Hallo zusammen,
ich habe mich umentschieden.
“Wahrheit“ von Peter Temple habe ich weggelegt, aber nicht abgeschrieben. Ich steige aufs Hörbuch um, das sich bereits auf meinem iPod befindet. Ich werde es demnächst hören. Die Geschichte eignet sich wunderbar vorgelesen zu werden, und ein reinhören hat mir meine Vermutung bestätigt, dass Philipp Schepmann das absolut stimmig macht.
Die Gründe, warum ich das Buch nicht weiterlesen möchte, möchte ich hier auch benennen. Denn es wäre schade, wenn jetzt jemand denken würde, das Buch sei schlecht. Ist es nicht. Ganz im Gegenteil. Es hebt sich wirklich aus der Masse ab, und hat mehr zu erzählen, als eine bloße Kriminalgeschichte. Auch die karge Erzählweise, die dem Leser alle Aufmerksamkeit abverlangt, da man sonst Dialogen nicht ganz folgen kann, da man erst die Zusammenhänge erkennen muss, die sich aus den Dialogen ergeben, hat mich nicht von dem Buch abgebracht. Das ist mal was anderes, dem ich durchaus Gutes abgewinnen kann. Bei mir war es der sehr kühle Grundton in allen Gesprächen, in allen Handlungen, der mir too much war. Nicht, weil mich das stimmungsmäßig runterzieht, sondern weil ich das etwas zu sehr übersteigert fand. Ja, die Welt ist schlecht, die Menschen denken nur an sich, ihr persönliches Weiterkommen. Ja, die Menschen betrügen und benutzen einander. Ja, die Korruption zieht sich bis in die obersten Reihen, bzw. ist dort am stärksten ausgeprägt. Aber wenn die Welt nur noch in diesen Tönen nachgezeichnet wird, dann wird es für mich – trotz aller Realitätsnähe – schon wieder unglaubhaft. Egal ob dienstlich oder privat, Villani ist derart unterkühlt, sarkastisch und auch verletzend, dass es mir da an Gegensätzen fehlt. Dann kam noch eine Erinnerung in Villani auf, in der sein damaliger Chef, heldenhaft Bankräuber stellt. Das war mir zu überzogen, erinnerte mich an Actionfilme.
Hinzu kommt, dass das Buch zwar mehr zu erzählen hat, als die bloße Krimihandlung. Aber das, was mir da erzählt wird, finde ich auch in anderen Büchern. Ich habe zu viele Bücher zu Hause, die mich sehr locken, und von denen ich mir sehr viel verspreche. Deshalb habe ich mich umentschieden und werde bald das – sicher sehr gute – Hörbuch hören.
Ich hoffe, ich halte jetzt niemanden von dem Buch ab. Denn es ist alles andere als schlecht. Nur zur Zeit nicht zu 100% das Wahre für mich.
Gestern kam ich dann erst sehr spät nach Hause, und hatte keine große Zeit mehr, mir Gedanken zu machen, was ich anstatt dessen lesen möchte. War auch gar nicht schlimm, denn es zog mich bei der Auswahl von „Wahrheit“ schon verstärkt zu 2 oder 3 Büchern, von denen ich mir jetzt eines gegriffen habe. Heute morgen auf dem Weg zur Arbeit habe ich begonnen mit
“América“ von T.C. Boyle. Lust gemacht wurde mir auf den Autor und auch speziell diesen Roman hier im Forum schon genug. Jetzt kann ich es aber am eigenen Leib erfahren, wie sehr Boyle einen packt. Er hatte mich schon beim reinlesen, und jetzt, beim weiterlesen lässt meine Begeisterung nicht im geringsten nach. Im Gegenteil, sie steigert sich. Noch bin ich ganz am Anfang. Aber den Ausgangspunkt der Geschichte, den Unfall zwischen dem Weißen und dem Mexikaner, habe ich bereits gelesen. Boyle zelebriert diesen Unfall, beschreibt all die ebenso menschlichen wie schändlichen Gedankengänge des im Wohlstand lebenden Weißen, der gerade den Mexikaner angefahren hat. Bezeichnend ist der letzte Satz des ersten Kapitels, mit dem auch als Zitat auf dem Buchrücken geworben wird:
“Nein, hör zu: mit dem Mann ist alles in Ordnung… nur ein paar Schrammen. Ich habe ihm zwanzig Dollar gegben.“
„Zwanzig…?“
„Ich sage dir doch – es war ein Mexikaner“Im zweiten Kapitel führt T.C. Boyle mich nun ins Leben des Mexikaners und seiner Frau ein. Und das liest sich noch fesselnder. Wie ärmlich, wie menschenunwürdig.
Toll geschrieben, das erkennt man schon zu Beginn. Was bin ich froh, dass man hier im Forum hartnäckig auf den Autor hingewiesen hat. Steffi hatte damals den Ausschlag gegeben, dass ich etwas von ihm lesen wollte. Und „América“ interessierte mich am stärksten. Inzwischen gibt es einige Bücher von Boyle, die mich reizen würden. Ich merke schon: ein sehr interessanter Autor!
In „América“ steht neben dem physischen Zusammenstoß die Kollision zweier Menschenklassen, und damit dem Wohlstand und der Armut. Das Buch zieht mich bereits jetzt sehr an.
@Maria: Was lese ich da? Du liest auch gerade „América“?! Das ist ja ein Zufall!

Dann können wir uns ja austauschen. Es ist ja mein erster Roman von Boyle. Wie seine weniger ernsten Romane auf mich wirken, muss ich erst noch entdecken. Sowas kann mir schnell auch mal zu viel werden. Deshalb bin ich sehr froh, dass er in „América“ doch ernstere Töne anschlägt.
