von Didonia » Sa 21. Dez 2024, 19:29
Durch das Bücher erfassen und einer derzeitigen Erkältung war es etwas ruhiger von meiner Seite. Aber für heute habe ich eine Autorin, deren Buch auf merkwürdige Weise zu mir gekommen ist.
Als ich nach Ostfriesland kam - wow, fast 24 Jahre bin ich nun schon hier - suchte ich Anschluss in einer Frauengruppe. Das ist hier auf dem Land nicht ungewöhnlich und es gibt jede Menge. Nun hatte ich ja bei der Zeitung meine speziellen Arbeitszeiten und ich fand nur eine in einer Kirche, die nur ein Katzensprung von meinem Büro entfernt war. Ich bewundere zwar die Arbeit der Frauen und Männer an der Basis, aber ansonsten habe ich bis heute nichts mit Gott und Kirche am Hut. Mittlerweile sind viele Mitglieder gestorben und die Pastorin hat einen anderen Einzugsbereich, es war dann nicht mehr das Richtige für mich.
Aber - es gab schöne Gespräche und ich wurde nicht gedrängt, Mitglied zu werden. Eines der Gespräche ging um Martin Luthers Frau Katharina von Bora. In dem Zusammenhang machte uns die Pastorin auf Christine Brückner aufmerksam:
Christine Brückner (10.12.1921 - 21.12.1996) schrieb auch unter den Pseudonymen Christine Dupont, Christian Dupont und Dr. Christian Xadow. Ihre Ausbildung erhielt sie als Diplombibliothekarin mit Examen. Ihr erster schriftstellerischer Text war eine Anekdote über das Bild „Frau am Fenster“ von Giovanni Bellini, der in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde. Erzählungen, die sie für die Literaturzeitschrift "Akzente" an Walter Höllerer und Hans Bender sandte, wurden nicht veröffentlicht. Mehr Glück hatte sie in Nürnberg, wo sie für die Zeitschrift "Frauenwelt" schrieb.
1953 richtete der Bertelsmann-Verlag einen Literaturwettbewerb aus, den sie mit dem anonym eingesandten Romanmanuskript "Ehe die Spuren verwehen" gewann. Als er dann 1954 als Roman erschien, wurde er ein kommerzieller Erfolg und ermöglichte ihr ein Leben als freie Schriftstellerin.
Ich habe mit Vergnügen ihre Monologe "Wenn du geredet hättest, Desdemona. Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen" (Hamburg 1983) gelesen.
Sie erzielten hohe Auflagen, wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und begründeten auch Brückners Erfolg als Theaterautorin. Sie gehörten zu den meistgespielten zeitgenössischen Theaterstücken.
Buchinfo
Zornige und aufsässige Monologe, auch sentimentale und pathetische - die vierzehn Reden dieses Buches wurden nicht überliefert, weil sie nicht gehalten wurden. Aber wenn diese Frauen ungehalten waren - wozu sie allen Grund hatten -, hätten ihre Reden diesen Wortlaut haben können: nach Ansicht der Autorin. Frauen aus der Geschichte, aus der Literatur, die angehört werden und etwas bewirken wollen. Doch Effi Briest redet zu ihrem tauben Hund Rollo - sie hat versäumt, rechtzeitig mit Innstetten, ihrem Mann, zu sprechen. Die Terroristin Gudrun Ensslin redet gegen die Wände der Stammheimer Zelle - im Gerichtssaal hat sie geschwiegen. Und Martin Luther schläft über den scherzhaften Tischreden seiner klugen Katharina ein...
Die ungehaltenen Frauen erreichen mit ihren Reden nichts. Beim Leser und beim Zuschauer dieser auf vielen in- und ausländischen Bühnen gespielten Monologe bewirken die Reden jedoch durchaus etwas. Die Autorin ist eine Moralistin, die aber an die befreiende Wirkung des Lachens glaubt. Die Zeiten der unverstandenen Frauen sind vorbei. Wer verstanden werden will, muß sich verständlich machen (meine Anmerkung: Was auch heute noch - 40 Jahre nach Erscheinen des Buches - nicht für jede Frau möglich ist. Traurig, aber wahr).
Buchbeginn
Ich wär Goethes dickere Hälfte
Christiane von Goethe im Vorzimmer der verwitweten Oberstallmeisterin Charlotte von Stein.
Die Frau verwitwete Oberstallmeisterin empfängt nicht? Sie fühlt sich nicht? Auch recht. Ich kann warten. Vielleicht fühlt sie sich demnächst wieder? Ich kann auch Platz nehmen. Vielleicht müssen Sie Ihren Salon mal verlassen und kommen durchs Wohnzimmer, und da sitzt dann die ehemalige Vulpius. An der kommt man nun nicht mehr vorbei. Madame von Stein, auch Sie nicht. Soll ich lauter sprechen, damit Sie mich verstehen? Oder halten Sie sich die Ohren zu, weil ich ordinär rede? Thüringisch! Das tun Sie auch, nur gestelzter.
"Eine Versuchung wird man nur los, indem man ihr nachgibt."
Markus Gasser
von meinem Lieblingsliteratur-Podcast "Literatur ist alles"