vorneweg ein kurzer Hinweis: das englische Original "The Thirteenth Woman" kann man auch im Netz nachlesen, z.B. an dieser Stelle.
steffi hat geschrieben:Da die dreizehnte Frau nichts isst, nicht nass wird und auch nicht Tag und Nacht empfindet, glaube ich nicht, dass es sich um eine existierende Person handelt.
Im Rahmen der Erzählung existiert sie durchaus, sie ist sogar die einzige Frau, von der ausdrücklich gesagt wird, daß es sie in der Stadt gibt (erster Satz) und daß sie in der Stadt lebt (letzter Satz). Die anderen zwölf Frauen werden nur ganz am Anfang sozusagen nebenbei erwähnt: In a town of twelve women there was a thirteenth. Es wird nicht gesagt, daß diese zwölf Frauen irgend etwas tun oder ob es überhaupt lebendige Frauen sind.
In Wirklichkeit gibt es ja ohnehin keine dieser Personen, es sind erfundene Figuren, sie werden erst durch das Erzählen geschaffen, und dadurch daß sich die Erzählerin auf die dreizehnte Frau konzentriert, erscheint diese Frau sogar schärfer und deutlicher als die zwölf anderen Frauen, von denen kaum die Rede ist. Das Widersprüchliche und Reizvolle an dieser Erzählung ist, daß von einer Person geredet wird, die sich dadurch auszeichnet, daß niemand über sie redet, weil sie nichts tut und ihr nichts geschieht, worüber man reden könnte.
Dem was Du über Märchen und die "böse Zahl" geschrieben hast, könnte ich aber durchaus zustimmen. Der Ton erinnert an ein Märchen; eine Stadt mit so wenigen Einwohnern ist ohnehin unrealistisch, und die Zahl "dreizehn" ist sicher kein Zufall. Diese Zahl ist mit Gedanken wie "Unglück" oder "Nichtdazugehören" verknüpft.
Schöne Grüße,
Wolf


