Inhalt:
Zur Autorin: Irène Némirovsky wurde 1903 in Kiew geboren. Sie ist die Tochter eines jüdischen Bankiers.
1917 floh die Familie aufgrund der Revolution nach Frankreich. Dort heiratete sie und bekam zwei Töchter.
1942 wurde sie nach Auschwitz deportiert, verstarb dort einen Monat später an Typhus.
Zum Buch: Sie schrieb diese Novelle im Alter von 27 Jahren, zwischen zwei Kapiteln des Buches „David
Golder“ an dem sie gerade schrieb. Inspiriert durch den Anblick eines kleinen, sehr traurigen Mädchens, dass
mit seiner Gouvernante auf der Pont Alexandre III stand, entstand unter anderem diese Geschichte.
Zum Inhalt: Im Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen einer Mutter und ihrer Tochter. In dieser
Beziehung, die nicht gerade von großer Liebe und Zuneigung geprägt ist, schwellt ständiger Ärger und Hass.
Dieser Hass hat seinen Höhepunkt, als sich Antoinette beim bevorstehenden großen Ball, den ihre Mutter
geben will, eine Chance zu Rache bietet und sie diese auch nutzt.
Meine Meinung:
Zu diesem Buch bin ich durch eine liebe Freundin gekommen, die immer wieder gut ist für besondere Bücher.
Bei ihrem letzten Besuch brachte sie „Der Ball“ mit. Es behandelt ein Thema, dass als solches schon
Zündstoff genug bieten kann. Mütter und Töchter haben es im Leben nicht immer einfach im Umgang
miteinander, dass ist allgemein bekannt. Wenn jetzt eine sehr egoistische, egozentrische, profilneurotische
und gesellschaftsverliebte Mutter auf eine Tochter trifft, die eigentlich Liebe, Zärtlichkeit und Wärme von
ihrer Mutter erwarten kann, aber immer nur gemaßregelt, gedämpft und auf Abstand gehalten wird, so ist
schnell klar, dass dies nicht lange gut gehen kann und es irgendwann zur Eskalation kommen muss. Diesen
Aufbau von Hass und die drohende Gefahr beschreibt Irène Némorovsky sehr deutlich und in einer so
eindringlichen Sprache, dass ich am liebsten ins Geschehnis eingegriffen hätte und die Mutter wachgerüttelt
hätte. Erstaunlich, wenn ich überlege, dass die Autorin erst 27 Jahre alt war, als sie dieses Buch schrieb.
Wenn ich so etwas lese, drängt sich mir immer sofort die Frage nach autobiografischen Zügen auf. Denn so
kann nur jemand dieses spannungsgeladene Beziehungsgeflecht beschreiben, der ähnliche Erfahrungen
gemacht hat. Mir als junge Mutter und wohlbehütete Tochter ist allerdings schleierhaft, wie eine Mutter sich
überhaupt so gegenüber ihrer Tochter verhalten kann. Aber, und das ist das Schlimme, es kommt öfter vor,
als man denkt. Daher fand ich es besonders gelungen, was sich die Autorin für Antoinette als Rache
ausgedacht hat. Damit trifft sie die Mutter tief und am Ende zeigt sich dann auch das wahre Gesicht der
Tochter. Mal wieder ein runder und gelungener Schluss, der dennoch auch Einiges offen lässt.
Alles in allem ist das Buch eine gelungene Mischung zwischen tiefgründiger Charakterstudie und kurzweiliger
Unterhaltung. Empfehlen kann ich das Buch durchaus auch Nicht-Müttern, da wir alle auch Töchter sind.
(Barbara)
Bewertung: ****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos:
99 Seiten, gebundene Ausgabe, 12,90
€, erschienen bei Zsolnay 2005.
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