Interview mit

Bianca Maria

Di Palma:

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Frau di Palma, bei Ihrem Debütroman Römisches Requiem handelt es sich um eine raffiniert erzählte Kriminalgeschichte, die im mondänen Opernmilieu spielt:

Bei einem Autounfall bricht sich die junge Geigerin Geraldine Dvorsky den Arm. Völlig unerwartet und abrupt endet somit ihre bis dato steile Karriere. Schuld daran ist der Musikkritiker Federico Stronchetti, der den Unfall verursachte. Als Stronchetti kurze Zeit später am Fuße der Engelsburg ermordet aufgefunden wird, fällt der Verdacht zunächst auf sein Unfallopfer. Doch während seiner Ermittlungen stößt Commissario Caselli auf immer neue Verbindungen und Intrigen zwischen den exzentrischen Opernstars, bis noch ein wieterer Mord geschieht. Warum haben Sie die Oper zum Schauplatz des Verbrechens gemacht und welche Rolle spielt die Musik in Ihrem Roman?

di Palma: Die Musik ist das Umfeld. Ich setze meine Hauptdarsteller in eine Welt, die mich lange Zeit sehr beschäftigt hat und in der ich mich gut auskenne. Als ich das `Römische Requiem` schrieb, war Musik der Mittelpunkt meines Lebens. Ich bin auch wirklich mit einem Musikkritiker - keine Sorge: seine Rundfunksendung auf RAI 3 läuft noch, er erfreut sich bester Gesundheit - Italien rauf und runter gefahren, war in fast allen Opernhäusern und auf jedem Festival. In einem Sommer habe ich fünf Toscas, drei Aidas und vier Turandots, neben weiteren Aufführungen gesehen. Ich habe nach und nach dazugelernt, Feinheiten verstanden, zum Beispiel, ob ein Tenor die `Cabaletta` richtig nimmt. Da ich selbst von der Instrumentalmusik komme, hatte ich keine Ahnung vom Opernbetrieb. Instrumentalisten halten Sänger im Grunde für Angeber ohne Hirn. Und für Sänger ist das Orchester ein kompakter Klangkörper, der ärgerlicherweise meist zu laut spielt. Diese Welt jedenfalls hat mich fasziniert und so hört Commissario Caselli in diesem Roman Musik. Bei seinem nächsten Kriminalfall wird die Szene wechseln. Ich habe vorgesorgt und Caselli als Wagnerkenner angelegt. Auf diese Weise kann ich, immer mal wieder, mit ein paar Sätzen auf mein `Leitmotiv` zurückkommen.

Mit großer Leidenschaft nehmen Sie den Leser an die Hand und führen ihn mit Ihren atmosphärisch dichten Schilderungen durch die Straßen Roms. Römisches Requiem liest sich so nicht nur wie ein Kriminalroman, sondern zugleich auch wie ein Reiseführer zu den schönsten Plätzen Roms. Was verbindet Sie mit der Ewigen Stadt?

di Palma: In Rom bin ich zuhause. Ich lebe seit meiner Studienzeit dort und liebe die Stadt. Ich habe viel als Dolmetscherin gearbeitet, da ist man gleichzeitig auch immer ein bisschen Fremdenführerin. Der Manager der Deutschen Bank möchte einen Caravaggio sehen, da zeigt man ihm die Kirche San Luigi dei Francesi. Er braucht ein Mitbringsel für seine Frau, man geht mit ihm zu Gucci. Er sucht ein typisches Lokal in Trastevere und man nennt ihm die Trattoria eines Bekannten Salvatore, dem Schwager der Concierge, die die eigene Katze hütet, wenn man wegfährt. Rom ist eine Stadt die tröstet, die Einsamkeit lindert. Man wird nie lang deprimiert durch die Via Condotti laufen. Rom liegt schon im mediterranen Licht vor einem, wenn man morgens seine Zeitung holt... und bevor man sich versieht, verzaubert einen die Atmosphäre und die Schönheit der Monumente und man schöpft wieder Kraft...

