Die NRZ NR. 223 vom 24.09.1999 schrieb in ihrer Beilage Cocktail:
 
Die Welt der Bücher

Eine junge Langenfelderin serviert im Internet reichhaltiges Lesefutter

 

Was wurde gejammert, geklagt und prophezeit! Mit dem ach so bösen Internet käme das Aus für Bücher, Zeitschriften und Zeitungen. Doch nichts da, das Gegenteil ist der Fall. Das weltweite Netz serviert Bücherwürmern" reichhaltiges Leserfutter und ist eine perfekte Suchmaschine, wenn es z.B. gilt, seltene Werke zu finden. Das Internet bietet daneben ein ideales Forum für alle Leser, die sich mit anderen Lesern austauschen wollen.
 

Eine der ersten, die ein derartiges Forum ins www gestellt hat, ist Petra Ludwig. Die 27-Jährige beschreibt und kritisiert auf ihrer Homepage über 300 Bücher. Auf mehr als 1000 Seiten (!!!) präsentiert sie eine bunte Auswahl aus nahe zu allen Sparten der Unterhaltungsliteratur. Unter http://ourworld.compuserve.com/Homepages/Leseratte/ hat die Langenfelderin ein Diskussionsforum und einen Bücherflohmarkt eingerichtet, sie portraitiert einzelne Autoren und serviert jeden Monat Neuigkeiten und Tipps. Die Internetadresse ist freilich lang und daher wenig werbewirksam - "da gibt es noch viel zu verändern", lacht sie, aber es ist ja alles nur ein Hobby."
 

Angefangen hat's vor etwa zwei Jahren. Petra durchforstete das Internet nach Büchern, fand aber nur wenig. Kommerzielle Angebote waren erst im Aufbau, objektive Rezensionen gab's kaum, Kontaktmöglichkeiten zu anderen Lesern schon mal gar nicht. "Sich mit Menschen über Bücher austauschen zu können", war Petras Hauptanliegen. Daher nahm sie kurzerhand das Heft selbst in die Hand und bastelte ein "Bücherforum", das im Mai vorigen Jahres online ging und seitdem einige Auszeichnungen erhielt.
 

Dahinter steckt eine Wahnsinnsarbeit. Jeden Monat stellt sie im Netz neuen Lesestoff vor, sie "muss" daher ständig Bücher lesen, auf dem Weg zur Arbeit in der S-Bahn, während der Mittagspause, nachts vor dem Schlafen - "mehr als vier bis fünf Stunden Schlaf sind nicht drin." Denn die Sozialversicherungs-Fachangestellte hat noch mehr Hobbys außer Bücher und Computer: Schwimmen, Töpfern, Treffen mit anderen Lesern aus dem Internet - und ihr eigenes Buch. Ein Viertel von etwa 450 Seiten hat sie schon geschrieben, ein Krimi wird's. Arbeitstitel: "Es ist nicht alles so, wie es scheint."

Ein paar eigene Sachen gibt's von Petra bereits im Netz zu lesen. Unter http://home.t-online.de/home/poet /index.htm finden sich von ihr sechs Gedichte, "geschrieben in einer Zeit als es mir ziemlich mies ging - Beziehungsprobleme." Damals verschlang sie auch noch Frauenliteratur - "echte Männerhass-Bücher, schüttelt sie den Kopf: "Heute finde ich derartige Sachen nur noch furchtbar." Genauso wie den ganzen Historienquatsch wie "Die Päpstin", "Säulen der Erde" oder den "Medicus" - "einfach schrecklich." Was Petra dagegen so richtig gut findet, steht rechts im Kasten.

Vielleicht nützen ihr bei der Veröffentlichung des eigenen Krimis ihre guten Kontakte zu den Verlagen. Die sind mittlerweile auf Petras Seiten aufmerksam geworden, schicken ihr - wie im August - etwa 20 Leseexemplare gratis, damit sie von Petra kritisiert und ins Netz gestellt werden. Mit sieben weiteren Bücher- und Diskussionsforen kooperiert Petra, tauscht sich aus, nimmt liebend gerne Kritiken von Lesern in ihre Sammlung auf. Wichtig immer: Die ehrliche Meinung. "Sie soll eine Warnung vor Werken sein, die von den Verlagen allzu häufig arg übertrieben gelobt werden', erklärt sie.

Mehr als tausend Besucher aus Deutschland, Schweiz und Österreich klicken jeden Monat auf Petras "Bücherforum". Viele mischen sich ein, diskutieren mit, geben Tipps. Allein: Frauensache. "Nur ein Fünftel der Besucher sind Männer", glaubt sie. Bald zieht die "Leseratte" um - der Speicherplatz für ihr Bücherforum reicht bei Compuserve nicht mehr aus. Den Vorwurf, derzeit sei ihre Sammlung eher "amerikanisch" und "kriminell', möchte sie freilich entkräften: "Am Anfang wars vielleicht etwas einseitig, aber mittlerweile bin ich flexibler geworden und in Zukunft wird's auf jeden Fall noch vielseitiger, betont sie.

Wer Petra helfen und eigene Bücher vorstellen möchte, kann ihr unter leseratte@compuserve.com mailen: "Ich hungere danach, dass mir die Leute was schicken", fordert sie zum Mitschreiben auf.
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Der Computer, viele Bücher und eine starke Frau - Petra Ludwig präsentiert im Internet eine wunderbare Welt der Literatur. Foto: Jürgen Laurischkat

  


 

Tipps für Leser

Für Cocktail stellt Euch Petra Ludwig ihre Lieblingsbücher vor. Prima Unterhaltung für kommende Herbstabende.
 

Viele von Petras Lieblingsbüchem sind inzwischen verfilmt worden. Spricht für Qualität. Z.B. "Ein wahres Verbrechen" von dem Amerikaner Andrew Klavan. Ein hartnäckiger Reporter rollt den Fall eines zum Tode Veruteilten wieder auf. Ebenso als Drehbuch für einen Kinofilm diente "Zwei Frauen" von der deutschen Autorin Diana Beate Heilmann, die über die Freundschaft von zwei charakterlich unterschiedlichen, krebskranken Frauen erzählt.
 

Die Machenschaften von brutalen Kunsthändlern deckt Commessado Brunetti in Donna Leon's spannendem Krimi "Acqua Alta" auf. Von Italien nach Spanien - und dem Nervenkitzel weiter auf der Spur: Zu finden in der Bücherwelt des "Club Dumas" von Arturo Perez-Reverte. In "Verrechnet", ein bizarres Werk des Briten Dick Francis, macht eine rachsüchtige Verwandtschaft einem jungen Erben das Leben zur Hölle.
 

Cocktail empfiehlt folgende Schmöker: "Eureka Street, Belfast" von Robert McLiam Wilson - cool. "Ab ins Bett!" von David Baddiel - erotisch. "Geschichte machen" von Stephen Frey - unverfroren. "Remix" von Benjamin v. Stuckrad-Barre - ziemlich rotznäsig und sehr lässig.

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