Kettenbach, Hans Werner: Glatteis

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Kettenbach, Hans Werner: Glatteis

Beitragvon Petra » Mo 20. Jul 2009, 10:05

Kettenbach, Hans Werner
Glatteis

Bild

Genre: Krimi / Charakterstudie
Seitenzahl: 267 Seiten
Verlag: Diogenes
Preis: 6,00 €
ISBN: 978-3257237085
Bewertung: ****
(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Inhalt:

Joseph Scholten ist entsetzt. Seine erfolgreiche und schöne Chefin Erika Wallmann ist tot. Es soll ein Unfall gewesen sein. Oder gar Selbstmord. Doch das kann man ihm, Jupp Scholten, nicht erzählen. Zu viel weiß er aus dem Eheleben der Wallmanns. Scholten ist sich sicher: Das war Mord. Kühl berechnet und somit ein (fast?) perfektes Verbrechen. Fortan will Jupp Scholten Herrn Wallmann auf die Schliche kommen. Wenn Hilde – Scholtens Frau – ihn lässt. Denn Hilde hat immer was zu mäkeln. Und Scholten kann sich nicht so frei bewegen, wie er gern würde. Doch er hat sich in den Kopf gesetzt, dieses Verbrechen ist nicht umsonst geschehen…

Meine Meinung:

Das erste was mich an diesem Buch angesprochen hat, war die klare, präzise, (manchmal brutal) ehrliche Sprache, die dennoch so viel Wärme in sich trägt. Damit bringt Hans Werner Kettenbach dem Leser den Jupp Scholten direkt sehr nahe. Wer ist Jupp Scholten? Jupp Scholten ist ein Mann, der genau weiß was er zu tun hat: Geld verdienen und seiner Frau Hilde keinen Widerstand leisten. Der Leser begleitet ihn durch diesen Alltag. Und wird Zeuge wie Jupp Scholten sich seine kleinen Freiheiten herausnimmt. Gegenüber der Firma und gegenüber seiner ständig nörgelnden Frau. Das Leben könnte so schön sein und so einfach. Aber Jupp Scholten ist gefangen in seinen Verpflichtungen. Bis dieser Mord geschieht. Der setzt etwas in Jupp Scholten in Gang. Und fortan entwickelt sich eine Geschichte, die nicht aufzuhalten ist. Ist sie im Grunde schon, aber Scholten kann nicht aus seiner Haut. Zwangsläufig steuert er in seiner Besessenheit den Mord an Frau Wallmann aufzudecken in eine Lage, aus der es scheinbar kein zurück mehr für ihn gibt. Das hat Hans Werner Kettenbach ganz eindringlich und überzeugend erzählt, so dass man die Zwangsläufigkeit dessen was geschieht spürt – mit jeder Seite mehr. Meisterhaft!

Schon eine Figur wie Scholten zu schildern ist eine Kunst. Ihn dem Leser sympathisch zu machen. Und wahrlich, das war er mir! Trotz seiner Schwächen, trotz dass man ihn am liebsten manchmal schütteln würde, da sein Leben auch ganz anders aussehen könnte. Aber man versteht ihn. Ein Jupp Scholten kann nicht aus seiner Haut! Und das wird dem Leser klar, ganz ohne dass der Autor das erklären muss. Er lässt seine Figur einfach agieren und sie erklärt sich dem Leser von selbst. Jupp Scholten nach den 267 Seiten zu verlassen, hat mir im Herzen weh getan. Kann man einem Autor ein größeres Kompliment machen? Zumal er mit Jupp Scholten keinesfalls den klassischen Sympathieträger geschaffen hat. Man versteht Jupp Scholten und seine Welt in der er gefangen ist und nach deren Gesetzen er funktioniert.

Die Krimihandlung an sich hielt für mich auch Überraschungen bereit. Irgendwann spürt man zwar instinktiv in welche Richtung es sich entwickelt. Aber anfangs wäre ich auf diese Entwicklung noch nicht gekommen. Und egal wo Jupp Scholten in der Wahrheitsfindung und seinen Plänen das Verbrechen aufzudecken gerade steht, es ist spannend. Spannend wie er Stück für Stück rekonstruiert, wie Herr Wallmann vorgegangen ist. Die Wendung die das Ganze nimmt, empfand ich als originell und stimmig. Sie verbindet sich mit der Charakterzeichnung eines Jupp Scholten perfekt und hat mich deshalb auch sehr beeindruckt. Ja, so könnte es passieren! Und genau das macht aus dem Buch mehr als einen bloßen Krimi.

Hans Werner Kettenbach schafft es, dass sowohl der Firmenalltag und Scholtens Kollegen greifbar nahe erscheinen, als auch seine häusliche Situation. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind gnadenlos ehrlich geschildert, ohne zu schönen. Aber auch die kleinen liebevollen Dinge im Leben eines Menschen sind wunderbar angesprochen. So war es mir stets ein Genuss Herrn Scholten im Umgang mit seinem Kater Männi zu erleben. Die Liebe – obwohl unausgesprochen – zu seinem Männilein kam ebenso gut und klar herüber wie alles andere in dem Roman. Das und seine Erschütterung über den Tod der Frau, die er bewundert hat, zeigen welch großes Herz Herr Scholten hat.

Auch die Umgebung (Kölner Raum) in der die Geschichte spielt, ist sehr authentisch eingefangen. Und es gibt noch ein kleines Element, das mir nahe ging. Herr Scholten hat den zweiten Weltkrieg miterlebt. Ein Thema das er nur ungern an sich heranlässt. Umso erstaunlicher wie nahe mir Hans Werner Kettenbach die Schrecken des Krieges und die persönlichen Verluste eines Jeden bringen konnte, wo Jupp Scholten sich doch nur ganz kurz erlaubt darüber nachzudenken. Das zeigt mir, wie eindringlich Hans Werner Kettenbach erzählen kann.

Der Autor wird gern mit Patricia Highsmith verglichen. Diese Autorin bewundere ich gleichfalls. Und ich kann da durchaus zustimmen. Zwar schreibt Hans Werner Kettenbach eigen. Aber in der genauen Charakterstudie, die er hier betreibt, erinnert er mich an ihre Romane aufs erfreulichste! Wer darin besser ist, vermag ich nicht zu sagen – beide sind faszinierend! Auch die Besessenheit von etwas, das auch Highsmiths’ Figuren antreibt und ins Verderben stürzt, finde ich hier in einer eigenen Form wieder. Fest steht, für mich ist dieser Autor eine persönliche Entdeckung, wie damals Patricia Highsmith als ich mein erstes Buch von ihr las! Von Hans Werner Kettenbach will ich noch vieles lesen! Und ich wünsche mir, dass noch viele Leser zu seinen Büchern finden! (Petra)

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Liebe Grüße,
Petra


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