Inhalt:
"Joop Daalder ist der angesagteste
Chocolatier von Toronto. Seit dreißig Jahren besitzt er eine
kleine Chocolaterie, in der jeder, der etwas auf sich hält, sich
mit den erlesensten Pralinen eindeckt. Doch dann eröffnet in
unmittelbarer Nähe von Daalders Laden ein amerikanischer
Supermarkt, der als besondere Attraktion auch noch drei junge,
wilde Schokoladenkünstler zu bieten hat - die mit ihren gewagten
Kreationen langsam, aber sicher Daalders Kundschaft abwerben. Doch
damit nicht genug: Der Vermieter seines Ladens teilt ihm mit, dass
er das Grundstück, auf dem Daalders Laden steht, für viel Geld
an den prosperierenden Supermarkt verkauft habe, der dringend Raum
für weitere Parkplätze benötigt. Daalder, der sein Leben lang
nur für die Schokolade gelebt und seine Familie mit seinen
kulinarischen Ansprüchen, die er über alles setzte, tyrannisiert
hat, steht unversehens vor dem Nichts. Doch dann gelingt es dem
eigensinnigen Chocolatier auf überraschende Weise, sich mit
seinem Schicksal zu versöhnen…"
Meine Meinung:
Sehr liebevoll erzählt Schogt in einer
Rückblende über den Werdegang des Chocolatiers Joop.
Als unerwünschter Nachzügler wird er in eine musikalisch
angehauchten Familie hinein geboren, die Essen nur für eine
Lebensnotwendigkeit hält. So entdeckt er zwangsläufig erst spät
seinen stark ausgeprägten Geschmackssinn und als er während
eines Frankreichaufenthaltes auch noch zufällig in einen
Pralinenladen gerät und dort auf einen gleichgesinnten Künstler
stößt, schmeißt er sein Studium und geht bei dem französischen
Chocolatier in die Lehre. Hier wird der ewige Außenseiter endlich
ernst genommen und eignet sich neben der Pralinenherstellung auch
die neurotische Art des Lehrherrn an. Nach schmerzhaften
Lehrjahren geht er nach Kanada, wo er den Kanadiern *Kultur*
beibringt und immer mehr zum Fiesling wird.
Schogt beschreibt diesen Werdegang sehr
amüsant und erfrischend. Man ist Joop trotz seiner Art nie böse,
eher amüsiert. Die Rolle des wirklich *Bösen* bekommt der Sohn
Joops zugewiesen, der Leser ergreift automatisch die Partei Joops,
der mit seinem skrupellosen Sohn nichts anzufangen weiß. Auch die
Kanadier werden gehört *durch den Kakao gezogen*, ihre
Lebensweise aus der Sicht der Europäer karikiert und Schogt spart
nicht mit kleinen Anzüglichkeiten. Aber auch hier bleibt der
Erzählton positiv charmant.
Ich bin immer wieder überrascht von der
Erzählkunst in Deutschland unbekannter niederländischer Autoren.
Schogt macht da keine Ausnahme. Und Schokoladen- und Pralinenfans
kommen auch auf ihre Kosten, beim Beschreiben der Leckereien
läuft einem das Wasser im Mund zusammen.
(Lucy)
Meine
Meinung:
Auf den Inhalt
muss ich für meine Rezension noch mal eingehen:
Verschiedenste Zusammenfassungen, zu dem Buch
verlocken auf diese Art:
Joop Daalder ist vor vielen Jahren nach
Kanada eingewandert. Lange Zeit hat er dort seinen Beruf, den er als Berufung
empfand, ausüben können. Er ist Chocolatier. Seitdem ein
amerikanischen Supermarkt nebenan eröffnet hat, der neben
anderen Feinkostartikeln auch Pralinen verkauft, hat sich
sein Leben verändert. Zuerst kämpft er gegen die Konkurrenz,
doch mit welchen Waffen soll er sie angreifen? Lohnt sich das
noch?
