Inger Christensen

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Inger Christensen

Beitragvon JMaria » Mo 5. Jan 2009, 19:02

Hallo zusammen,

gerade entdecke ich die traurige Nachricht in der FAZ:

Das Recht zu dichten, so, wie der Baum Blätter treibt

letztes Jahr war sie noch eine Kandidatin für den Literaturnobelpreis, nun ist es für diese Ehrung für immer zu spät. :(

Da ergibt sich für "Das Schmetterlingstal - Ein Requiem" eine neue Deutung. Ich werde das Hörbuch "Das Schmetterlingstal" nochmals anhören und "Das gemalte Zimmer mir baldigst vornehmen zu lesen.

„Es ist der Tod, der dich mit eigenen Augen / vom Schmetterlingsflügel aus anblickt.“

Hier gehts zu Lyrikline:
http://www.lyrikline.org/index.php?id=5 ... 5adf79d0a1

hier noch ein Auszug aus dem obigen Artikel der FAZ, der tief berührt:

Die zahlenkundige Dichterin hat den Brunnen ausgemessen, und das lebensspendende Wasser ist die Poesie, von der wir trinken dürfen.


Viele Grüße
Maria
Zuletzt geändert von JMaria am So 2. Aug 2009, 12:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Inger Christensen gestorben

Beitragvon Wolf » Di 6. Jan 2009, 00:05

Hallo Maria,

ja, das ist eine sehr traurige Nachricht. Ihren Sonettenkranz "Das Schmetterlingstal" noch einmal zu lesen oder zu hören ist eine schöne Art des Andenkens an diese bedeutende Dichterin. Dieser Gedichtzyklus handelt ja vom Tod, wie der Untertitel "Ein Requiem" schon andeutet, aber der Tod ist hier eingebettet in den Kreislauf des Werdens und Vergehens, er ist nicht nur das Ende eines Lebens, sondern auch der Anfang eines neuen Lebens. Die deutsche Hörbuchlesung von Hanna Schygulla ist hervorragend, ihr einfühlsamer Vortrag hat mich sehr beeindruckt. Mit ihrem "Schmetterlingstal" hat Inger Christensen uns allen ein wunderbares Geschenk hinterlassen. Die Kraft und Schönheit dieses Werkes erschließt sich vielleicht nicht gleich bei der ersten Lektüre, man unterschätzt es womöglich zunächst, aber je öfter ich es gelesen und gehört habe, desto eindrücklicher und tiefer wirkte es auf mich ein.

Schöne Grüße,
Wolf
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Re: Inger Christensen gestorben

Beitragvon Petra » Di 6. Jan 2009, 11:42

Hallo Maria und Wolf,

auch wenn sie jetzt im Moment sonst nicht in mein Interessenfeld gelangt wäre, so macht mich ihr Tod nun doch aufmerksam. Ich denke, das Hörbuch "Das Schmetterlingstal" würde ich doch gern mal hören oder wenigstens ein bisschen reinlauschen. Denn thematisch passt es im Moment ja schon bei mir, da ich ja leider im letzten Jahr auch große Verluste hinnehmen musste. Sicher interessant, wie Inger Christensen das Thema Vergänglichkeit bearbeitet.

Traurige Nachricht, wirklich... fast hätte sie den Literaturnobelpreis bekommen und hätte diese Ehrung mitbekommen. Doch nun ist das zu spät. Wirklich ein trauriger Gedanke.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Inger Christensen gestorben

Beitragvon JMaria » Di 6. Jan 2009, 12:01

Hallo Wolf und Petra,

Wolf hat geschrieben:ja, das ist eine sehr traurige Nachricht. Ihren Sonettenkranz "Das Schmetterlingstal" noch einmal zu lesen oder zu hören ist eine schöne Art des Andenkens an diese bedeutende Dichterin. Dieser Gedichtzyklus handelt ja vom Tod, wie der Untertitel "Ein Requiem" schon andeutet, aber der Tod ist hier eingebettet in den Kreislauf des Werdens und Vergehens, er ist nicht nur das Ende eines Lebens, sondern auch der Anfang eines neuen Lebens. Die deutsche Hörbuchlesung von Hanna Schygulla ist hervorragend, ihr einfühlsamer Vortrag hat mich sehr beeindruckt.



und hat mich ebenfalls wieder sehr beeindruckt. Schygulla trifft die Sprachmelodie! Das merkt man umso deutlich, wenn man sich dann Inger Christensen persönlich anhört, wie sie ihre Gedichte vorträgt.

Was du über den Kreislauf des Werdens und Vergehens schreibst ist natürlich absolut richtig. Schon der Schmetterling als Symbol deutet das an. Wenn ich Schmetterlinge sehe, denke ich automatisch an den Gedichtszyklus.

Doch restlos begeistert bin ich von "Wassertreppen". Wie sie Wörter und Sätze immer wieder in einer Wiederholung einbettet und aneinander reiht, das spricht mich total an. (Findet man ja auch im "Schmetterlingstal")

Herzliche Grüße
Maria
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Re: Inger Christensen gestorben

Beitragvon Petra » Di 6. Jan 2009, 12:05

Hallo Maria,

sehr verführerisch was Du da schreibst, liebe Maria! Besonders schön zu wissen finde ich, dass die Sprecherin mit der Dichterin von der Sprachmelodie her so gut harmoniert. Das ist ja ein wichtiger Punkt und wenn man den mit Gewissheit (weil man auch einen persönlichen Vortrag der Dichterin kennt) bejahen kann, dann steigert es den "Wert" des Vortrags. Finde ich.

