1ADIMD5.gif (12828 Byte) Zurück zu neuere Bücher    Zurück zu Buchbesprechungen Oktober / November 2002
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Doerry, Martin

Mein verwundetes Herz:

- Das Leben der Lilli Jahn 1900-44 -

 

Inhaltsangabe: 

In einzigartiger Vollständigkeit sind über 500 Briefe erhalten, die das dramatische Schicksal einer deutsch-jüdischen Familie erzählen. Die Familie Jahn zerbricht äußerlich an den Wirren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, innerlich halten die fünf Kinder und ihre Mutter Lilli um so fester zusammen, bis Lilli Jahn in Auschwitz stirbt. Der Briefwechsel zwischen der Mutter und den Kindern ist ein einmaliges Zeugnis der Menschlichkeit. Das Leben der Ärztin Lilli Jahn ist beispielhaft für die deutsch-jüdische Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dem jüdischen bildungsbürgerlichen Milieu in Köln entstammend, entschließt sich Lilli Schlüchterer, gegen Widerstände den protestantischen Arzt Ernst Jahn zu heiraten. Die große Familie mit fünf Kindern lebt in Frieden in Immenhausen bei Kassel, bis die politischen Auswirkungen der nationalsozialistischen Politik auch das Leben der Jahns grundlegend verändern. Der Riss zwischen Deutschen und Juden geht mitten durch die Familie, Ernst Jahn lässt sich von Lilli scheiden und liefert sie schutzlos der nationalsozialistischen Verfolgung aus. 1943 wird Lilli Jahn in ein Arbeitserziehungslager gebracht und beginnt eine lange, intensive Korrespondenz mit ihren nun auf sich selbst gestellten Kindern. Die Überlieferung der Briefe grenzt an ein Wunder: Es gelang Lilli Jahn, sie vor der Deportation nach Auschwitz einer Aufseherin anzuvertrauen, die sie dann den Kindern übergab. 1998, als der Sohn von Lilli, Gerhard Jahn, Bundesjustizminister im Kabinett Willy Brandts, starb, fand die Familie den kompletten Briefwechsel in seinem Nachlass. Der Enkel Martin Doerry hat eine Auswahl getroffen und die Briefe mit zeitgeschichtlichen Hintergrundinformationen zu einem großen Lebensporträt zusammengestellt.

 

Meine Meinung:

Sicherlich erfährt man nichts Neues die Grauen des NS-Zeit, aber die Art und Weise ist sehr eindrücklich. Lilli Jahn ist eine lebenslustige junge Frau, vielseitig interessiert an Kunst, Literatur, Musik, während ihr Ehemann von ganz gegensätzlichem Naturell ist: eigenbrötlerisch mit einem Hang zur Schwermut. Der Briefwechsel umfasst nicht nur die Zeit des Nationalsozialismus, sondern beginnt schon in der Studienzeit Lillis. So bekommt man eindrucksvoll mit, wie sie sich im Laufe der Jahre verändert. Aus der fröhlichen Ärztin wird eine eingeschüchterte Frau, die sich zuletzt kaum noch aus dem Haus traut und deren Freunde sich auch nach und nach von ihr zurück ziehen. Obwohl sich ihr Mann in den Kriegsjahren von ihr scheiden lässt und sie somit der Verfolgung aussetzt, findet sich in ihren Briefen kein böses Wort über ihn, was mich dagegen teilweise zur Weißglut getrieben hat.
Sehr gut hat mir die Art der Veröffentlichung gefallen. Das Buch besteht nicht nur aus den Briefen, Martin Doerry hat die Briefe mit erzählenden Passagen verbunden und es dabei geschafft, eine Wertung der Dinge den Lesern zu überlassen, obwohl in Briefen und Passagen teilweise erschütternde Dinge erzählt werden. (Lucy)

 

Bewertung: * * * *

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

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Infos: HC; 351 Seiten - DVA, 24,90 €