Petra hat geschrieben:Und ich war schon wieder in der Buchhandlung:
Henrietta Hamilton: Mord in der Charing Cross Road: Ein Fall für Sally und JohnnyIch hoffe, Klett Cotta bringt noch weitere Bände dieser Krimi-Klassiker-Reihe heraus.
Ich hoffe nicht, liebe Petra, denn das Buch ist bei mir mittlerweile nach 126 Seiten, an denen ich schon ewig gelesen habe, ein Abbruchkandidat. Bei manchen Autoren/Autorinnen ist es definitv besser, wenn sie in der Versenkung bleiben. Was Klett Cotta dazu bewogen hat, diese Reihe (die ja offensichtlich nur 4 Bücher umfasst, die zu Lebzeiten der Autorin erschienen sind) auszugraben, zu übersetzen und aufzulegen, ist mir schleierhaft.
Da sind zum einen die sprachlichen Defizite. Erst vermutete ich, dass diese wieder der Übersetzung geschuldet sind, denn der Erzählstil ist schon sehr simpel und holprig. Deshalb wollte ich das mal mit der englischen Sprachfassung abgleichen, aber man findet weit und breit keine Leseprobe, nicht mal auf Amazon. Man findet aber auch die Bücher selbst kaum noch, nicht mal die ebooks. Also habe ich weiter recherchiert.
Neu aufgelegt wurde die Reihe wohl in England 2020 von Argos Books, bei dem es sich offensichtlich um ein Online-Buchhandelsunternehmen handelt. Die Romane waren wohl nicht so erfolgreich, denn sie sind ja augenscheinlich schon wieder weg vom Markt. Das hat mich schon stutzig gemacht. Bei den Krimiklassikern, die von der British Library in ihrer Reihe British Library Crime Classics neu aufgelegt werden, findet man die Autorin nicht und die British Library gräbt ja nun sehr vieles wieder aus, schaut aber dabei auch darauf, ob diese Krimis gut gealtert und für die heutige Leserschaft noch geeignet sind.
Henrietta Hamilton ist das Pseudonym einer Buchhändlerin, die selbst im Buchantiquariat gearbeitet hat und wohl sehr spät auf den Krimi-Zug aufgesprungen ist, wie es scheint aber viel zu spät. Ihre vier Romane um Sally und Johnny erschienen in den 1950er Jahren, als das Goldene Zeitalter der Krimis und Detektivgeschichten in England eigentlich schon fast vorbei war. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, weshalb nur die ersten vier Teile der offensichtlich umfangreicher geplanten Serie dann auch nur aufgelegt wurden. Nach Hamiltons Tod 1995 fanden ihre Neffen im Nachlass noch weitere 13 unveröffentlichte Manuskripte, für die sich wohl damals kein Verlag mehr gefunden hat. Argos Books hat dann wohl 2020 eines dieser Manuskripte als 5. Teil postum veröffentlicht, der Erfolg hielt sich aber, wie schon gesagt, in Grenzen, denn es wurden keine weiteren Teile mehr veröffentlicht. Umso gespannter darf man jetzt sein, wo Klett Cotta mit dieser Serie hin will.
Dass die Reihe in England offensichtlich wenig Erfolg hatte, kann ich nachvollziehen, denn selbst für eine Krimireihe aus den 1950ern wirkt sie auf mich sehr altmodisch. Jedenfalls gibt es vieles, was mich an diesem Roman stört. Zum einen ist es die bereits oben erwähnte sehr simple Sprache, zum anderen sind es der Handlungsaufbau und die Figuren. Letztere sind sehr eindimensional gezeichnet und verkörpern die gängigen Klischees. Leider springen auch viel zu viele Personen in der Geschichte herum, die kaum Kontur haben, damit kaum auseinander zu halten sind und in der Geschichte auch keine große Rolle spielen. Die Liebesgeschichte zwischen Sally und Johnny ist völlig unglaubwürdig und deplatziert. Die hätte es überhaupt nicht gebraucht.
Am meisten geärgert habe ich mich aber über den Handlungsaufbau. Natürlich ist das Mordopfer der böse, unsympathische Mitarbeiter und alle haben damit ein Tatmotiv. Große Teile der Handlung werden allerdings in endlosen Monologen - teilweise aus dritter Hand – erzählt.
Ein Beispiel:
Da liegt einer der Mitarbeiter nach einem Selbstmordversuch im Krankenhaus, die Befragung durch die Polizei erfährt man aber dann in einer minutiösen Nacherzählung von Johnny mit Sally vor dem Kamin, wobei Johnny aber auch nur die Version wiedergibt, die ihm vom Mitarbeiter über das polizeiliche Verhör erzählt wurde . Man ist als Leser also überhaupt nicht dabei, wenn die Polizei den Mitarbeiter im Krankenhaus befragt. Man ist aber auch nicht dabei, wenn eben jener Mitarbeiter später Johnny beim Krankenhausbesuch über die stattgefundene Besprechung berichtet. Der Leser bekommt erst Johnnys Fassung über die im Krankenhaus stattgefundene Befragung in einem seitenlangen Monolog zu hören, was für mich den faden Beigeschmack von "stille Post" hat. Wie die Befragung des Mitarbeiters wirklich vor sich gegangen ist, kann man nur erahnen.
Und diese Erzählstruktur zieht sich durch das ganze Buch, wobei der Mittelteil fade und langweilig ist. Sorry, aber dafür ist mir meine Lesezeit zu schade und ich ärgere mich mal wieder im Nachhinein, dass ich die obigen Recherchen, die ich normalerweise vor dem Kauf eines so teuren Taschenbuchs gemacht hätte, diesmal außer Acht gelassen habe. Hier hätten sie mich vor einem Fehlkauf bewahrt, denn der Inhalt kann mit der feinen Aufmachung des Buches leider nicht mithalten und ist das Geld nicht wert.
Ups, das ist jetzt aber lang geworden.
