Hallo zusammen,
bin ich wirklich die erste, die dieses Jahr ein Buch abgebrochen hat? OK, dann muss ich hier mal den Anfang machen. Übrigens: Ich musste den Thread erstmal suchen und von der 3. Seite vorholen; wenn das mal kein gutes Zeichen ist. Meiner Meinung nach kann dieser Thread gar nicht weit genug nach hinten rutschen.
Ich habe mich gestern entschlossen
Das größere Glück von Richard Powers nach knapp der Hälfte des Buches abzubrechen. Dieser Roman raubt mir den letzten Nerv, es ist teilweise Schwerstarbeit und nicht gerade ein Vergnügen, dieses Buch zu lesen. Dabei wäre das Sujet dieses Romans wirklich sehr interessant gewesen.
Hier mal der Klappentext:
Thassadit Amzwar, eine junge Frau, konnte sich aus dem Bürgerkrieg Algeriens nach Chicago retten. Doch trotz dieser Last wirkt sie heiter und froh. Sie ist der Magnet, um den sich die Menschen scharen, denn sie scheint das Geheimnis zu kennen, glücklich zu sein. Liegt es an ihrem Charakter oder besitzt sie gar ein spezielles Gen? Greifen wir nach dem Glück oder greift das Glück nach uns? Fasziniert muss ihr melancholischer Lehrer Russell Stone mit ansehen, wie Thassadit zum Gegenstand der Forschung wird, wie sich schnell ein Medienhype und ein Kult um die junge Frau bilden und sich dieses Karussell immer schneller dreht. Bis Thassadit Russell bittet, ihr zur Flucht zu verhelfen.
Richard Powers ist das Porträt einer großen Liebenden gelungen, ein Bild unserer Sehnsucht, uns selbst in unseren Genen zu entdecken. Es ist eine wilde Satire auf die Medien und ihren Hunger nach neuen Geschichten und schließlich ein erzählerischer Einspruch gegen die Gier der Pharmazeuten, die den Menschen als Genpatent für sich reklamieren. Dieser Roman hätte, wie gesagt, wirklich gut sein können, doch er scheitert letztendlich an der Umsetzung.
Auf dem Rückcover steht:
Richard Powers ist einer der gewaltigsten Erzähler seiner Zeit. Nun, das ist sicher Ansichtssache. Für mich ist er es jedenfalls nicht, da gibt es andere Autoren, die das viel besser können. Der Roman hat zwar durchaus auch hier und da seine erzählerischen Stärken, aber ich empfinde es keinesfalls als sprachgewaltig, mit Fremdwörtern und wissenschaftlicher Fachtermina übersäte Textpassagen zu lesen, die – dazu noch völlig emotionslos erzählt - für mich eher den Charme eines staubtrockenen Sachbuches haben. Textpassagen, wie z. B. diese hier
"
Mit DNA-Mikroarrays hat man diese Loci inzwischen genauer lokalisiert und identifiziert. Und die Bestimmung schreitet rasch voran. Die Abweichungsanalysen deuten mit großer Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass der affektive Sollwert einer Person in hohem Maße von einem Netzwerk von Genen abhängt, die mit der Synthese und dem Transport von Serotonin und Dopamin zu tun haben. Diese Gene haben polymorphe Kontrollregionen mit mehreren Allelen. Von Truecyte durchgeführte Assoziationsstudien identifizieren diese Allele als solche, die mit gesteigertem Wohlbefinden in Zusammenhang stehen. Dieses Netzwerk scheint für mindestens zwei Drittel des ererbten emotionalen Temperaments verantwortlich zu sein. Seine diversen Permutationen hängen mit Zufriedenheit und Freude und mit dem zusammen, was man in Ermangelung eines besseren Begriffs Überschwang nennen könnte."
sind in meinen Augen nicht sprachgewaltig, sie sind schlicht und einfach langweilig und wirken auf mich eher wie eine wissenschaftliche Abhandlung aus der Biochemie. Und solche Passagen sind leider keine Ausnahmeerscheinung in dem Buch, man stolpert ganz im Gegenteil beim Lesen alle Nase lang über solche Textpassagen. Ich möchte jedenfalls keine Romane lesen, bei denen ich nach jedem Satz ein Wörterbuch zur Hand nehmen muss, um denn Sinn zu verstehen.
Was mich an diesem Buch auch noch ziemlich gestört hat, ist der "kopflastige" und teilweise sehr bemüht wirkende pseudo-intellektuelle Erzählstil des Autors. Der Geschichte fehlt es an Herzblut und Empathie! Man bekommt als Leser überhaupt keine Chance, einen Bezug zu den Figuren aufzubauen. Sie bleiben einem fremd, eigentlich sind sie einem egal.
Meine Kollegin, die bereits drei Romane von Powers gelesen hat, meinte dazu, dass ich mir als Einstieg das schwächste Buch von Powers ausgesucht hätte.
Der Klang der Zeit hat ihr am besten gefallen und der wird ihrer Meinung nach auch schwer zu toppen sein. Sie räumte aber auch ein, dass der Sprachstil des Autors gewöhnungsbedürftig und sicher nicht jedermanns Sache ist.
Ich habe zu Hause noch "Das Echo der Erinnerung" auf dem SUB. Eine Chance bekommt der Autor noch, bevor ich ihn ad acta lege.