. „Die Schandmaske" fand ich auch noch sehr gut. Aber alles was danach kam, fand ich dann doch deutlich schwächer. Was war es also, was mich dennoch immer wieder zu ihren Büchern greifen ließ, sobald ein neues auf dem Markt war? Klar, auch ich kenne so etwas: Einmal von einem Autor begeistert und schon ist man süchtig, auch wenn man ab und an enttäuscht wird. Aber das allein war es bei Minette Walters für mich nicht. Rein gefühlsmäßig hätte ich es damit erklären können, dass ich einen Minette Walters Roman im Dunkeln erkennen würde, allein an der Atmosphäre, die sie in ihren Handlungen erzeugt. Nun wollte ich es aber genauer wissen, da mich „Schlangenlinien" wieder völlig in seinen Bann zog. So machte ich mich auf, suchte nach Informationen und fand einiges erstaunliches aus ihrer Biografie, einem Interview und einigen Berichten über die kleine, zierliche Autorin heraus:

Minette Walters ist seit langer Zeit regelmäßige Gefängnisbesucherin, da sie die Betreuung für einige Insassen übernommen hat. Warum sie das tut? Fremde Menschen im Gefängnis besuchen? Sie begründet es mit dem Argument: „Diese Menschen sind froh für eine Weile aus ihrer Anonymität zu entfliehen. Man erfährt von ihnen viel mehr über ihr Leben, als man es je von Freunden erfahren würde." Kein Wunder also, dass man in ihren Büchern so tief in die Abgründe der menschlichen Seele schauen kann.

Zu Anfang eines neuen Buches weiß Minette Walters selbst noch nicht, wer der Mörder ist. Sie sagt selbst: „Ich habe keine Ahnung!" Diese eigentümliche Weise einen Krimi zu schreiben mag die Romane von Minette Walters so besonders machen. Denn ich als Leser habe stets bei ihr den Eindruck, dass am Anfang eine kleine aber bohrende Ahnung den Protagonisten (meiste eine Frau) treibt. Treibt wozu? Zu verbissenem Engagement für die Gerechtigkeit. Und man hat anfangs noch keine Ahnung, anscheinend wie auch die Autorin selbst, zu welcher Erkenntnis einen dieses Engagement führen wird.

Minette Walters sagt über sich selbst, dass sie nicht an „Die Wahrheit" glaubt. Wahrheit, so empfindet sie, ist etwas subjektives was sich stets verändert, je nachdem aus welchem Blickwinkel man es denn gerade betrachtet. Und das, so sagt sie, ist einer der Gründe, warum sie am Ende eines Buches nie eine vollständige Lösung bietet. Manchmal bleiben nur ein paar Einzelheiten ungeklärt. Ein andernmal, wie z.B. bei „Die Bildhauerin", lässt sie den Leser letztendlich ganz im Unklaren. So ist die Realität meint Minette Walters. Und ich muss sagen, ich finde sie hat gar nicht so Unrecht damit. Man möchte einen realistischen Krimi, möchte aber dennoch auf jeden Fall am Ende alles geklärt wissen. Geht das überhaupt?

Und somit stört es mich auch nicht mehr so, dass ich oftmals bei ihren Romanen gedacht habe, ob ich etwas überlesen habe oder ob die Autorin hier nicht ganz gründlich war. Denn beides ist anscheinend nicht der Fall. Und mit dem Wissen finde ich ihre Weise zu schreiben sogar noch interessanter. Interessant fand ich die Bücher auch vorher schon, aber nun weiß ich ein wenig mehr, was für mich ihre Krimis zu etwas besonderem macht und mich immer wieder veranlasst den neusten Walters sofort zu lesen, obwohl ich mich im letzten noch über gewisse Unstimmigkeiten geärgert habe!

Das Wahrheit sowie Gut und Böse für Minette Walters nicht etwas real existierendes ist, klingt für mich auch an anderer Stelle durch. Und zwar an der Art und Weise, wie sie ihre Protagonisten beschreibt. Es sind stets couragierte, selbstbewusste Frauen im Mittelpunkt ihrer Bücher, die aber auf der anderen Seite auf mich oft sehr exzentrisch und verbissen wirken. Mich störte das nie, da ich sie dadurch einfach menschlich finde. Nicht perfekt, sondern menschlich. Hierzu hatte ich früher eher den Eindruck, dass sich in den Gedanken der Protagonisten sehr Minette Walters selbst wiederspiegelt. Das empfinde ich auch heute noch so. Aber es ist etwas hinzu gekommen. Auch hier spüre ich heraus, dass auch der Blickwinkel des Protagonisten nicht „der einzig wahre" ist. Sondern eben nur ein Blickwinkel. Besonders ist mir das bei „Schlangenlinien" aufgefallen. Denn die Vorwürfe, die die Protagonistin mit ihrem extrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, ihren Nachbarn macht, fand ich einfach auch oft sehr einseitig betrachtet. Aber Minette Walters versäumt es nicht, diese einseitige Betrachtungsweise ihrer Protagonistin durch Argumente der Gegenpartei für den Leser in Frage zu stellen. Ich habe seitdem nicht mehr so sehr den Eindruck, dass die Autorin nur durch ihre Hauptfiguren spricht, sondern auch durch die Nebenfiguren. Sie zeigt auch hier, dass es das „richtig und falsch" gar nicht gibt, sondern auch das sehr subjektiv ist. Das hat mir sehr gefallen und kam für mich gerade in diesem Roman sehr gut heraus.