Auch die Symbolik mit dem Schmetterling finde ich sehr schön. Denn richtig: Was könnte den Kreislauf des Werdens und Vergehens besser beschreiben?

Auch auf "Wassertreppen" hast Du mich neugierig gemacht.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Inger Christensen gestorben

Beitragvon Rachel » Di 6. Jan 2009, 14:29

Hallo Maria,

das ist ja eine traurige Nachricht.

Allerdings muss ich zugeben, dass mir die Autorin, bis auf den bloßen Namen, bisher nicht viel sagte. Was Du und Wolf über sie schreibt, macht aber neugierig, das Hörbuch "Das Schmetterlingstal" klingt wirklich nach etwas ganz besonderem.
Liebe Grüße,
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Re: Inger Christensen gestorben

Beitragvon JMaria » Di 6. Jan 2009, 15:55

Hallo zusammen,

wer sich noch näher mit der Lyrikerin befassen möchte, gibt es in der "Zeit" ein ausführliches Porträt ihres Werkes:

http://www.zeit.de/2003/13/L-Christensen

Liebe Grüße
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Re: Inger Christensen gestorben

Beitragvon Petra » Di 6. Jan 2009, 21:11

Danke für den interessanten Link, Maria! :-)
Liebe Grüße,
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Re: Inger Christensen

Beitragvon JMaria » Mo 3. Aug 2009, 08:58

Hallo zusammen,

Das gemalte Zimmer ist eine Bildbeschreibung der besonderen Art, eher noch eine Visualisierung, für die Inger Christensen 2006 den Siegfried-Unseld-Preis bekommen hat. Ich habe mir das Büchlein am Wochenende vorgenommen und hat mich gefangengenommen. Erst am Ende ist man mit den Fresken vertraut und versteht die 3 Teile. Man müßte dann nochmals von vorn beginnen:

Es werden die Camera picta Fresken im Herzoglichen Palast in Mantua beschrieben, ein Wandgemälde und das Deckengemälde, hergestellt von Andrea Mantegna.

http://www.wga.hu/frames-e.html?/html/m ... index.html

Die Beschreibung ist 3-geteilt, wie ein Triptychon, allerdings mit kaum erkennbaren christlichen Motiv. Doch erinnerte die Einteilung mich an ein solches.

Den 1. Teil stammt aus dem Tagebuch des Marsilio Andreasis, dem Hofsekretär und diesen Teil empfand ich als sehr mathematisch-poetisch erzählt. Er klagt über sein Leid, dass Nicolosia Bellini Andrea Mantegna geheiratet hat. Als sie und Mantegna an den Hof kommen, beschreibt Andreasis die Fort- bzw. die anfängliche Nichtfortschritte des "Gespensterzimmers", wie sie die Camera picta nennen. Es wird die Entstehung der größten Fresko an der Nordwand beschrieben; "Audienz am Hof der Gonzaga".

Audienz am Hof der Gonzaga

Auszug:
1468
23. Mai
Die Pfauen sind gekommen.

14. Juli
Der Traum, der im Leibe des Schlafenden wächst.
Der Traum von einer Zukunft.
Aber es gibt keine Zukunft. Es gibt nur diese gewaltige Menschengesellschaft, die einem verqueren Gemüt ähnelt. Ein Abgrund, auf dessen Hängen alle möglichen und unmöglichen Wertbegriffe verstreut herumliegen wie gichtbrüchige Karnevalsmaschinen....



Der 2. Teil erzählt Farfalla, eine Sklavin. Sie erzählt über eine wundersame Hochzeit, zwischen der Zwergin Nana und Piero, über die drei "Schwestern" des Papstes, einem Schmetterling, einer türkischen Prinzessin und dem nichtzulösendem Geheimnis des Pfaus und beschreibt das Deckengewölbe:

Ingrandimento dell'oculo

Auszug:
Nie seit Menschengedenken war in Mantua ein so ungleiches Paar getraut worden. Man sagte, er sei genauso schön, wie sie reich sei. Sie sei die Leidenschaftliche, während er kalt sei. Und er sei der Verständige, während sie schamlos, reizbar und feige sei. Das meiste von dem, was die Leute sagten, stimmte natürlich. Das letzte aber erwies sich als so falsch, daß die Leute eher ungläubiger und beharrlicher wurden, als ihnen endlich die Wahrheit aufging...


Der 3. Teil entstammt einem Aufsatz des zehn Jahre alten Bernardino, dem Sohn Mantegnas. Er nimmt den Leser ins Gemälde hinein; sehr transzendal erzählt.

Auszug:
es sieht toll aus, wenn der Himmel trocknet. Dann könnte man glauben es wäre der richtige Himmel und die Wand wäre verschwunden, so daß man direkt hinausgucken konnte....


insgesamt ist das Buch sehr modern im Stil, vielleicht wollte die Autorin die Renaissance damit hervorheben.

In der Suhrkamp Ausgabe gibt es auch zwei Abbildungen der Fresken.

Das gemalte Zimmer

es gibt auch eine Ausgabe aus dem Kleinheinrich Verlags mit Radierungen von Per Kirkeby, die ich aber nicht kenne.

und hier gehts zur Wikipedia über Andrea Mantegna:
http://de.wikipedia.org/wiki/Andrea_Mantegna

Viele Grüße
Maria
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Re: Inger Christensen

Beitragvon Rachel » Mo 3. Aug 2009, 10:17

Hallo Maria,

vielen Dank für die interessante Buchvorstellung. "Das gemalte Zimmer" ist direkt auf meiner Wunschliste gelandet. :)
Liebe Grüße,
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