Was hat sie außerdem zu diesem Roman inspiriert?

di Palma: Inspirationsquelle sind die Menschen, mit denen ich zusammengekommen bin. Nicht nur die aus der Opern-, Theater-, und Geschäftswelt, auch meine Concierge, der Fischverkäufer auf dem Markt und die römischen Taxifahrer - jeder hat immer etwas zu berichten oder über was zu schimpfen, egal ob Sie´s hören wollen oder nicht, er teilt es Ihnen auf jeden Fall mit und gibt Ihnen gleich ein paar gute Ratschläge dazu. Die Psychologie der immer gleichen großen Themen Liebe, Eifersucht, Schicksalsschläge ist zum Greifen nah und oft recht laut... doch wenn sonntags die schwarze Wäschegarnitur auf der Zugleine hängt, die quer durch den Cortile spannt, dann weiß ich, dass das Ehepaar im ersten Stock seine Eheprobleme gelöst hat.

Ihre Hauptfigur Commissario Caselli wirkt recht extravagant, vielleicht sogar etwas verschroben, aber in jedem Fall liebenswert und wirklich. Entspringt diese Figur allein Ihrer Phantasie oder gibt es jemanden, der dafür Pate stand?

di Palma: Commissario Caselli legt Wert auf sein Äußeres, wie die meisten kultivierten Italiener, und schaut gern mal bei seinem Herrenausstatter in der Via del Gambero rein. Extravagant ist zu viel gesagt. In Rom gibt es formidable Herrenausstatter. Eine Schwingtür klickt hinter Ihnen zu, Sie sehen deckenhohe Mahagonikassettregale hinauf, es riecht nach Sattelleder und Vertiver, ein Verkäufer ist diskret zur Stelle, weiht Sie ein in geheimnisvolle Zahlenreihen von Kragenweite bis Schaftlänge uns Sie sind umgeben von all diesen ungeahnt sinnlichen Sachen, die Männern vorbehalten bleiben... ach, wunderbar ist das.

Commissario Caselli ist keinesfalls ein verschrobener Junggeselle, er ist einfach ein Mann, der eine Weile allein lebt. Und er ist Sizilianer. Ich habe eine Zeit auf der Insel zugebracht, und was dort passiert ist, ist in meinem `Sizilienroman` verarbeitet. Lässt man die zutreffenden Vorurteile außen vor, stellt man fest, dass ein weit in die Geschichte zurückreichendes kulturelles Erbe die Menschen dort heute noch prägt. Deshalb haben sie vielleicht gerade in der Literatur so viel geleistet, ich denke an Pirandello, Lampedusa, Sciascia... Commissario Casellis sizilianische Komponenten sind Kolorit. Er ist ganz bewusst keinem Klischee nachgezeichnet, höchstens dass er ein klein wenig zur Hypochondrie neigt, wie so mancher Mann.

Der Name ist dem Leiter des DIA, der Nachfolgeorganisation des Antimafiapools in Palermo, Gianluca Caselli entlehnt, einem mutigen, äußerst engagierten Staatsanwalt, den ich aufrichtig bewundere. Die Figur selbst ist erfunden.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Dürfen sich die Leser auf weitere Kriminalgeschichten und Commissario Caselli freuen?

di Palma: Caselli II liegt schon im Lektorat des Eichborn Verlags. Ein Schauspieler wird in einer Gemäldegalerie tot aufgefunden. Über seinen dritten Kriminalfall habe ich mir Gedanken gemacht und schon ein paar Szenen notiert. Der `Sizilienroman` ist fertig. Einem befreundeten Autor habe ich versprochen, sein neues Theaterstück zu übersetzen. Und hier sind Lesungen geplant, habe ich gehört. Im Herbst bin ich wieder in Rom. Wer weiß, vielleicht kommt ja der eine oder andere Leser, dem das `Römische Requiem` gefallen hat, vorbei... ich sitze jedenfalls im Greco... ganz durch, Ecktisch unter der englischen Landschaft... und trinke meinen Cappuccino.

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