Dies ist meine Zusammenfassung: Wir lesen vor allem von
Joops Familiengeschichte. Er wächst in einer kulturell
gebildeten und sportlichen holländischen Familie auf. Alle Familienmitglieder
lieben Musik, Bücher und Wandern, Essen ist reine
Nahrungsaufnahme und Kochen Zeitverschwendung. Nur Joop ist
völlig aus der Art geschlagen. Er fühlt sich sehr allein in
dieser Familie. Erst als er zum allererste Mal auswärts, in einer anderen Familie speisen
kann, ahnt er,
dass es mehr als Milch, Rosinenbrötchen und Dosenessen gibt.
Hier duftet es in der Küche, er muss erst erfragen, dass es Kräuter
sind, die dort ein so herrliches Aroma verstreuen. Hier speist man
gemeinsam und schiebt sich nicht eine Mahlzeit in den Mund.
Das erste Genuss-Erlebnis prägt ihn, auf Umwegen gerät er an
einen französischen Chocolatier, der seinen Gaumen und
Geschmack, leider auch seine Eitelkeit, schult. Er bricht das
Studiums an der Universität ab, stattdessen tritt er eine Praktikantenstelle
in der Küche des Schoko-Meisters an – und fortan ist er in seiner
Familie noch fremder als zuvor. Allerdings nicht nur der
Familie, sondern auch seiner Heimat. In Frankreich lernt er
seine Frau kennen und später lässt er sich von einem Cousin
überreden in Kanada sein Geschäft ganz groß auf zu ziehen.
Dort landet Joop dann auch, lebt, arbeitet, liebt (nicht nur
seine Frau) und muss sich jetzt, am Ende seiner Karriere, fragen
ob sich alles gelohnt hat.
Nun zu meiner Meinung:
Kanada, eines meiner bevorzugten
Reiseziele und Schokolade, eine der leckersten Naschereien, das
Ganze in einem Roman kombiniert, das bietet Chancen für eine
nette Geschichte. So dachte ich.
Leider hatte man mich mit dem
Klappentext auf eine völlig falsche Fährte gelockt. Hoffte ich
doch auf duftende Schokoladenrezepte à la Chocolat und auf
Hintergründe, wie sich ein Ausländer in Kanada ein erfolgreiches
Geschäft aufbaut, Hindernisse und Erfolge. Die Stolpersteine
musste er ja, da er zum ‚angesagtesten’ Chocolatier in Toronto
wurde, übersprungen haben.
Ich erwartete ein leichtes, fröhliches Buch und wurde durch
Melancholie und viel Einsamkeit in einer holländischen Jugend enttäuscht.
Wie ich durch die Inhaltsangabe
schon klar gemacht habe, wurde hier durch den Klappentext eine
andere Erwartung geschürt - schade, denn die Familiengeschichte
liest sich eigentlich spannend. Die einsame freudlose Jugend von Joop, seine
merkwürdige Familie, die Chocolatiers von Holland, man stelle
sich vor – Holland – nicht Belgien – und Pralinen, spielen den
Haupt-Part. Dann lernen wir die spleenigen Ideen eines
französischen Gourmets kennen – da wird es schon interessanter
und menschlicher, aber seine Standesdünkel sind alles andere als
nett, auch die Art, wie Joop hinterher seine Ruhe beansprucht,
ohne Rücksicht auf die Familie zu nehmen, ist nicht sehr
freundlich. Es geht um endlose aufwändige Pralinenherstellung,
die zwar letztendlich zum Genuss führt, aber vor allem geht es immer
um die Mühen der Creationen und des Lebens.
Die kanadische Wirtschaft wird nur rudimentär
gestreift, eher der Frust und die Schwierigkeiten und keine
Anfängerfehler in Anekdoten verpackt. Diese Mini-Tatsachen
kannte ich aus eigener Anschauung und war mir nicht neu – so wurde von meiner
Vorfreude auf das Buch am Ende nicht viel erfüllt.
Ein Buch, für Wesen, die sich für
Familiengeschichten interessieren, die nicht nur freundlich sein
müssen. Interesse an Pralinen
darf mitgebracht werden, ist allerdings nicht unbedingt
erforderlich. Genusssucht wäre auch nicht hinderlich. (Binchen, September 2005)
Bewertung: ****
(Lucy)
Bewertung: ** (Binchen)
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: List TB von Januar 2005,
ca. 384 Seiten, 8,95 €
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