Dieser Band umfasst einhundert Gedichte
von Theodor Fontane. Ein Nachwort steht erklärend für diese
Zusammenstellung und gibt Aufschluss über den Stellenwert, den
die Gedichte in Fontanes Werk einnehmen. Die Gedichte sind streng
chronologisch nach Entstehungszeit angeordnet, so dass auch
Rückschlüsse auf die Themen möglich sind, durch die Fontane zur
Entstehungszeit des jeweiligen Gedichts inspiriert wurde...
Meine Meinung:
Seinen hohen Bekanntheitsgrad hat Theodor
Fontane durch seine Romane, wie z. B. „Effi Briest“, erlangt.
Die wenigsten kennen ihn als Dichter - mir war das bisher
zumindest verborgen. Und darf man dem Nachwort des Herausgebers
Gotthard Erler Glauben schenken, so ist das Wissen um ihn als
Dichter in der Tat nicht weit verbreitet, obwohl Fontane selbst
sehr daran gelegen war. Wer sich also mit ihm und seinem Werk
befasst oder befassen möchte, sollte diesen Teil aus seinem
Schaffen nicht ausgrenzen.
Außerdem sind Gedichte neben
Tagebucheinträgen und Briefwechseln sicher die beste
Möglichkeit, etwas über die Gefühle und Gedanken des Verfassers
zu erfahren. Themen, mit denen sich Fontane auseinander gesetzt
hat, und wie er dazu stand, ist aus den Zeilen seiner Verse
deutlich herauszulesen und für mich somit auch von Interesse in
Hinsicht auf sein erzählerisches Werk.
Aber wo beginnen, wenn man bedenkt, dass
Fontane an die 2000 Gedichte zu Papier gebracht hat. Wie Gotthard
Erler vermerkt, nicht alles überaus gelungene Verse, was aber
sicher verständlich ist, denn: wo gehobelt wird, fallen Späne.
Aber unzählige davon sind etwas besonderes. Diese herauszufiltern
ist viel Arbeit; Arbeit, die Gotthard Erler uns abgenommen hat,
denn er hat mit dieser Sammlung von Gedichten einen Bogen gespannt
um Fontanes lyrisches Werk, das einen klaren Eindruck davon
verschafft.
Gut findet sich der Leser in dem Bändchen
zurecht, denn es ist u. a. bestückt mit jeweils einer kurzen
biographischen Notiz über Autor und Herausgeber, die
Textgrundlage ist vermerkt und ein alphabetisches Verzeichnis der
Gedichtüberschriften und -anfänge anhängig. Möchte man
erfahren, durch wen Fontane inspiriert wurde und möchte man
Rückschlüsse ziehen, an welchen Stellen sich Elemente aus
Fontanes Leben in seinen Gedichten widerspiegeln, um sie richtig
zu deuten, so ist auch das angefügte Nachwort sehr
ausschlussreich. Zudem spannt auch das einen engen Bogen, so dass
der Fontane-Einsteiger nicht gleich von Informationen erschlagen
wird.
Vertiefen kann das jeder durch andere
Veröffentlichungen aus Fontanes Werk oder Schriften, z. B. in
Form von Biographien o. ä. über den Dichter. Nach Lektüre
dieser Auswahl wird bestimmt bei einigen das Interesse an weiteren
Gedichten Fontanes entfacht sein. Denn hier offenbart sich im
Nachwort nicht nur ein vielseitiger Mensch, sondern auch durch
seine Gedichte wird deutlich, dass er sich mit vielen Themen
beschäftigt hat. So finden sich darunter Gedichte, die sich mit
dem politischen Geschehen auseinander setzen, wie z. B. „Das
Trauerspiel von Afghanistan“, was überdies auch heute noch
erschreckend aktuell ist. Bismarck findet sich nicht nur im
Gedicht „Wo Bismarck liegen soll“ wieder, was darauf
schließen lässt, dass Theodor Fontane ein ausgeprägtes
Interesse für Bismarck hegte. Aber auch persönliche,
nachdenklich stimmende und traurige Gedichte, die ebenfalls
Einblick in sein Leben geben, sind darunter. Hier ging mir
besonders „Am Jahrestag“ sehr nahe. Lebensweisheiten sind
zudem auch in seinen Versen zu finden, wie z. B. in „Überlass
es der Zeit“ oder „Was ich wollte, was ich wurde“.
Letzteres ist auch aus anderer Sicht
hochinteressant. Es ist eines der letzten in dem Bändchen
befindlichen Gedichte. Und die Anordnung der Gedichte ist streng
chronologisch, so dass klar ist, dass Theodor Fontane, der bis
kurz vor seinem Tod Gedichte geschrieben hat, dieses sehr spät
verfasst hat. Sozusagen eine Abschlussbilanz. Diese zieht bestimmt
einst jeder von uns. Und einige Träume wird das Leben oder wir
selbst uns erfüllt haben. Andere werden geplatzt sein. Daran ist
dann nichts mehr zu ändern. Anders aber, wenn man sich durch
dieses Gedicht aufgefordert fühlt, eine Zwischenbilanz zu ziehen
und kleine Fehler, oder Abweichungen vom Weg, zu korrigieren. Und
eben solche Dinge sind es, die ich an Literatur - und an Gedichten
vielleicht insbesondere - so mag. Sie stoßen die Gedanken an,
geben neue Ideen und Impulse. Wenn das noch so schön passiert wie
bei Fontane und in diesem exquisit zusammengestellten Band, umso
schöner!
Alles in Allem also wirklich lohnenswert.
Einzig ein wenig Schade, dass bei den Gedichten die
Entstehungszeit nicht vermerkt ist. Außer bei ein paar wenigen,
die anlässlich eines bestimmten Anlasses von Fontane verfasst
wurden. Aber das ist eventuell auch schwer möglich, falls Fontane
das Datum nicht notiert hat. Dies kann ich nicht einschätzen.
Davon abgesehen ist dieses kleine Manko verzeihlich, in Anbetracht
der ansonsten so erfreulichen Veröffentlichung. (Petra)
Bewertung: ***