Inhalt:
Der junge Michel Maudet lebt in den Tag hinein und der einzige, der an ihn und seine
große Zukunft glaubt, von der er in den buntesten Farben träumt, ist er selbst. Als er
eines Tages durch Zufall erfährt, dass der alternde Dieudonné Ferchaux einen Sekretär
sucht, hält ihn nichts und niemand auf. Doch das Leben an der Seite des Mannes, der
zusammen mit seinem jüngeren Bruder einst in die Welt zog um das große Geld zu machen,
gestaltet sich ganz anders, als Maudet es sich vorgestellt hatte. Gegen Ferchaux wird
zudem ermittelt und als sich die Lage zuspitzt, ist bereits ein sonderbares Band der
Vertrautheit zwischen den beiden entstanden, so dass Maudet bereit ist, alles zu geben, um
Ferchaux beizustehen. Doch Maudet ist keine stabiler Mensch. Wird er eines Tages auch
Ferchaux opfern, wenn seine Ziele sich verschieben, er seine Sehnsüchte in anderen
Personen oder Dingen erfüllt zu sehen glaubt?
Meine Meinung:
Ein rätselhaftes Buch. Aber das nur zweitrangig wegen der Affäre Ferchaux, um die es
hier geht. Vielmehr hat mich hieran fasziniert, wie der Autor es schafft, auf eine solch
unspektakuläre Weise von der Flucht eines bedeutenden Mannes und seines Sekretärs vor
der Staatsgewalt zu erzählen und dennoch den Leser so unbeschreiblich zu fesseln. Die
Geschichte lebt, die Figuren atmen und wachsen einem beim Lesen ans Herz, obwohl keiner
von ihnen ein Sympathieträger ist. Wie ist Simenon das gelungen?
Hiermit liegt für mich das wirklich rätselhafte an dem Buch. Die Lösung dieses
Rätsels liegt wahrscheinlich in der ausgezeichneten Charakterisierung der Figuren, allen
voran die Person des Sekretärs Maudet, der keineswegs aalglatt ist, sondern mit Ecken,
Kanten und Widersprüchen behaftet ist. Maudet ist ein labiler Charakter, der stets
getrieben ist von einer unerfüllten Sehnsucht, die er selbst an nichts konkretem
festzumachen vermag. Um diese erfüllt zu sehen, ist er bereit das unabdingbar nötige -
aus seiner Sicht gesehen - zu tun. Aus Sicht der Anderen tut er alles, um seinen Vorteil
zu sichern. Er schreckt dabei nicht vor Verrat zurück an allem, was ihm zuvor lieb und
teuer war und findet stets eine Rechtfertigung vor sich selbst für sein Verhalten. Der
Leser aber sitzt zunehmend mehr zwischen zwei Stühlen. Denn Georges Simenon sorgt auf
absolut dezente Weise dafür, dass der Leser Maudet mit dessen Augen, aber auch mit denen
der Anderen sieht. Für mich war das ein höchst interessantes Leseerlebnis, in dass ich,
trotz des langsamen Tempos, mit dem der Autor die Geschichte vorwärts treibt, vollkommen
abtauchen konnte. Ein schnelleres Erzähltempo wäre auch in keinster Weise angebracht
gewesen und hätte auch nicht zum Inhalt gepasst.
Wer also bereit ist, sich auf diese gemächliche Art durch die Handlung führen zu
lassen, der wird sich keine Minute langweilen, die Welt um sich herum vergessen und das
Salz des Meeres auf den Lippen schmecken, wenn es Maudet und Ferchaux in malerische, vom
Meer umschlungene Gegenden verschlägt und die Trägheit eines heißen Sommertages
spüren, während Maudet und Ferchaux in einer Stadt im Süden festsitzen.
Fazit: Eine Geschichte, die ich jedem empfehlen möchte, der genug hat vom Einheitsbrei
auf dem Buchmarkt. Ein Buch mit Stil, Ausstrahlung und Persönlichkeit und ganz nebenbei,
so scheint es, eine Studie der menschlichen Psyche. (Petra)
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gibt es eine sehr interessante Seite über Georges Simenon
und sein Werk! |
Bewertung: ****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: 436 Seiten, Taschenbuch-Ausgabe, Diogenes Verlag, 11,90
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