Inhalt:
Ein Jahr ist vergangen seit Chief Judy Hammer,
Deputy Chief Virginia West und Officer Andy Brazil ihren ersten
gemeinsamen Serien-Fall ("Die
Hornisse") gelöst haben. Nun sollen sie ihre Wundertaten
in Richmond, Virginia, erbringen: der marode Polizeiapparat soll
modernisiert und die Stadt kräftig aufgeräumt werden. Als
besserwisserische Außenstehende machen sie sich dabei natürlich
weder beim besagten Polizeiapparat noch bei den
Stadtverantwortlichen sonderlich beliebt. Ich zitiere aus dem
Klappentext: Die einst vornehme Stadt steckt tiefer in der Krise,
als ihre Bürger es wahrhaben wollen. Da bringt ein sadistischer
Mord die Südstaatenmetropole jäh zur Besinnung. Während alle
noch unter Schock stehen, suchen Hammer und ihr Team mit Hochdruck
nach dem Killer, der sich im Verborgenen zu seinem letzten
blutigen Amoklauf rüstet...
Meine Meinung:
Ich trauere um jeden Baum, der sein Leben für
das Papier dieses Buches lassen musste - meiner Meinung nach ist
es einfach nur grottenschlecht, und das gleich in mehrfacher
Hinsicht!
Da wäre zum einen der Plot: verschiedene
Handlungsstränge laufen parallel und werden erst gegen Ende
miteinander verwoben. So etwas ist oft sehr geschickt und führt
zu einem netten Aha-Effekt - vorausgesetzt, man interessiert sich
bis dahin überhaupt noch für die Zusammenhänge. Hier gelingt es
der Autorin leider gar nicht, Spannung und ein gewisses Interesse
für die Charaktere und die Geschichte aufzubauen, die ohne große
Vorkommnisse vor sich hin plätschert. Das liegt zum großen Teil,
aber eben nicht nur daran, dass der Mord erst im letzten Drittel
des Buches passiert und sich das eigentliche Vorhaben des Täters
erst auf den letzten Seiten offenbart. Dazu kommen ein paar
logische Fehler und Unglaubwürdigkeiten, die bei einem eh schon
schlechten und langweiligen Buch doppelt nerven.
Da wäre zum zweiten die Charakterzeichnung: man
könnte meinen, die übertrieben schöne, intelligente, perfekte
Darstellung des Dreigestirns (Beispiel: Brazils "wie gemeißeltes
Erscheinungsbild sah umwerfend aus") wäre Teil des
angeblichen Humors dieser Serie, aber da sich auch Scarpetta immer
mehr einem solchen Wesen annähert, scheint Cornwell wohl eher ihr
(Wunsch-?)Selbstbild auf ihre Hauptpersonen zu projizieren - das
ist zumindest mein Eindruck (den ich durch die
Jack-the-Ripper-Geschichte nur bestätigt sehe, aber das gehört
nicht in diese Rezi). Die begriffsstutzige, dumm-doofe Darstellung
des restlichen Polizeiapparates (Beispiele: nach immerhin 4
Monaten kann niemand außer den Dreien auch nur ansatzweise das
neue PC-Programm bedienen; ein Cop richtet die Website der Polizei
mit einer Adresse ein, die im Buch 8 Zeilen beansprucht; und die mögliche
Übermalung eines Buchstabens des Kürzels HIN auf den
Einsatzwagen ergäbe bei den Cops erst HVN, dann VIN, bevor sie
auf HIV kommen, aber "Hammer wusste sofort, worauf Brazil aus
war" - ja, klar!) ist ebenfalls so übertrieben und unglaubwürdig,
dass sie Humor und Ironie weit verfehlen. Die übrigen Charaktere
strotzen vor Klischees, und, fast noch schlimmer, die Tiere sind
vermenschlicht (Beispiel: Niles ist nicht nur ein denkender Kater,
sondern kann auch das Telefon bedienen, "bis die Nummer
erschien, die er wollte" und die Aufschrift auf einer Karte
lesen). Das mag in Rita Mae Browns Serie witzig sein, hier ist es
meiner Meinung nach nur albern und peinlich.
Und da wäre zum dritten die Übersetzung: da
keine der zuletzt auf deutsch erschienenen Cornwells wirklich gut
übersetzt war (die tatsächliche Qualität einer Übersetzung als
Ganzes ist zwar nur im Vergleich mit dem Original zu ersehen, aber
sich häufende offensichtliche Fehler kann man wohl
bedenkenlos als Zeichen schlechter Qualität werten), habe ich mal
die Namen der Übersetzer verglichen - es sind tatsächlich fünf
verschiedene. Anscheinend spart man bei Hoffmann und Campe gerne
an den Kosten für vernünftige Übersetzer und
Korrektoren/Lektoren - bei einem Hardcover für 20-25€ ist das
schlicht und einfach unverschämt! Nach den Erfahrungen mit den
letzten Büchern habe ich spaßeshalber eine Strichliste geführt,
bis es mir in der Mitte des Buches zu nervig wurde. Bis dahin
hatte ich neben diversen Übersetzungsfehlern (der schönste kam
allerdings gegen Ende: "ihre Perioden waren eher Kommas"
ist ein Wortspiel, was im deutschen rein gar nicht funktioniert *ggg*)
einen Dialektausdruck (ein bayrisches Wort wie "Gschaftlhuberin"
hat in einer Übersetzung nichts zu suchen) und sogar zehn (!) Fälle
von schlechtem bzw. falschem Deutsch (und damit ist nicht das
absichtlich falsche Deutsch einer Einwanderin gemeint). Das darf
nun wirklich nicht passieren, wenigstens die eigene Sprache sollte
doch wohl beherrscht werden... Peinlich, peinlich!
Fazit: ich gehöre zu den Leuten, die nur in
Ausnahmefällen ein Buch nicht zu Ende lesen, aber hier musste ich
mich wirklich quälen. Wer es trotzdem lesen möchte, weil er
keins von Cornwells Büchern auslassen mag, sollte auf die
TB-Ausgabe warten oder das Buch leihen, denn der Preis für das HC
ist schon wegen der vielen Fehler nicht gerechtfertigt. (Anja)
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Bewertung: *
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos:
Erschienen Januar 2002, 399
Seiten, gebunden, €20.90, Hoffmann und Campe, ISBN 3-455-01025-3
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