Inhalt
/ Meine Meinung:
Dieses Buch nimmt man
vorsichtshalber ganz bedachtsam in die Hand und prüft sich,
ob man recht starkem Tobak gewachsen ist. Auf einen
unvorbereiteten Leser kommt einiges zu. Ich hatte bis vor kurzem
noch nichts von Burgess gelesen und dachte nach den ersten Seiten:
Oh ha! Wie ist der denn drauf?!
Allein schon die Sprache. Harter
Slang. Und der nicht mal in irgendeiner Weise eingedeutscht. Für
die ersten fünfzig Seiten bedeutet das, sich immer wieder grübelnd
zu erinnern, was mit diesem oder jenem Begriff gemeint ist. Bis
man das "Uhrwerk" hinter sich hat, kann man diese
besondere Sprache bereits ein "malenki" bißchen
verstehen.
Alex ist der jugendliche Held des
Romans, der seine besondere Story erzählt. Mehrfach mit dem
Gesetz in Konflikt gekommen, führt er eine Viererbande Straßenrowdies
an. Raubüberfall, Feiges Zusammenschlagen von wehrlosen
Passanten, Vergewaltigung und Vandalismus zählt zu ihren allnächtlichen
Zerstreuungen. Allkohol und Drogen gehören dazu. Burgess läßt
kein noch so widerwärtiges Detail aus. Das ist schon recht "skorri"
zu lesen.
Drei dieser brutalen Abenteuer
haben im Roman Spätfolgen. Einmal ist es ein Einbruch in das Haus
eines Schriftstellers, der Verfasser eines Buchs namens "a
clockwork orange". Sie mißhandeln den Autor auf die höhnischste
und gemeinste Weise. Manuskript und Einrichtung fallen der Zerstörungswut
anheim. Die Frau des Hausherren wird vergewaltigt und stirbt an
den Spätfolgen.
Bei einer anderen ähnlichen
Aktion, wo eine alte Frau mit einem Haus voller Katzen lebt, hat
unser Un(hold)held zum ersten mal Pech. Seine Freunde lassen ihn
im Stich. Allein dringt er ins Haus und stößt auf Widerstand. Er
schlägt die Frau zwar zu boden, die daraufhin stirbt. Aber Alex
selbst hat etwas abbekommen und fällt einer Polizeistreife in die
Hände.
In Haft. Abgeurteilt.
Strafanstalt. Was er dort erlebt, gefällt ihm ganz und gar nicht.
Kein Bewährungshelfer tritt für ihn ein. Mord und Brutalität
sind kein Pappenstiel. Gefängniszelle, die er mit anderen
Gefangenen teilen muß. Als Jüngster hat er nichts zu lachen. Bei
all seiner Skrupellosigkeit und Verdorbenheit ist Alex ein Ästhet.
Er liebt Bach, Beethoven und Mozart. Mag keine Langweiler und
Pennbrüder, die sich nicht waschen. Und im Gefängnis stinkt es.
Über den
"Knastpfarrer", der wohl an Alex einen Narren gefressen
hat, versucht der, sich durch zweckdienliche Bravheit
einzuschleimen. Dort hört er auch zum ersten mal von der
sogenannten Ludoviko-Technik. Durch sie hofft er auf
Strafverschonung und baldige Freiheit.
Durch einen Neuen, den man rücksichtslos
zu ihnen in die vollbelegte Zelle steckt, kommt es zur Bambule.
Der Neue ist einherrischer Angeber und will sich zu Alex auf die
Pritsche legen und ihn lüstern befingern. Alex läßt sich das
nicht gefallen. Das gibt ein zünftiges Handgemenge, wobei der
Neue so hart auf den Boden schlägt, daß er alsbald das Zeitliche
segnet.
