Inhalt:
In diesem Roman geht es um
Jonathan Luria (Mitte 40) und Schira Klein (35), die beide in Tel
Aviv leben und Schriftsteller sind. Jonathan hat zwei erfolgreiche
Romane veröffentlicht, leidet aber seit dem Tod seiner Frau vor
fünf Jahren unter einer Schreibblockade. Er verbringt seine Tage
mit unbefriedigenden Schreibversuchen am Computer, kümmert sich
um seine 10-jährige Tochter Dana und lebt im Wesentlichen von den
monatlichen Überweisungen seiner in Amerika lebenden
Schwiegereltern.
Schira hat vor kurzem ihren
ersten Roman mit dem Titel „Zusammenstöße“ veröffentlicht,
der gerade die Nummer eins der Bestsellerliste erreicht hat. Nach
mehreren gescheiterten Beziehungen lebt sie allein und muss sich
regelmäßig um ihren verwitweten Vater kümmern, der körperlich
und geistig zunehmend verfällt.
Nachdem sie sich bereits einmal
in einem Geschäft zufällig begegnet sind, lernen sich Jonathan
und Schira bei einem Abendessen bei einer gemeinsamen Freundin
kennen. Sie scheinen füreinander bestimmt zu sein, beide
interessieren sich für Literatur und klassische Musik und lieben
Pasta, aber sie verhalten sich abwartend und zögerlich aus Angst
vom anderen zurückgestoßen zu werden. Zudem wissen beide nicht,
ob sie eine Beziehung eingehen wollen, die sie aus ihrem
liebgewonnenen Singledasein mit den persönlichen Marotten reißt.
So dauert es mehrere Wochen bis aus ihnen ein Paar wird, doch dann
ist das Buch noch lange nicht zu Ende.
Meine Meinung:
Man darf sich vom Untertitel des
Romans „Eine Liebesgeschichte“ nicht täuschen lassen,
Zusammenstöße ist viel mehr als das. Es ist eine genau
beobachtete Studie über das Erwachsenwerden, das Altern, das
Abschiednehmen und den Neubeginn. Niemals geschieht etwas
Sensationelles, die Autorin präsentiert 750 Seiten Alltagsleben
und erzählt sehr langsam und genau. So konnte ich, da mehrfach
die Perspektive der Haupt- und Nebenfiguren wechselt, immer gut
beobachten, wie die Personen zueinander stehen und wie sich ihre
Beziehungen entwickeln. Das Ganze ist gewürzt mit etwas Tel
Aviver Lokalkolorit, regelmäßig werden die Wege einer Person
innerhalb der Stadt genau beschrieben, vermutlich könnte man sie
mit dem Finger auf dem Stadtplan verfolgen. Das waren für mich
aber nicht die wichtigsten oder stärksten Szenen, auch wenn dort
eine Tür geöffnet wurde in eine doch sehr fremde Stadt in einem
Land, das ganz anders ist als z. B. Deutschland.
Beeindruckend fand ich, mit
welcher Akribie und Genauigkeit die Autorin die
zwischenmenschlichen Beziehungen beleuchtet. Dabei geht es eben
nicht nur um Männer und Frauen, sondern auch um Erwachsene und
ihre alt und gebrechlich werdenden Eltern und um Erwachsene und
pubertierende Mädchen. Außerdem zeigt das Buch, das auch
Menschen jenseits der 30 noch eine Chance auf eine neue Liebe
haben und das ist schöner Hoffnungsschimmer, finde ich.
Wer langsam und genau erzählte
Geschichten über zwischenmenschliche Beziehungen mag, der hat bei
Zusammenstöße großes Lesevergnügen.
(Christine)
Bewertung: ***/****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: Originalausgabe: Te’unot,
Erschienen 2003 bei Diogenes, Aus dem Hebräischen von Ruth Melcer
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