Inhalt:
"Eine fiktive, erotische
Biographie" ist der Untertitel
dieses Buches. Und erotisch sind einige der Geschichten allemal.
Jede Frau, die eine Geschichte trägt, ist anders als die anderen.
Sie kommen aus den verschiedensten Kulturen und Milieus - und der
Bär liebt sie alle - auf die eine oder andere Weise. Manche
Geschichten sind traurig, einige total witzig, manche wirken etwas
unglaubwürdig, andere wieder sehr real. Wie viel echte Erfahrung
und Erlebnisse hinein geflossen sind in diese Sammlung - wer weiß
dies schon außer dem Bären selbst. Aber, es ist auch nicht
wichtig zu wissen, was davon real und was erfunden ist. (c)
homorphus
Meine Meinung:
'Let the poets pipe of love in their childish
way', so heißt es in einem Song von Cole Porter ('Love for
Sale'). Und weiter: 'I know every type of love better far than
they (...) old love, new love, every love but true love (...)'
Frei übersetzt hieße das wohl: 'Überlasst die romantischen
Spielarten der Liebe den Dichtern - in der Wirklichkeit findet
begegnet man der Liebe meist nicht als etwas, das man fühlt,
sondern das man vielmehr 'macht'.' Wolfgang Weninger hat sich
jüngst des Themas 'Liebe' angenommen - und stellt uns mit seinem
'Bär', dessen Blickwinkel er in den 26 Kurzgeschichten seiner im
Verlag Thomas Biedermann erschienenen Sammlung einnimmt, ein
erzählerisches Ich vor, das sich in der Liebe gut auszukennen
scheint: Ob blond, ob braun - der da aus dem Näh(e)kästchen
plaudert, hat in seinem Leben Frauen jeglicher Couleur geliebt und
hält nun in 'Bärenliebe von A-Z' Rückschau auf ausgewählte
Episoden seines Liebeslebens. 'A bis Zett' - das steht für die 26
Buchstaben des Alphabets, das steht aber auch für die 26 Damen,
mit denen er, der sich stets nur als 'der Bär' vorstellt, uns
bekannt macht: Von 'A' wie 'Anja' bis 'Z' wie Zoé buchstabiert
sich der Bär durch das ABC der Liebe - und dem von ihm für die
Schilderung seiner erotischen Abenteuer gewählten Kriterium
gemäß begegnen uns in den knapp 230 Seiten auch weniger
'Schnelle-Nummerngirls', als man zwischen den Buchdeckeln einer
'fiktiven erotischen Biographie' vielleicht vermuten könnte.
Wenig, so scheint es, ist dem Bären fremd: Die alte Liebe nicht,
die er in der einem japanischen Model namens Mieko gewidmeten
Geschichte heraufbeschwört und aufs Neue beschwört, die nicht,
die seine Fernbekanntschaft Brigitte ihn neu erleben lässt - und
auch die neue, weil erste Liebe nicht, die der Bär mit 'Louis'
kennen lernt, die eigentlich auf den Namen 'Edith' hört. In allen
seinen Geschichten präsentiert uns 'der Bär' eine neue Facette
der Liebe - sinnenfroh leibt, lebt und liebt der Bär sich durch
die alte und die neue Welt und manchmal auch durch die Unterwelt,
aus der er eine Eurydike namens Olga zu erretten sucht. Das nimmt
sich mal mehr, mal minder deftig aus - und lässt dabei stets
durchscheinen, dass dem Bären die Liebe in all ihren Spielarten
immer auch Angelegenheit des Herzens ist. Schließlich weiß der
Bär ganz genau, dass ein erotisches Knistern vor allem eines
voraussetzt: den Kopf, dem all das, was Liebe sein kann und
könnte, zunächst einmal in den Sinn kommen muss. So gipfelt des
Bären Begegnung mit der Sängerin Natalie C. auch nicht in
körperlicher Vereinigung - sondern in einem halbstündigen
Höhepunkt musikalischer Natur: einen ihm unvergesslichen Abend
lang sind er, der nach einer durchzechten Nacht arg verkaterte
Bär, und sie, die schwarze Jazz-Lady, ein Herz und eine Seele -
und die 'Liebe' begegnet uns in dieser Episode denn auch als eine,
die weniger von Lüsternheit, als von gemeinsamer, lustvoller
Hingabe an das 'Girl from Ipanema' lebt. Die Schreibe des Bären
ist eine, die dem nom d'amour, den Weninger sich für seinen
Erzähler gewählt hat, alle Ehre macht. Sie packt kraftvoll zu,
scheut sich auch nicht vor Jargon und Umgangssprache - und
Weningers Schilderungen von Örtlichkeiten wie Figuren, die ihre
besten Tage längst hinter sich haben, scheinen den Vergleich mit
Geschichten eines Charles Bukowski geradezu herauszufordern,
wenngleich auch Weningers Sprache nie ins allzu Frivole oder gar
Obszöne abgleitet. Weninger mag seine Figuren - und er scheint
auch den ganz eigenen Charme der Tristesse zu mögen, denn gerade
seine skizzenhaften Beschreibungen von Milieus der eher
unwirtlichen Art sind es, die mir nach der Lektüre besonders
lebhaft in Erinnerung geblieben sind. Mag manche Formulierung auch
etwas bärenhaft-täppisch geraten sein, manches sprachliche Bild
etwas schief hängen und hie und da ein Stilbruch davon zeugen,
dass des Bären ungebändigte Schreibwut die Oberhand über die
