"Crossroads" von
Jonathan Franzen habe ich beendet, und habe daran doch einige Kritik.
Jonathan Franzen sagt selbst (im
Interview bei Amazon nachzulesen), dass er das Gefühl hatte, mit den Korrekturen stilistisch sein Äußerstes gegeben zu haben, und dass er seitdem mehr und mehr darauf zubewegt, auf eine möglichst transparente Art zu schreiben. Weiter sagt er, dass er nicht möchte, dass die Leser anfangen, auf den Stil zu achten. Er möchte die Leser vielmehr ganz und gar in einer Traumwelt halten, und dass er sie noch nicht einmal mit einem besonders schönen Satz ablenken möchte. Zwar solle jeder Satz makellos sein, und einen Gedanken in sich tragen, aber er wollte nicht, dass er die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Für mich war diese Aussage von ihm aufschlussreich. Denn seine stilistisch so beeindruckende Art zu erzählen, wie ich sie in "Die Korrekturen" bewundert habe, fehlte mir hier. Anfangs fand ich davon noch einiges, doch im weiteren Verlauf wurde für mich die Art wie er erzählt immer platter. Das hat mich irritiert. Und ich muss auch sagen, dass ich es schade finde, dass er seine stilistische Stärke so stark eingeschränkt hat. Mir hat das viel von dem genommen, was Jonathan Franzen für mich ausmacht, wofür ich ihn ganz besonders gern lese.
Was dann übrig geblieben ist, ist für mich nicht ausreichend. Zwar finde ich die Geschichte über die Familie interessant, und ich wäre schon durchaus neugierig, wie sich das Leben der einzelnen Figuren weiter entwickelt. Und auch finde ich die Idee, die Familie über 3 Bände in verschiedenen Jahrzehnten zu begleiten, interessant. Aber was Franzen über sie in "Crossroads" erzählt hat, war mir nicht genug, um damit 800 Seiten zu füllen. Das hätte straffer sein können und für mich gerne auch sein dürfen.
Den Untertitel des Buches (zumindest im Original)
Ein Schlüssel zu allen Mythologien finde ich viel zu hoch gegriffen!
Noch etwas ist mir unangenehm aufgestoßen. Franzens "Crossroads" wird hier und da mit Tolstoi verglichen oder aufgrund seiner Erzähltechniken mit ihm in Zusammenhang gebracht. Auch das finde ich viel zu hoch gegriffen. Zum Ende des Buchs beschlich mich dann zudem das Gefühl, als wolle Franzen in seinem Buch Elemente von Tolstoi aufgriffen. Der älteste Sohn der Hildebrands gibt seine Zukunftspläne auf, und lebt in den Anden ein ganz einfaches Leben bei ganz einfachen Menschen, wo Landwirtschaft der einzige Lebensinhalt ist (Nahrung anbauen um zu überleben). Mich hat das stark an Lewin aus "Anna Karenina" denken lassen. Ich fand diese Episode total unnütz. Und sollte Franzen tatsächlich hier durch Tolstoi inspiriert gewesen sein, so hat er das ganz schlecht umgesetzt. Die Erkenntnis fehlt hier komplett. Es liest sich wie eine Auszeit vom Leben. Aber die Tiefe, die diese Kapitel um Lewin bei Tolstoi haben, entsteht hier in keinster Weise.
Trotz der vielen Kritikpunkte habe ich "Crossroads" zumeist gern gelesen, und möchte wissen, wie es mit den Hildebrandts weitergeht. Vielleicht wird der nächste Band auch interessanter. "Crossroads" spielt in den 70er Jahren. Der nächste Band soll wohl um 2000 rum spielen. Ich bin besonders gespannt darauf, was aus Perry wird. Und Judson, dem jüngsten Sohn. In "Crossroads" ist er noch zu jung, um selbst wirklich darin vorzukommen. Zumal die Figuren über den Glauben sinnieren, und damit hadern, gute Menschen sein zu wollen, und in Frage stellen, ob ihre guten Taten wirklich gut sind, oder nicht doch egoistisch motiviert sind. Dazu ist Judson noch zu klein. Aber wie sich auf ihn auswirkt, was in den 70ern um ihn herum in der Familie geschieht, interessiert mich schon.
Nachdem Jonathan Franzen meine Geduld strapaziert hat, habe ich mich zum Jahresausklang für einen entspannten Lesegenuss entschieden. Ich lese
"Das Geheimnis des Schneemanns" von
Nicholas Blake. Ein Weihnachtskrimi aus dem Jahr 1941.