Hallo Maria,
Ich habe den Artikel in der FAZ gelesen, und es hat mich in meiner Überzeugung bestärkt, daß Neuübersetzungen dieser Art nicht nur überflüssig, sondern nachtteilig für die Literatur, Leser und eine ganze Kultur sind. Denn literarische Werke sind nun einmal das Produkt einer bestimmten Epoche eines bestimmten Kulturkreises und spiegeln durch die Wahl ihrer Gestaltung und Sprache (ja, auch durch die Gestaltung der jeweiligen Übersetzung) ein bestimmtes Weltbild wider: gleichermaßen das des Autors wie das des Übersetzers.
Wie der FAZ-Artikel veranschaulicht, sind die aktuellen Übersetzer z.B. bemüht gewesen, "rassistische Klischees zu mildern" - hier hat die politische Korrektheit (so manchen Deutschen liebstes Kind, selbst um jeden Preis, selbst wenn unsinnig) des 21. Jahrhunderts das Ruder ergriffen. Was soll das? Da schrieb eine Autorin in den USA in den 1930er Jahren eine Geschichte, die im amerikanischen Süden der 1860er Jahre handelt, und jetzt wird der Roman sprachlich umgedeutet, um besser in das Weltbild der deutschsprachigen Leserschaft des 21. Jahrhunderts zu passen! Denn für das sprachliche Verständnis wären diese Änderungen nicht notwendig gewesen, so weit haben wir uns noch nicht von der Sprache der 1930er Jahre entfernt, daß wir sie heute nicht mehr verstehen würden. Aber daß nun einmal jeder Verfasser seinen eigenen Sprachstil hat -jede seiner Figuren noch dazu- und man vor 80 oder 150 Jahren andere Ausdrücke verwendet hat, sollte gerade bei jenen, die auf sprachlich-literarischem Gebiet tätig sind -wie Übersetzer- doch bewußt sein. Durch den Einsatz von Redewendungen und Ausdrucksweisen von Gruppen unserer gegenwärtigen Sprecherschaft verfälschen sie also leider nur unnötig -und wissentlich!- ein historisches literarisches Werk und werden der Arbeit der Autorin in keiner Weise gerecht.
Was ich aber gutheiße, sind korrekt wieder ein- und ausgeführte Passagen, die offenbar (laut FAZ) in der bisher einzigen deutschen Übersetzung (zeitnah zur Veröffentlichung des Originals 1937 erschienen) gekürzt oder ganz weggelassen worden sind (ist mir zwar nicht groß aufgefallen, als ich den Roman las - bei gut 1000 Seiten waren wohl keine allzu langen Passagen betroffen). Denn diese Aussparungen können, besonders unter Berücksichtigungen der damaligen Zeit, immerhin auch durch zeitgenössische Umstände und Weltbilder der 1930er in Deutschland begründet gewesen sein.
Ich wünsche mir beim Thema "Übersetzungen im Bereich Fiktion" einfach genau dieselben Leitsätze wie bei der Arbeit an Fach- und Sachliteratur oder historischen Dokumenten. Kein seriöser Übersetzer, der sein Handwerk beherrscht, würde schließlich die Rede eines Politikers aus den 1930er Jahren in dieser Art und Weise "modernisieren", selbst wenn dem heutigen Leser oder Hörer die sich darin widerspiegelnden Werte und Weltbilder genauso wenig oder noch weniger begreiflich wären.
Vom Winde verweht - ein weiteres Opfer der inzwischen zur Doktrin erhobenen "politischen Korrektheit", die, in dieser Maßlosigkeit angewendet, einfach nur eine völlige Verfälschung der gegenwärtigen Wirklichkeit und irgendwann die Verfälschung der Geschichte ist.
Gruß,
Trixie