In ihrer Biografie erfährt man auch, dass die Schriftstellerin nicht an Gott glaubt. Sie bezeichnet sich selbst als Atheistin. Und sie lässt nicht unerwähnt, dass es für sie somit auch die Gegenseite, den Teufel, nicht gibt. Mit all diesem Wissen erscheinen mir nun ihre Romane in einem anderen Licht.

Ganz auf britische Art interessiert sie in ihren Büchern weniger wer der Täter ist oder eine actionreiche Handlung. Auf die kann Minette Walters gut verzichten. Vielmehr interessieren sie die Motive. Warum wurde eine Tat begangen. Und die Spannung in ihren Büchern ist vielmehr psychologischer Natur.

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als wären alle Bücher von Minette Walters überragend gut. Aber ich wollte für mich selbst die Frage ausräumen, warum mich ihre Bücher immer wieder anziehen und nicht mehr loslassen, obwohl sie mir nicht immer stimmig und manchmal auch zu radikal in ihren Ansichten erscheinen. Und ich denke, ich habe für mich einige Erklärungen gefunden. Vielleicht hat sich der eine oder andere schon ähnliches gefragt und kann sich an meinen Gedanken und den Informationen über diese außergewöhnliche Autorin erfreuen.

Mit meiner Begeisterung scheine ich jedenfalls nicht alleine dazustehen. Auch das Fernsehen zeigte reges Interesse an ihren Romanen. Sie wurden in Großbritanien verfilmt und im deutschen Fernsehen waren bereits „Im Eishaus", „Die Bildhauerin", „Dunkle Kammern" und „Das Echo" zu sehen. Meiner Meinung nach sogar recht gelungene Umsetzungen ihrer Romane, die sich ziemlich nahe an die Vorlage halten. Auch bei der Besetzung wurde dem Stil von Minette Walters Respekt gezollt. Die Bücher sind natürlich dennoch besser, aber auch die Verfilmungen sind durchaus sehenswert!

Minette Walters lebt mit ihrem Mann Alec, den sie nach ihrem Studium heiratete und mit dem sie nun schon seit über 20 Jahren verheiratet ist, in Hampshire und ist Mutter von zwei Söhnen. Nach der Geburt ihrer Kinder arbeitete sie dann lange Zeit als Redakteurin und Lektorin in London. Bevor sie anfing Krimis zu schreiben, veröffentlichte sie unter verschiedenen Pseudonymen bereits viele Liebesromane und Kurzgeschichten. Ihre Krimis wurden mit wichtigen internationalen Preisen ausgezeichnet. So erhielt sie u.a. für "Im Eishaus" den John-Creasey-Preis als "bester Krimi-Erstling", für „Die Bildhauerin" den Edgar-Allan-Poe-Preis und für "Die Schandmaske" den Golden Dagger. Alle ihre Krimis wurden in 32 Sprachen übersetzt. Wie man es von einer britischen Krimiautorin vorstellt, bewohnt sie ein pittoreskes Landhaus aus dem 18. Jahrhundert, umgeben von einem üppigen Rosengarten und weiten Rasenflächen. Geboren wurde sie 1949 und wuchs mit drei Geschwistern bei ihrer früh verwitweten Mutter in Yorkshire auf. Sie sagt: "Zum Schreiben braucht man die dicke Haut eines Nashorns - aber ich liebe es."

 

Ihre Krimis in chronologischer Reihenfolge:

Deutscher Titel: Erstveröffentl.: Originaltitel:
Im Eishaus 1992 The Icehouse
Die Bildhauerin 1993 The Sculptress
Die Schandmaske 1994 The Scold´s Bridle
Dunkle Kammern 1995 Dark rooms
Das Echo 1997 The Echo
Wellenbrecher 1998 The Breaker
* In Flammen 1999 The Tinder Box
Schlangenlinien 2000 The Shape of Snakes
Der Nachbar 2001 Acid Row

* Ob es sich bei "In Flammen" um einen Ausrutscher oder um ein älteres, aber später erst veröffentlichtes Werk handelt, kann ich nicht genau sagen. Meine Vermutung ist jedoch, dass es sich bei diesem dünnen Büchlein um eines ihrer ganz frühen Werke handelt, welches als Lückenbüßer genommen wurde, bis sie etwas neues geschrieben hat. Aber dies ist wohlgemerkt mein Eindruck, da es so gar nicht recht in diese Reihe passt und auch bei weitem nicht so gut sein soll wie die anderen.

Hinweis: Das o.g. Interview ist online nicht mehr abrufbar. Wer Interesse daran hat es zu lesen, der kann mir eine E-Mail schicken. Ich habe das Interview auf meinem Rechner abgespeichert und verschicke es bei Interesse gern.

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(Verfasserin des Berichts: Petra)

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