Giulia horcht
so gerne. Guilia ist die elfjährige Tochter des Kapellmeisters
und Chorleiters des Klosterchores von San
Ippolito und dessen kränklicher Frau. Sie erfreut sich daran, den
herrlichen Passagen der neuen Messe zu lauschen, jedoch würde sie
noch lieber mitsingen, denn das ist ihre eigentliche Passion.
Nur,
im Italien des 16. Jahrhunderst, zur Zeit der Inquisition, ist es
den Frauen verboten in der Kirche zu Ehren Gottes die Stimme zu
erheben. Nur Männer dürfen singen. Sie, die sich jedes Lied
sofort merken kann und eine glockenreine Stimme hat, darf einfach
nicht singen, weil sie ein Mädchen ist.
Kurz
vor der Uraufführung der Messe muss jedoch der Solosänger
ersetzt werden. Guilia ist die Einzige die das schaffen kann, aber
würde diese gotteslästerliche Handlung entdeckt, könnten Guilia
und alle Mitwisser auf dem Scheiterhaufen enden.
Der
Erfolg der Aufführung wird gefährlich für Guilia und ihren
Vater. Es bleibt ihnen nichts, als zusammen mit dem Dienerpaar
Assumpta und Beppo aus der Stadt zu fliehen.
So
beginnt Guilias Gesangskarriere als Guilio. Der Vater sorgt dafür,
dass sie als Kastratensänger von der Kirche anerkannt wird,
danach sorgt dieser nur noch dafür, dass er von dem verdienten
Geld seiner Tochter gut leben kann.
Guilia
lernt langsam, dass sie auf eigenen Füssen stehen kann und eigene
Entscheidungen treffen muss. Sie schult ihre Stimme und erweitert
ihr Repertoire mit Hilfe ihres Willens und guten Freunden. Eine
Gesangskarriere nimmt ihren Lauf. Mit vielen Höhen und Tiefen
erleben wir, wie Guilia letztendlich sogar in Rom für den Papst
singen darf.
Aber
Guilia ist nicht nur die Stimme, sondern auch ein Mensch. Mit
ihrer Reifung beginnt sie auch die Entbehrungen zu fühlen, die
das aufgezwungene Leben ihr abverlangen. Sie ist doch eine Frau,
die liebt und sich wünscht geliebt zu werden. Wird sie je aus dem
Lügengespinnst entkommen?
Meine
Meinung:
Ein
historischer Roman um eine Frau in einer Männerrolle, in der auch
noch Musik und Gesang die Hauptrolle spielen? Wäre da nicht die
Wanderhure vom selben Autorenpaar gewesen, der Roman hätte
nie in mein Beuteraster gepasst.
Aber,
kaum hatte ich zwei Seiten gelesen, war ich von Guilia gefangen
genommen. Die ungerechte Welt, in der sie lebt, konnte ich gleich
mit ihr hassen. Mütter und Kirche, die sich gegen die weiblichen
Kinder verschwören - darüber mag ich lesen. Das Unverständnis
Guilias, ob der Differenzen zwischen Jungen und Mädchen, wurde
greifbar für mich. Und das, wo mich Musik nicht sehr interessiert
und die Geschichte eines Mädchens in Jungenkleidern seit der Päpstin
nicht völlig neu ist. Iny und Elmar Lorentz haben es aber schon
mit den Anfangssätzen geschafft mich ins Rom des 16. Jahrhunderts
zu entführen. Ich wollte mehr über Guilias Schicksal erfahren.
Die
Entwicklung des elfjährigen unselbstständigen Mädchens hin zu
einem selbstbewussten Menschen, der sein Leben in die Hand nimmt
ist vor der historischen Kulisse glänzend gelungen. Lebendige
Bilder vom sonnigen Italien, vom düstern Wiener Hof, von den
dunklen und freundlichen Häusern, in denen Guilia ihre Zeit
verbringt und den Menschen, die Ihren Alltag bestimmen, erschienen
vor meinem Auge. Ich war zwar nicht dabei, aber eine faszinierte
Beobachterin.
Sogar
für Guilias weiteren Lebensweg ist am Ende ein denkbares, im
Rahmen der Geschichte plausibles, Ende gefunden worden, das dem
Leser noch Spielraum für Spekulationen über ihr weiteres Leben
oder eine Fortsetzung lässt. Auch wenn ein romantisches Herz wie
ich, sicherlich gern ein wenig mehr Zeit zur Verarbeitung des
Endes gehabt hätte.
Mit
der Kastratin ist Iny und Elmar Lorentz ein historischer Roman
gelungen, der Vorfreude auf alle weiteren Bücher von ihnen weckt. (Binchen,
Juni 2004)