Im Jahre 1811 kommen in Siam, dem heutigen
Thailand, die Zwillinge Chang und Eng zur Welt. Bei ihrer Geburt
laufen die Ammen und Hebammen schreiend davon. Der Mutter bleibt
es allein überlassen, die beiden zu entnabeln und sie zu
versorgen. Chang und Eng sind siamesische Zwillinge. An der Hüfte
sind sie zusammengewachsen, und der eine kam mit den Füßen im
Gesicht des jeweils anderen zur Welt.
Zwanzig Jahre später laufen in Europa und
Amerika die Menschen zusammen, um die beiden in einer
Raritätenschau als lebende Monstrositäten zu beglotzen.
Über die Odyssee ihres Lebens und ihren
Kampf als normale Menschen anerkannt zu werden, erzählt Mark
Slouka in diesem Buch.
Meine Meinung:
Vordergründig naiv läßt der Autor den
redseligeren der beiden Zwillinge, Chang, die Geschichte ihres
abenteuerlichen Lebens erzählen.
Mit lakonischen Sätzen berichtet Chang
über ihre Kindheit in Siam.
Trotz ihrer Besonderheit werden sie von
liebevollen Eltern geliebt und beschützt.
Allerdings ist das Leben der armen Familie
geprägt durch Seuchen und Naturkatastrophen, die das Leben
einiger Geschwister, des Vaters und schließlich fast den gesamten
kargen Besitz fordern.
Um der vaterlosen Familie ein Einkommen zu
sichern, willigen sie schließlich ein, sich in Europa auf
verschiedenen Showbühnen zur Schau zu stellen. Sie ahnen damals
noch nicht, dass sie ihre Heimat nie wiedersehen.
Chang berichtet über märchenhafte
Versprechungen von Reichtum und Berühmtheit, das Scheitern ihrer
Träume und der grausamen Wirklichkeit hinter der Illusion.
Weiter berichtet er, wie es ihnen
schließlich nach Jahren der entwürdigenden Abhängigkeit mit
kluger Planung, unendlicher Geduld und Dank des messerscharfen
mathematischen Verstandes des stillen Bruders Eng gelingt, sich
aus dem menschenverachtenden Dasein als lebende Missgeburten
vorgeführt zu werden, frei zu machen.
Weiter lässt Mark Slouka ihn vom Leben
als Farmer in den Südstaaten erzählen und ebenso realitätsnah
schildert er die vielschichtigen Veränderungen des Charakters der
Beiden, und wie es fast zur Katastrophe kommt als sie sich in zwei
gegensätzliche Richtungen entwickeln und doch dazu gezwungen
sind. jede Sekunde des Lebens auf engstem Raum miteinander zu
verbringen, der eine fast ein Körperteil des anderen.
Ein schwerer Schicksalsschlag im
amerikanischen Bürgerkrieges lässt sie einander wieder näher
kommen.
Mark Slouka ist es gelungen trotz eines
eher sachlichen Grundtons, dem Buch durch eine gekonnte Sprache
Leben und Seele zu verleihen. Keine kleine Leistung wie ich finde.
Das nach einem wahren Fall erzählte Buch
ist unglaublich anrührend. Es lässt einen nur schwer wieder los
und man bleibt mit einem Kopf voller Stoff zum Nachdenken zurück.
(Mariposa)
Bewertung: ****