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Rezension

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Inhalt:

Wie sich beim Urknall das Universum unvorstellbar ausgedehnt hat, erweitert sich Sascha Sokolows ganz persönliches Universum schlagartig, ebenfalls bis ins Ungeheuerliche, durch einen Knall. Einem schallgedämpften aus der Waffe eines Killers. Sascha, Emigrant und Straßenkehrer in Tel Aviv, ist Augenzeuge dieser schier unvorstellbaren Tat, mitten am helllichten Tag. Was aber noch viel unglaublicher ist, er glaubt in dem Mörder Lew wiederzuerkennen, seinen Freund aus Jugendtagen und späterem Kollegen in seinem vorherigen Leben. Denn wie ein längst vergangenes Leben, so scheint ihm die Zeit, in der er zusammen mit Lew für die Raumfahrtforschung in der Sowjetunion tätig war. Bis, ja bis, ebenfalls zu einem Knall. Ausgelöst durch eine Explosion, die ihrer beider Karrieren mit einem Schlag zerstörte: Die Explosion der Oktjabr – die Raumfähre, an der sie gemeinsam arbeiteten.

Meine Meinung:

Dies ist die Geschichte einer Freundschaft. Vielmehr noch, als dass sie ein Thriller ist. Auch das ist sie, wie der Leser am Schluss erinnert wird. Aber im Vordergrund stehen Sascha und Lew, zwei grundverschiedene Menschen, die eine lange und intensive Freundschaft verbindet. Beides kluge Köpfe. Mit die klügsten die die Sowjetunion aufzuweisen hatte. Beide hatten sich einst der Raumfahrt verschrieben, und doch jeder auf seine ihm gegebene Art und Weise.

Diese Erinnerungen bilden einen guten Teil dieses außergewöhnlichen Romans. Die andere Zeit befindet sich der Leser gemeinsam mit Sokolow in seinem jetztigen Leben in Israel, wohin er nach dem Unglück mit der Oktjabr ausgewandert ist. Die Hauptrolle in seinem Leben hat er dem Alkohol zugedacht, um mit seinem Versagen in allen Bereichen fertig zu werden, oder besser: es zu vergessen. Jäh herausgerissen aus dieser Lethargie wird er durch die aktuellen Ereignisse, denen er als Zeuge beiwohnt.

Egal ob in Sokolows Hier und Jetzt oder in seiner Vergangenheit, ich habe ihn gern begleite. Daran trägt weniger er selbst die Verantwortung, denn er ist eine eher mäßig sympathische Figur, wenn auch ausgesprochen überzeugend. Vielmehr möchte ich diesen Verdienst dem Autor zuschreiben. Leon de Winter ist und bleibt für mich ein ganz großer Geschichtenerzähler. Sein Stil ist unvergleichlich, sofort herauszuerkennen und stets tragisch-komisch. Manche Szenen sind aberwitzig, andere schrecklich. Aber stets ist der Leser mittendrin.

Intensiv ist Leon de Winter immer in seinen Schilderungen. So auch hier. Besonderes Lob möchte ich ihm jedoch für die Szenen aussprechen, in denen Sascha, der Alkoholiker, sich betrinkt. Besser kann man die Krankheit wohl kaum schildern, als de Winter es durch seine Figur Sascha Sokolow tut.

Keine Angst: Alkohol ist zwar, wie so oft bei de Winter, ein Thema, aber es regiert nicht das Buch. Nimmt nur einen Teil davon ein. Ebenso wie das Judentum. Leon de Winter, selbst jüdischstämmig, greift das Thema aber von anderen Seiten auf, als ich es bisher kenne. Aus der Sicht eines Juden, der als solcher geboren wurde, aber keinen Bezug dazu hat, jedoch stark mit dem Judentum konfrontiert wird, durch das Land, in das er emigriert ist. Unaufdringlich fügt sich dieses Thema somit wie selbstverständlich in die Handlung ein.

Die Schilderungen sowohl Tel Avivs als auch der Sowjetunion habe ich als sehr ansprechend empfunden. Keine seitenlangen Beschreibungen sondern in die Geschichte eingeflochtene Details, die ein lebendiges Bild ergeben, ohne zu erklären.

Fazit: Leon de Winter kann wohl nicht anders, als mit einer Spannung, die ihres gleichen sucht, zu erzählen. Wie zuvor schon bei „Leo Kaplan“ habe ich dem furiosen Ende ebenso stark entgegengefiebert, wie ich bedauert habe, dass das Buch damit aus war und ich mich von der Geschichte, de Winters Erzählkunst und den Figuren verabschieden musste. Für mich steht fest: de Winter macht süchtig! (Petra)

Bewertung: ****

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Infos: 433 Seiten, Taschenbuch-Ausgabe, Diogenes Verlag, 10,90 €

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© 1998 Buecher4um, erstellt am 28.04.2005, letzte Änderung am 01.05.2005, Layout by abrakan