„Freda, die eigentlich
Friederike hieß, Friederike von Rützow, war siebzehn, als sie in
den Roggen geriet.“ So beginnt die Geschichte von Freda, der
Tochter eines mecklenburgischen Gutsbesitzers, die zu Beginn des
20. Jahrhunderts eine traditionelle standesgemäße Erziehung
erfährt. Die höhere Töchterschule verlässt sie mit sechzehn,
da ihr Vater ihr nicht erlaubt das Abitur zu machen. Danach lebt
sie auf dem väterlichen Gut in Großmöllingen, zeichnet und
liest, und zeigt kein Interesse an gesellschaftlichen
Verpflichtungen und möglichen Verehrern.
Im Sommer lernt sie bei
einer Fahrradtour einen Maler kennen, verliebt sich in ihn und
wird dank ihrer Unkenntnis und Unerfahrenheit schwanger. Um die
Schande zu verbergen, zwingt der Vater Freda in ein Kloster im
Münsterland, wo sie die Schwangerschaft verbringt und einen Sohn
zur Welt bringt, der ihr eine Stunde nach der Geburt weggenommen
wird. Freda kehrt nach Großmöllingen zurück, doch das
Verhältnis zu ihrem Vater ist zerstört. Immer stärker wird ihr
Wunsch das Abitur zu machen und zu studieren. Als sie entdeckt,
dass ihr Vater die Briefe ihrer Schulfreundin Ulrica
unterschlägt, kommt es zum endgültigen Bruch und sie verlässt
Großmöllingen. Ausgestattet mit dem Erbe ihrer verstorbenen
Mutter kann sie sich Schule und Studium in Berlin finanzieren, und
hat ihr Luftkind in Gedanken immer bei sich, doch die politischen
Ereignisse in Deutschland ab 1933 machen auch vor Freda nicht
halt.
Meine Meinung:
Dies ist eine Geschichte
aus einer anderen Zeit und von einem anderen Leben. Hier wird
Vergangenheit lebendig, das Leben der Gutsbesitzer mit seinen
Traditionen und seinem Standesbewusstsein, die uns heute sehr
fremd sind. Aber es ist auch die Geschichte einer mutigen jungen
Frau, die aus diesen engen Traditionen ausbricht und nach eigenen
Vorstellungen leben will. Dafür nimmt sie hohe Risiken auf sich
und lässt sich von schwierigen Situationen nicht unterkriegen,
obwohl sie dafür als „Fräulein von Stand“ wenig geeignet
scheint. Wie viel Zivilcourage und Mut tatsächlich in Freda
stecken, zeigt sich erst, als die politischen Ereignisse immer
bedrohlicher werden.
Irina Korschunow erzählt
in ihrer gewohnten poetischen Sprache mit vielen Einschüben, Vor-
und Rückblicken, und häufig ohne direkte Rede. Es ist diese
Sprache, die bewirkt, dass man das Buch kaum aus der Hand legen
kann, der immer gleiche Erzählton, der auch die heftigsten
Stürme und tiefsten Emotionen gleichmäßig erscheinen lässt.
Das Luftkind liegt auf dem
gleichen Niveau wie „Ebbe und Flut“ und ist eines der besten
Bücher der Autorin. (Christine)
Bewertung: ***/****