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Rezension

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Inhalt:

„Ob ich mich in diesem Buche zum Helden meiner eigenen Leidensgeschichte entwickeln werde oder ob jemand anderes diese Stelle ausfüllen soll, wird sich zeigen“ schrieb Charles Dickens in seinem Buch „David Copperfield“. Dem Buch, das die Waisen in dem Waisenhaus in St. Cloud´s, einem nebelverhangenen Ort in Main, Neu England, umgeben von einem verschlafenen Städtchen, dem örtlichen Bahnhof und den Sägewerken in Three Mile Falls, nur allzu gut kennen, denn ihr ganzes Leben besteht aus den gleichen, monotonen Abläufen. Für Homer Wells hingegen, vier Mal adoptiert, vier Mal nach St. Cloud´s zurückgekehrt, „weil er einfach dort hingehört“, beginnt ein anderes Leben als das, dass die anderen Waisen in St. Cloud´s gewohnt sind. Dr. Wilbur Larch, Amateurhistoriker, Gynäkologe und Waisenhausvorsteher, gibt Homer die Chance „sich nützlich zu machen“ und somit zieht er ihn zu seinem Assistenten heran. Doch obwohl Homer „ein fast perfekte Geburtshelfertechnik beherrscht“ will er keine Abtreibungen vornehmen und somit nur „Gottes Werk“ verrichten und nicht „Teufels Beitrag“, wie Dr. Larch es nennt.
Doch nach einiger Zeit, in der Homer im Waisenhaus glücklich und zufrieden ist, mit dem was er tut und sich „nützlich“ fühlt, denn das ist der einzige Sinn im Leben einer Waise, trifft er ein junges Paar, Candy Kendall und Wally Worthington, die wegen einer Abtreibung gekommen sind. Homer trifft die Entscheidung St. Cloud´s zu verlassen und mit Wally und Candy zu kommen, um die Welt zu entdecken. Sein Weg führt ihn in die paradiesischen Apfelplantagen von Ocean View, wo er lernt wie das Leben in der weiten Welt ist. Er erfährt was Freiheit bedeutet, sieht den Ocean, lernt die Regeln der schwarzen Apfelpflücker kennen und was es heißt sich zu verlieben. Und somit beschreibt Charles Dickens, Homers Lieblingsautor, nicht nur den Weg von David Copperfield, sondern auch den von Homer Wells. „Ob ich mich in diesem Buche zum Helden meiner eigenen Leidensgeschichte entwickeln werde oder ob jemand anderes diese Stelle ausfüllen soll, wird sich zeigen“...

Meine Meinung:

In jeder einzelnen Zeile wird deutlich, mit welcher Leidenschaft John Irving „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ geschrieben hat. Denn sein außergewöhnlicher Schreibstil, der nicht nur auf dem eigenwilligen Aufbau der Geschichte beruht, in der ohne einen Absatz die Handlung zu einer anderen Figur umschwenken kann, die „in anderen Teilen der Welt“ unterwegs ist, wie Dr. Larch es nennen würde, sondern auch die ständigen Wiederholungen im Wortschatz. So wie auch alle „Kurzen Geschichten von St. Cloud´s“, die Dr. Larch verfasst mit: „Hier in St. Cloud´s“ oder „In anderen Teilen der Welt“ anfangen, oder Homer beständig mit „richtig“ antwortet, so wiederholt sich auch John Irving in der Wortwahl, wie zum Beispiel „pflegte er zu sagen“. Doch was auf den ersten Blick als sprachlich langweilig wirken könnte, entpuppt sich auf den zweiten Blick hingegen als genialer Schachzug, denn schon nach fünf bis sechs Seiten hat man das Gefühl dieses Buch seit Jahren zu kennen.
Nicht nur die besondere Wortwahl, sondern die besondere Geschichte treiben die Handlung immer weiter voran und zwingen den Leser förmlich weiter zu lesen. Denn die innige Vater-Sohn Beziehung zwischen Dr. Larch und Homer Wells, die im ersten Drittel des Buches die Oberhand behält hat etwas so herzerwärmendes in sich, dass man schon bald genauso traurig und niedergeschlagen wie Dr. Larch ist, als Homer das Waisenhaus verlässt. Denn der eigentliche Punkt ist, dass Dr. Larch schließlich nicht der Vater ist und sich trotzdem an seine väterlichen Pflichten erinnert fühlt und sie bestmöglich zu erfüllen versucht. Doch erst als Homer aus St. Cloud´s fort ist, entfaltet die Geschichte ihr ganze Komplexität, denn mit Wally und Candy entdeckt Homer die völlig fremde Welt von Main, die er zusammen mit dem Leser erst kennen lernen muss, mit ihren wunderbar beschriebenen Landschaften.
Doch genauso wie der Schreibstil und die Geschichte sind die Charakter und ihre Beziehungen zueinander, nicht minder an dem Gesamtbild beteiligt, denn in gewisser Weise hat jeder etwas einzigartiges an sich, ob gutes oder schlechtes, das zeigt sich erst im Laufe der Geschichte. 

Doch eins muss gesagt sein: Die Geschichte ist viel zu komplex in ihren Einzelheiten, als das man sie in Kürze wiedergeben könnte, was auch die John Irving typische, hohe Seitenanzahl von 820 Seiten zeigt. Nichts desto trotz, wer sich annähernd für diese erwärmende Geschichte, von dem Waisenjungen Homer Wells, der auszieht um die Welt kennen zu lernen, angesprochen fühlt, für den sollte es Pflicht sein dieses Buch zu lesen, denn um ehrlich zu sein kann man an diesem Werk wahrlich keine schlechten Aspekte finden. Und wie Dr. Larch die Waisen Tag für Tag im Schlafsaal der Knabenabteilung abends zurücklässt mit den Worten: „Gute Nacht ihr Prinzen von Main, ihr Könige Neu Englands.“ ist dieses Buch auch am besten beschrieben, denn es ist wahrlich königlich. (Benni)

Meine Meinung:

Es gibt keine Bücher für Frauen. Es gibt auch keine für Männer. Gäbe es solche und solche, wären es die Romane Irvings, vor allem "Gottes Werk und Teufels Beitrag". Mitreißend erzählt der Amerikaner das Erwachswerden Homer Wells im Waisenhaus St. Clouds, das gleichzeitig als "Babyklappe" dient und in dem der leitende Arzt illegale Abtreibungen vornimmt. Würden alle, die sich über die Problematik der Schwangerschaftsunterbrechung die Mäuler zerreißen, dieses Buch lesen, könnte man sich die meisten erregten Diskussionen sparen. Irving erfindet skurrile Personen, sympathische Sonderlinge und vor allem liebenswerte Kinder, z.B. Fuzzy, der an einer unheilbaren Atemwegserkrankung leidet, und erzählt von ihrem Leben und ihren Träumen, dass die Dramatik der Schwangerschaftsunterbrechung so menschlich wie nur möglich dargestellt wird. 

Ein Buch, dass man nicht mehr aus der Hand legt, auch nicht während der Weltmeisterschaft. Und wer Fuzzy nicht liebt und bei "Gute Nacht - ihr Prinzen von Maine, ihr Könige von Neuengland" nicht feuchte Augen bekommt, ist kein Mann. (Dieter Rebstock) 

Bewertung: **** (Benni)
Bewertung: **** (Dieter Rebstock) 

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Infos: 820 Seiten, Taschenbuch Ausgabe, Diogenes, ca. 10 €

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© 1998 Buecher4um, erstellt am 28.04.2006, letzte Änderung am 15.07.2006, Layout by abrakan