Inhalt:
Eigentlich lautet Pi Partels
Vorname vollständig „Piscine Molitor“, nach dem gleichnamigen
Pariser Schwimmbad, das ein Freund seiner Eltern in bester
Erinnerung hat. Aber auch sonst ist er ein außergewöhnlicher
Junge. Der 16-Jährige ist eifriger wie praktizierender (!)
Anhänger gleich dreier großer Weltreligionen. Als Hindu geboren,
hat er Jesus einst bei Tee und Keksen gefunden, dann Allah in
einer armseligen muslimischen Bäckerei. Geht das? Das geht. Auch
wenn Pandit, Priester und Imam es alles andere als gern sehen,
Eltern und Bruder sich wundern. Alles nur eine Frage der innigen
Liebe zu Gott. Gleichzeitig begeistert sich Pi für das Tierreich,
da er praktisch mitten im Zoo aufwächst, den sein Vater im
indischen Pondicherry leitet.
Die politische Situation Indiens
Ende der 1970er Jahre lässt jenen einen schwer wiegenden
Entschluss fassen. Er will nach Kanada auswandern. Auf einem
japanischen Frachter macht sich Familie Patel auf den Weg,
zusammen mit einigen Zootieren, die verkauft werden sollen. Das
Schiff sinkt, Pi ist der einzige menschliche Überlebende. In
seiner Panik vergisst er vorübergehend den Respekt und die
Furcht, die ihm sein Vater vor der wilden Kreatur gelehrt hat. Pi
zieht Richard Parker - einen ausgewachsenen bengalischen Tiger -
mit an Bord des Rettungsbootes, auf dem noch ein Zebra, eine
Hyäne sowie ein Orang Utan Unterschlupf finden. Die seltsame
Überlebensgemeinschaft wird von Richard Parker rasch dezimiert.
Für Pi beginnt ein aberwitziger Überlebenskampf mitten auf dem
Pazifik.
Meine Meinung:
Die Leidenschaften Theologie und
Zoologie teilt Pi mit seinem Erfinder. Yann Martel behandelt die
religiösen Fragen, die er im ersten Teil des Buches aufwirft, mit
viel Witz und erzählt mit leichter Hand, ohne dass dies unpassend
oder gar blasphemisch wirkt. Gern hätte man mehr darüber und
über Pis Leben in Indien erfahren, denn das Kernstück des
Romans, die Geschichte des Schiffbruchs, zieht sich etwas. Obwohl
sich unerhörte Dinge abspielen. Pis Tage sind nicht nur
ausgefüllt mit der mühsamen Beschaffung von Nahrung und
Trinkwasser unter extremen Bedingungen, sondern auch mit der
Dressur des Tigers. Das hält ihn in doppelter Hinsicht am Leben,
227 Tage lang. Furcht und Verzweiflung werden nur selten
durchbrochen von Glücksmomenten, in denen Pi die Schöpfung
Gottes bestaunt. Man bangt als LeserIn mit, obwohl man von Anfang
an weiß, dass er überleben wird.
In Mexiko gestrandet erzählt Pi
seine Geschichte zwei Vertretern des japanischen
Verkehrsministeriums, die das Schiffsunglück untersuchen sollen.
Und die reagieren noch ungläubiger, als er schließlich mit einer
zweiten, tierlosen Variante aufwartet, die „realistischer“
erscheint, aber um ein vielfaches grausamer. Welche Geschichte ist
nun die bessere, schönere? Nur eine von beiden scheint geeignet,
den Glauben an Gott zu bewahren oder überhaupt erst zu finden,
wie die Rahmenhandlung versprach. (© Fevvers 2003)
Bewertung: ***
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos:
381 Seiten, Fischer Verlag 2003, 19,90 €
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