Zu „Wahrheit“ von Peter Temple noch mal: Du schriebst, dass Du es oft als nervtötend empfindest, wenn ein Autor neben einem Krimi viel Privatleben des Ermittlers mit reinpackt, da nicht jeder Autor den Spagat zwischen sozialem Umfeld des Ermittlers und dem Mordfall schafft. Das stimmt. Wenn ich bedenke, wie meisterlich (ich bin immer noch fasziniert davon) es Pete Dexter in „God’s Pocket“ gelungen ist, neben der (eigentlich fast nichtigen) Krimihandlung den Charakter der agierenden Figuren zu beleuchten, dann fällt Peter Temple (der das gar nicht schlecht macht) dagegen ab. Ich bin darin wahrscheinlich ein bisschen verwöhnt, seit ich gesehen habe, wie gut man das machen kann. Als Beispiel fällt mir da auch noch Michael Collins in „Nicht totzukriegen“ ein. In solchen Fällen liebe ich es, wenn das Drumherum den Hauptkern bildet. Aber im Falle von Peter Temple war das zwar oberflächlich gesehen gut gemacht, aber wenn man näher hinschaut, so außergewöhnlich auch wieder nicht. Die Probleme des Ermittlers mit seinem Vater, dem Aufwachsen ohne Mutter, das kühle Verhältnis zum Bruder, die zerrüttete Ehe… das ist mir zu einseitig. Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich das so genau wissen will, bzw. dafür meine Lesezeit einsetzen möchte. Ich bin mir sicher, dass ich mit dem Hörbuch in dem Fall besser bedient bin.
Deinen Bericht über Dostojewskis „Die Dämonen“ lausche ich interessiert. Berichte bitte weiter, und ich hoffe, Du findest noch so recht in das Buch.
@Rachel: Schade, dass ich Dir dann jetzt von dem Buch „Wahrheit“ nichts mehr weiter berichten kann. Aber ich werde demnächst das Hörbuch hören. Da freue ich mich schon sehr drauf, da sich der Stoff sehr gut als Hörbuch eignet. Und wie ich beim reinhören vernommen habe, spricht Philipp Schepmann das ganz klasse.
Dass „Kalter August“ der Vorgänger von „Wahrheit“ ist, wusste ich gar nicht, bis ich gestern im Internet zufällig etwas über die Zusammenhänge las. Das fand ich interessant. Zumal mich „Kalter August“ auch gelockt hatte. Ich habe das Buch zu Hause. Lesen werde ich es jetzt wohl eher nicht. Aber ich bin glücklich darüber, dass es das auch als Hörbuch gibt – gelesen von Ulrich Noethen. Das werde ich dann bestimmt mal hören.
@Steffi: Dass Du gerade „Die geheime Geschichte“ liest, freut mich zu hören. Ich bin sehr gespannt, wie es Dir gefällt und die Ähnlichkeiten zum später entstandenen „Totengleich“ von Tana French dürften auch für Dich sehr interessant sein. Es freut mich, dass Dir die Atmosphäre schon mal gut gefällt. Von ihr lebt der Roman.
Dass Du „Die Sanddornkönigin“ abgebrochen hast, war sicher eine gute Entscheidung. Wenn man sich durchquält, muss das ja nicht sein. Da er ja kostenlos war, ist es ja kein großer Verlust – außer die der Lesezeit.
@Yvonne: Das ist wirklich Pech! Mich bringt so etwas auch gern schon mal in eine Leseflaute. Hatte ich letztes Jahr als ich im Urlaub war. Nichts konnte mich begeistern. Aber irgendwann war der Bann dann gebrochen, und meine Leselust kehrte damit auch zurück. Manchmal weiß man wirklich nicht, ob es an der momentanen Leseunlust liegt, oder aber dass die Leseunlust durch diverse Fehlgriffe ausgelöst wird.
@Didonia: Ich habe auch immer die Bücher draußen liegen, die ich bald lesen möchte. Da bauen sich schon mal Stapel von 20 Büchern auf. Die verändern sich auch immer mal wieder. Einige wandern doch wieder zurück ins Regal, andere werden gelesen, neue kommen hinzu… Ich mag das. Lege mich auf diese Bücher aber nicht fest, sondern entscheide immer wieder ganz spontan nach Laune, ob es eines aus diesem Stapel wird, oder doch eines aus dem umfangreichen restlichen SUB oder gar was gerade frisch gekauftes.
„Fahrenheit 451“ habe ich als Hörbuch gehört. Eine ungekürzte Lesung, aber ohne Vor- oder Nachwort. Deshalb verfolge ich die Infos von Dir mit Interesse.
Was Du über „Sturz der Tage in die Nacht“ von Antje Ravic Strubel schreibst, entmutigt mich. Ich habe das Buch auch auf dem SUB. In diversen TV-Sendungen über Literatur wurde aber schon einiges über das Buch verraten. Das war mir mal wieder zu viel. Die grundlegenden Dinge weiß man dann schon. Das macht es für mich uninteressanter. Allerdings hatte mir das reinlesen gefallen. Die Stimmung. Aber was Du dazu schreibst, dämpft meine Erwartungen daran. Mal sehen, ob es noch gelesen wird, oder ob ich es doch lieber wieder verkaufe.
@Bonny: Ich finde es auch immer ganz schade, wenn ich gern lesen möchte, aber nicht so dazu komme. Ich wünsche Dir am Wochenende viel Lesezeit!
