Ich lese derzeit die Fallada-Biografie von Peter Walther. Einfach toll geschrieben und zum Festlesen:
So einige Bücher habe ich von Fallada ja schon gelesen. Er hat es zu meinem Lieblingsschriftsteller gebracht. Vor allem wohl, weil er immer nah bei den kleinen Leuten ist. Und das, wo seine Familie selbst nicht zu denen gehörte.
Er wurde am 1. Juli 1893 als Rudolf Ditzen geboren. Nach zwei Mädchen ist er der ersehnte Sohn. Etwas später kommt noch ein Bruder - und so ist die Familie komplett. Und egal, was ihm widerfahren wird - er ist ein Glückskind.
Die Eltern führen eine harmonische Ehe, finanziell steht die Familie durch die berufliche Stellung des Vaters auf guten und sicheren Füßen. Die Vorfahren väterlicherseits stammen aus Ostfriesland. Hier amtiert Rudolfs Urgroßvater Cirk Stürenburg "in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Präsident der ostfriesischen Anwaltskammer, [...] leitet in Aurich den Bach-Verein und veröffentlicht nach über 20 Jahren Recherche 1857 ein ostfriesisches Wörterbuch" - Seiten 16/17.
Rudolfs Mutter kommt aus einer Pflegefamilie, in der sie sehr unglücklich war. Als sie ihren Mann kennenlernt, ist es wie eine Befreiung für sie.
Vater nahm Mutter und führte sie aus der Enge in die Weite. Sie, die stets für andere hatte da sein müssen, die nie etwas Eigenes hatte sein und besitzen dürfen, lehrte er, ein Mensch zu sein. Er hatte nie Launen, er wurde selten ungeduldig. Zu Anfang wollte der Haushalt gar nicht recht gehen, Mutter konnte nicht selbständig arbeiten, sie wagte nie, einem Mädchen ein Wort zu sagen ... Aber Vater machte ihr Mut, er half ihr, er tröstete sie, er lobte sie, er lächelte über Missgeschicke, er tadelte nie ... Er machte einen Menschen aus Mutter, aus ihr, die fast ein Automat geworden wäre.
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Der Vater arbeitet an der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches mit, was seine Karriere festigt. Mit einem Jahresgehalt von 5400 Mark kennt die Familie keine finanziellen Sorgen. Noch dazu erbt Wilhelm Ditzen mehr als 100.000 Mark von seinem Vater.
In der Schule wird Rudolf gedemütigt, einige Lehrer mögen ihn nicht. Bald prägt die Angst vor Schülern und Lehrern seinen Alltag. Rudolf reagiert mit Krankheiten.
1909, Rudolf soll seine Aufnahmeprüfung für die Obersekunda ablegen, hatte er einen Unfall, in dessen Heilungsprozess er mit Morphium behandelt wurde.
Mir scheint Rudolf gestört. Die, die er gerne hat - seien es Tiere oder Menschen - die quält er auch gerne. Den Eltern einer Freundin lässt er durch einen Freund verletzende Briefe zukommen. Mit noch einem Freund beschießt er, sich selbst in einem Duell zu töten. Der Freund stirbt, Rudolf schießt sich danach zweimal in die Brust, überlebt aber.
Im Sommer 1917 schreibt Rudolf einer Freundin, dass er Genüsse braucht, die Vergessen machen. Ein Freund besorgt Morphium und schon bald ist er abhängig.
Besagte Freundin ist es auch, die ihm nahelegt, über seine Kinder- und Jugendzeit zu schreiben. Und so entsteht sein Debüt "Der junge Godeschal".
Der Vater finanziert ihm eine Auszeit, um herauszufinden, wohin er gehöre: Zur Literatur oder in die Landwirtschaft. Einzige Bedingung, die der Vater stellt: Rudolf möge Berlin verlassen und wenn sein Buch erscheint, dann bitte unter einem anderen Namen.
Gefühlsmäßig scheint Rudolf hin- und hergerissen: Einerseits schreibt er, was er sich für Sorgen um die Eltern macht, andererseits scheint er deren Tod herbeireden zu wollen, um wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen zu können und seinen Traum von einem Gut in landschaftlich schöner Gegend verwirklichen zu können.
1919 ein Selbstmordversuch.
Spätestens, als Rudolf sich weigert, seine Schulden der Freundin zurückzuzahlen, obwohl er die Mittel hatte, denke ich fast: Er ist einfach nur ein egoistischer, selbtbezogener, ungehobelter Mensch. Dass er es nach Jahren dann doch tut, mag fast nichts an meiner Meinung ändern.
Sein "Goedeschal"-Buch wird von Rowohlt angenommen, erscheint im Januar 1920 und Rudolf legt sich den Künstlernamen Hans Fallada zu.