Dressur gewonnen hat, die Grammatik und Ausdruck diktieren, tut
dies alles dem Lesefluss doch nur wenig Abbruch. Und die kleinen
sprachlichen Patzer in den Schilderungen des Petz verzeiht man
Weninger gern, denn immer wieder gelingen ihm auch wunderschöne
sprachliche Vignetten - wie zum Beispiel, wenn da vom Lachen all
der Frauen im Leben des Bären zu lesen ist, das 'in ihm hängen
geblieben' sei. Allenfalls hätte man Weningers
Erstveröffentlichung einen Lektor gewünscht, dessen
distanzierter Blick die eine oder andere Unebenheit in Sprache,
Orthographie und Interpunktion noch vor dem Leser hätte entdecken
können (eine lässliche, da allzuoft gemachte Verwechslung, sei
an dieser Stelle aber doch erwähnt: Gleichwohl Wilhelm Busch
Bildergeschichten wie die vom 'Paulinchen', das allein zu Hause
war, oft und gern zugeschrieben werden, ist deren Urheber doch
nicht Busch, sondern Heinrich Hoffmann). Zuweilen müssen Dialoge
dazu herhalten, eine Erzählhandlung voranzutreiben, der man mehr
Entfaltungsmöglichkeit gewünscht hätte als die vergleichsweise
wenigen Zeilen einer Kurzgeschichte, die der Autor ihr eingeräumt
hat. Das wirkt dann mitunter etwas atemlos - und umso
bedauerlicher ist die Beschränkung, die der Autor sich selbst
auferlegt hat, bei jenen Geschichten, die, das vermutet man
unwillkürlich, Stoff für mehr als eben nur eine kurze Geschichte
hätten abgeben können. Manche Liebelei endet allzu abrupt und
mit einem kurzen, bündigen Resümmee - aber vielleicht gehört ja
auch das zu einer fiktiven erotischen Biographie: Zäsuren, die
mal mehr, mal weniger deutlich erfolgen - und die das Lesen, wie
das Leben selbst, in Abschnitte gliedern, deren Schnittkanten mal
schärfer, mal weniger scharf zu Tage treten. So betrachtet,
bleibt dieser Wermutstropfen einer, der den Genuss der
'Bärenlieben' nur unwesentlich trübt, deren Gros seine
unbestreitbare Würze aus der sprichwörtlichen Kürze bezieht. Ob
Weninger der niederrheinische Poet und Kabarettist Hanns Diether
Hüsch ein Begriff ist, weiß ich genauso wenig, wie ich weiß, ob
er dessen Autobiographie gelesen hat. In jedem Falle legt Weninger
seinem Bären in der letzten Geschichte fast wortwörtlich eben
jenes Versprechen in den Mund, das auch Hüsch mit dem Titel
seines Buches abgibt: 'Du kommst auch drin vor' - das garantiert
der Bär der Studentin Zoé, der er von dem Buch 'über alle
Frauen' erzählt, die ihm 'über den Weg gelaufen' sind und das er
gerade schreibe. Fazit: Die Szenarien und Situationen, die
Weninger in des Bären Biographie entwirft, strotzen vor
Lebendigkeit - und so drängt sich unwillkürlich immer wieder
auch die Frage danach auf, inwieweit die erotische Vita das ist,
was sie zu sein vorgibt: Was ist reine Fiktion in dieser fitkiven
Biographie - und wo verläuft die Grenze zwischen Ausgedachtem,
Erinnertem und Weitergesponnenem? Gerade jene Geschichten, in
denen die erotischen Abenteuer des Bären nicht nur
Entdeckungsreisen in die Welt der Liebe, sondern Abenteuer auch in
einem erweiterten Sinne ('âventiuren'), nämlich Reisen sind,
bestechen durch ein hohes Maß an Lebendigkeit: Wer die
Reisebeschreibungen eines Paul Theroux kennt, der wird sich
vielleicht, wie auch ich, bei der Lektüre der einen oder anderen
Geschichte eine Verlängerung der literarischen Kurzreise
wünschen. Mit anderen Worten: Das, was an den Schilderungen des
Bären nicht 'wahr' ist, ist gut erfunden. Und es ist so gut
erzählt, dass man Weninger und sich selbst nur wünschen kann, es
möge nicht beim gelungenen literarischen Debüt 'Bärenliebe'
bleiben. Weninger macht Lust auf Mehr: 'Der Bär', das ist einer,
der sicherlich noch viel erzählen könnte, und man hört ihm gern
zu, wenn er erzählt von Lebens Lust und Lebens Liebe, von alter
wie von neuer Liebe - und oft genug auch von wahrer Liebe, denn
auch die hat 'der Bär' allem Anschein nach gefunden. Und wenn
manchmal zwischen den Zeilen aufzublitzen scheint, dass er sie
auch wieder verloren hat - ist sie ihm in Wahrheit doch vielleicht
nur abhanden gekommen. Schließlich ist auch 'der Bär' einer, der
sein Glück 'heute hier, morgen dort' zu suchen scheint - wie eben
auch Fortuna eine Dame ist, der man zumeist begegnet, wie 'der
Bär' vielen der Frauen begegnet ist, die er uns in seinen
Erinnerungen vorstellt: flüchtig und doch unvergesslich. (Wolfgang
Weninger)
Bewertung: ****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: (c) intro_extro Wolfgang
Weninger Bärenliebe von A-Z Eine fiktive, erotische Biographie
228 Seiten · 14,8 x 21 cm Paperback · € 9,80 · ISBN
3-9806256-1-3
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