Inhalt:
Sumire ist eine ungewöhnliche
junge Frau. Schriftstellerin will sie werden, und daher produziert
die talentierte Studienabbrecherin und Einzelgängerin riesige
Textkonvolute, doch ein aussagekräftiger Roman kommt dabei -
bislang -nicht herausgekommen. Woran mag es liegen? Vielleicht
daran, dass Sumire die Liebe in all ihren Facetten noch nie erlebt
hat. Ihr Seelenverwandter und einziger Vertrauter, der namenlos
bleibende Ich-Erzähler des Romans, liebt und begehrt sie seit
langem, doch zu seinem großen Kummer vergeblich. Sumire hat noch
nie Leidenschaft für einen anderen Menschen empfunden. Das ändet
sich aus heiterem Himmel, als sie auf einer Hochzeitsfeier die
erfolgreiche Weinhändlerin Miu kennen und lieben lernt. Die
elegante ältere Frau stellt Sumire als Mädchen für alles ein,
verändert ihr Äußeres und nimmt sie schließlich mit auf eine
Geschäftsreise nach Europa, die mit einem Urlaub auf einer
griechischen Ägäisinsel ausklingt. Anfangs verleben beide
schöne Tage, doch nach einer emotionalen Krise bleibt Sumire
spurlos verschwunden. Sie hinterlässt nichts als zwei
aufschlussreiche Texte auf einer Diskette. Monate später ist sie
plötzlich wieder da. Oder vielleicht doch nicht?
Meine Meinung:
„Sputnik“, ein zufällig
gewählter Kosename, ist symptomatisch für das Dasein der
Protagonisten. Sie kreisen auf der eigenen Umlaufbahn, und wenn
sie Glück haben, dann gibt es ab und zu für einen flüchtigen
Augenblick Berührungspunkte. Die große Frage nach dem „Wohin
gehen wir?“ bleibt unbeantwortet. Murakamis Thema sind die
Einsamkeit und die Gespaltenheit des Individuums, das
unbefriedigende Gefühl, man lebe in verschiedenen Welten
zugleich, wirklichen wie unwirklichen, und zerfalle entsprechend
in Einzelteile . Das begegnet den LeserInnen beim Ich-Erzähler,
der Liebe und Sex unfreiwillig trennen muss, weil Sumire seine
Liebe nicht erwidert. Weitaus schlimmer jedoch bei Miu, deren
halbe Identität vor langer Zeit dauerhaft verloren ging, wobei
sie grauenhafterweise gezwungen war, ohnmächtig zuzuschauen.
Einzig Sumire, die sich gesellschaftlichen Konventionen verweigert
hat, entwickelt die Fähigkeit zur Grenzgängerin. Was sie dabei
erlebt, bleibt verborgen und letztlich der Phantasie der
LeserInnen überlassen. Murakami erzählt dieses gravitätische
Thema mit leichter Hand und schlichtem Stil. Er spielt mit Realem
und Surrealem und verwischt gekonnt die Übergänge. Die
erotischen Momente sind wohltuend zurückhaltend formuliert, vor
allem unter dem Aspekt, dass männlichen Autoren selten lesbische
Liebesszenen gelingen. Nervtötend ist einzig die angeberische
Fachsimpelei der Romanfiguren über klassische Musik. (©
Fevvers 2003)
Bewertung: ***
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: 240 Seiten, gebundene Ausgabe,
Dumont 2002, Preis: 19,90 €
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