Die Justiz will nun an Alex ein
Exempel statuieren. an ihm soll zum ersten Mal das
Ludoviko-Verfahren angewendet werden. Der Junge willigt ein, die
baldige Entlassung vor Augen. Doch was er zuvor durchmachen muß,
davon hat er sich in seinen horrormäßigen Vorstellungen nichts
träumen lassen.
Das Verfahren beruht auf einer
Art Gehirnwäsche. Der Gefangene wird festgeschnallt und so
fixiert, daß er zwangsläufig eineFilmleinwand anstarren muß.
Zudem werden seine Lider aufgespreizt. Er kann die Augen nicht
schließen. Er muß sich täglich etliche Stunden die übelsten
Gewaltszenen anschauen. Das geht tagelang, wochenlang so. Am Ende
ist er derart übersättigt, daß ihm schon beim Gedanken an
irgendeine Art von Gewalt übel wird. So auch Alex.
Nun ist er zwar frei, hat aber
keine rechte Freude mehr am Leben. Sein Zuhause verliert er, weil
die Eltern für die Zeit seiner Abwesenheit Alex Zimmer
untervermietet haben. Wer rechnete schon mit der vorzeitigen
Entlassung? Nachts auf der Straße gerät er in eine Rauferei.
Kann sich nicht entsprechend wehren, weil jede Agressive handlung
ihn würgen läßt. Polizisten greifen ein. Unter ihnen erkennt er
zwei seiner ehemaligen Straßenrowdies. Sie haben lediglich die
Seite gewechselt. Sind aber brutal wie zuvor. Das erlebt Alex am
eigenen Leib. Man fährt ihn aufs Land. Verprügelt ihn und läßt
ihn bei nacht und Nebel halbtot dort liegen.
Alex schleppt sich zum nächstgelegenen
Haus. Klopft. Wird freundlich empfangen und gepflegt. Erschrickt
aber, als er feststellt, wer ihn so liebevoll aufgenommen hat. Es
ist der Schriftsteller von "a clockwork orange", dessen
Frau Alex auf dem Gewissen hat. Erst nach einigen Tagen, als schon
Freunde des Schriftstellers Alex für einen gegen die juristischen
Übergriffe der Regierung gerichteten Protest gewinnen wollen,
ahnt der Autor, wen er da beherbergt hat. Da aber haben die
Freunde den Jungen schon mit in die Stadt genommen und in einem
haus untergebracht. Er fühlt sich eingesperrt. Aus einer
Nachbarwohnung kommt laute Musik. Es ist eines seiner
Lieblings-Sinfonien von Mozart, mit denen er sich ehedem zu
Gewalttaten aufgeputscht hat. Jetzt ist ihm die Musik unerträglich.
Er dreht durch. Reißt das Fenster auf und stürzt sich in die
Tiefe.
Längerer Krankenhausaufenthalt.
Alex ist plötzlich populär. Das jüngste Ereignis wurde von der
Presse gegen die Justizreform reichlich ausgeschlachtet und somit
das Ludoviko- Verfahren endgültig gecancelt.
Und nun erleben wir einen recht
nachdenklichen Alex. Immerhin ist er fast zwanzig jahre alt.
Trifft einen seiner Droogs (Kameraden), Mitglied der ehemaligen
Gang. Hört staunend, daß der verheiratet ist und einen Job
angenommen hat.
Am Ende des Buches träumt auch
Alex von einem "gutbürgerlichen" Leben mit Frau und
Kind. Ob er das erreicht, davon erfährt der Leser leider nichts
und legt das höchst nachdenkenswerte Buch aus der Hand.
Ich hörte, daß Burgess Buch
inzwischen auch verfilmt wurde. Kann aber dazu nichts ausführen.
Man wird sich sein eigenes Urteil bilden müssen, ob der Film dem
Buch gerecht wird. (J. Weidner August 2002)
Bewertung: ***
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: Deutsche Übersetzung von
Walter Brumm, deutschsprachige Ausgabe, Wilhelm Heyne Verlag 1972
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