Inhalt:
Henry Perowne, ein Mann in mittlerem Alter, führt ein sorgenfreies Leben: Als Neurochirurg hat er es weit
gebracht und findet in dem Beruf Erfüllung. Er hat zwei großartige Kinder - Daisy und Theo -, die langsam ihre
eigenen Wege gehen und eine glückliche Ehe mit einer ebenfalls beruflich erfolgreichen Frau, die er immer
noch liebt. Ein Haus in London - es fehlt an nichts.
Nichts bedroht sein Glück und doch wird er eines Samstags verunsichert. Eine scheinbar unbedeutende
Begegnung bringt seine heile Welt ins wanken. Auch wenn sie nicht völlig kippt, wird sich Henry Perowne über
die Brüchigkeit seines Friedens bewusst - anhand vieler kleiner Einzelheiten, wie z. B. eine Demonstration
gegen den bevorstehenden Irak-Krieg, an dem sich England beteiligen wird, aber auch durch eine Situation,
die ganz konkret ihm zustößt...
Meine Meinung:
Diese Erzählung kommt gerade recht. Der Irak-Krieg wird im Verlauf der Geschichte immer
wieder thematisiert. Ian McEwan hält sich selbst bewusst in der Wertung der einzelnen Gedanken zum Krieg zurück.
Er legt seinen Figuren viele gescheite Argumente und Gedanken in den Kopf, die beide Seiten aufzeigen und
den Leser dadurch veranlassen selbst Stellung zu beziehen oder sich wenigstens Gedanken in beide Richtungen zu
machen. Es gelingt ihm sehr geschickt dieses wichtige Thema mutig aber verantwortungsvoll anzugehen. Es
freut mich, dass er darüber redet (schreibt), anstatt es totzuschweigen, weil es bequemer so wäre.
Aber es geht natürlich nicht nur um den Irak-Krieg. Es geht um einen Tag, um ein Leben, an dem andere
Leben geknüpft sind, es geht um menschliche Gefühle, wie Zuneigung oder Ehrgeiz, Probleme, die das Leben
mit sich bringt und die nicht alle lösbar sind. Es geht um familiäre Bindungen, Verletzungen, Liebe,
Verantwortung. Festgemacht an Henry Perownes Erlebnisse eines einzigen denkwürdigen Tages in dessen
friedliche Routine die Bedrohung und Verunsicherung einbricht.
Ian McEwan hat ein Talent, Stimmungen heraufzubeschwören. Sie bauen sich ebenso rasch auf, wie
sie anschließend abrupt enden können und wirken deshalb ausgesprochen authentisch. So z. B. eine
Szene, in der Henry tagsüber nackt auf dem Bett liegt und erotische Gedanken an den Morgen hegt,
während er mit seiner Frau telefoniert. Da es ihm unpassend erscheint, setzt er sich plötzlich
auf und bricht diese Stimmung damit ab – für sich, aber auch für den Leser. Als er merkt, dass
seine Frau trotz beruflicher Anspannung aufnahmebereit ist für sinnliche Gedanken, fließt die
Stimmung für einen kurzen Moment doch wieder in die wohlige Richtung zurück.
Aber McEwan fordert von seinen Lesern auch Geduld. Er schildert den Tag aus der Sicht eines
einzelnen Menschen. Und da geht er akribisch vor. Nicht Schlag auf Schlag, sondern Moment für Moment.
Mit abschweifenden Gedanken in die Vergangenheit, ins Berufsleben,
in die Vorhaben des Tages, Beobachtungen am Rande... Doch der
Leser wird belohnt, durch umwerfende Szenen. Wobei umwerfend nicht
im Sinne von komisch zu verstehen ist, sondern im Sinne von
einprägsam. Er fertigt Momentaufnahmen an und dafür
braucht es die Ruhe eines Fotografen, der ein ganz bestimmtes Bild
und seine Aura einfängt. Wer sich darauf einlassen kann und mag,
wird außergewöhnliche Lesemomente erhalten.
Den Schilderungen von Henry Perownes Berufsalltag hat Ian McEwan viel Sorgfalt gewidmet.
Naturwissenschaftliche Vorgänge vermag McEwan ungemein spannend zu schildern. Mit der Recherche hat er
es ganz genau genommen - das merkt man. Doch genauso vollkommen
visiert er ein familiäres Gefüge an. Die Figuren bleiben nicht
fremd, sondern man kommt ihnen auf eine sehr lebensechte Weise
nahe. Ian McEwan ist zweifellos ein großer Erzähler - in allen Bereichen.
(Petra)
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Rezension des Hörbuchs "Saturday" von Ian
McEwan im
Hoerbuecher4um. |
Bewertung: ***/****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: 387 Seiten, gebundene Ausgabe, Diogenes Verlag, 19,90 €
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