Das Buch habe ich schon vor einigen Tagen beendet:
Eugen Herman-Friede hatte noch einen gewissen Schutz. Seine Mutter war mit einem Arier verheiratet. Er war so in der Familie der einzige, der den verhassten Stern tragen musste. Doch mit seinen sechzehn Jahren interessierte er sich vor allem für Mädchen.
Allerdings ist sein leiblicher Vater Jude und so wusste Eugen, dass es ihn mit wenigstens 21 Jahren auch treffen würde.
Im Sommer 1942 wurden alle jüdischen Schulen geschlossen, so war klar, dass das Naziregime eine Zukunft ohne jüdische Kinder plant. Eugen musste Zwangsarbeit auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee verrichten. Das war nicht so schwer. Viel deprimierender war der Weg, den er täglich mit seinem Stern durch Berlin gehen musste. Wege bis sieben Kilometer mussten Juden zu Fuß gehen. Erst ab da durften sie öffentliche Verkehrsmittel nutzen.
Eines Abends an der Straßenbahnhaltestelle trat ein Mann in Ledermantel und Schlapphut auf Eugen zu, riss ihm den Stern herunter und sagte, er sei nicht vorschriftsmäßig angebracht. Er notierte sich Namen und Adresse von Eugen, womit sein Schicksal besiegelt schien. Die Eltern überlegten nun, wie sie Eugen retten können. Der Stiefvater hörte sich bei Freunden und Bekannten um, ob jemand bereit wäre, Eugen aufzunehmen.
Ruth Arndt Gumpel vertraute auf ein Netzwerk von Helfern. Oft musste sie die Nacht auf der Straße verbringen. Um keinen Verdacht zu erregen, suchte sie die ihr genannte Wohnung erst auf, wenn die Nachbarn zur Arbeit waren. Das war angenehmer, als den ganzen Tag auf der Straße zu sein und so zu tun, als wäre man geschäftig unterwegs, während man in Wirklichkeit nicht wusste, wohin mit sich.
Für die jungen Männer war das noch gefährlicher. All diejenigen, die nicht uniformiert unterwegs waren, mussten Gefahr laufen, kontrolliert zu werden.
Dr. Joseph Goebbels' Gedanken zur Massenverhaftung am 27. Februar - erhalten in seinem Tagebuch (11. März 1943): "Im Ganzen sind wir 4000 Juden dabei nicht habhaft geworden. Sie treiben sich jetzt wohnungs- und anmeldungslos in Berlin herum und bilden natürlich für die Öffentlichkeit eine große Gefahr."
Wie "gefährlich" die Juden waren, bekamen schon die Kleinen in ihren Büchern zu lesen. Hier ein Auszug aus dem antisemitischen Kinderbuch "Der Giftpilz" von Ernst Hiemer (Schriftsteller, Lehrer und während der Zeit des Nationalsozialismus Vertrauensmann der Reichspressekammer beim Landeskulturverwalter des Gaues Schwaben):
"Schau, Franz, vor den schlechten Menschen muß man sich in Acht nehmen wie vor Giftpilzen. Und weißt Du, wer diese schlechten Menschen, diese Giftpilze der Menschheit sind?" fragt die Mutter.
Franz wirft sich stolz in die Brust "Jawohl, Mutter! Das weiß ich. Es sind die Juden. Unser Lehrer hat uns das schon oft in der Schule gesagt." Lachend klopft die Mutter ihrem Franz auf die Schulter. "Donnerwetter, du bist ja ein ganz gescheiter Junge!" und dann wird sie ernst "Wie ein einziger Giftpilz eine ganze Familie töten kann, so kann ein einziger Jude ein ganzes Dorf, eine ganze Stadt, ja sogar ein ganzes Volk vernichten." - Franz hat die Mutter verstanden."
In der Folge lernen wir noch die Helfer kennen und erfahren, welches Risiko sie eingingen, wie die Gestapo ihre Jagd auf die Untergetauchten organisierte und wie sich Juden und Nichtjuden zur Wehr setzten.
2000 Berliner Juden haben überlebt und erfahren, was aus ihren deportierten Leidensgenossen wurde.
Ende