Lange habe ich nicht berichtet. Bevor das Lesejahr zu Ende geht, noch ein paar Worte zu meinem Lesestoff der letzten Zeit:
Maeve Brennan - Mr. und Mrs. Derdon: Die Erzählungen haben mir sehr gefallen, und sie haben mein Interesse für die Autorin geweckt. Ich habe mir ihre sämtlichen Erzählungen bestellt, direkt beim Steidl-Verlag, die noch eine ganz tolle Ausgabe in diesem
Schuber verkaufen, die ich sonst nirgends gefunden habe (nur eine ähnliche).
Sehr intim erzählt sie von dem Ehepaar Mr. und Mrs. Derdon. Die sechs Erzählungen erstrecken sich über die gesamte Ehezeit. Maeve Brennan hat sie über einen langen Zeitraum hinweg (nicht chronologisch) geschrieben. In diesem Band sind sie in eine chronologische Ordnung gebracht, vom Kennenlernen bis zum Tod einer der beiden. Sie rückt mal ihr, mal ihm nahe, und zeigt zwei Menschen, die nicht aus ihrer Haut können. Beide bleiben sich fremd, ja, es baut sich sogar eine gegenseitige Verachtung auf. Sympathisch sind beide nicht, aber menschlich (vermutlich bedingt das eine das andere oftmals, sehr schön eingefangen). Ein sehr ehrlicher und somit vollkommen intimer Blick.
Leon de Winter - Ein gutes Herz: Ich habe einige seiner Romane damals sehr genossen („Leon de Winter“, „Sokolows Universum“, „Hoffmans Hunger“, „Malibu“). „Ein gutes Herz“ war nicht mein Fall. Da dieser Roman von de Winter gute Kritiken bekommen hat, und auch geschrieben wurde, dass dies endlich wieder ein richtig guter de Winter, vielleicht sein bestes, sei, vermute ich, dass meine Zeit mit diesem Autor vielleicht einfach vorbei ist. Das ist nicht schlimm. Man entwickelt sich ja; auch als Leser. Aber interessant das an sich zu beobachten. Vielleicht lese ich in die alten Romane noch mal rein, um mich zu vergewissern, dass das der Grund ist.
Dag Solstad - Professor Andersens Nacht: Dieses Jahr las ich von dem norwegischen Autor bereits „T. Singer“. Auch „Professor Andersens Nacht“ war wieder eine interessante Leseerfahrung. Der alleinlebende Professor Andersen beobachtet an Weihnachten durchs Fenster einen Mord in einer der gegenüberliegenden Wohnungen. Er meldet es nicht. Und verstrickt sich in seinen Gedanken um Themen wie Schuldgefühle, Religion, Vergänglichkeit (hier auch besonders Vergänglichkeit der Literatur). Interessante Gedanken.
Anne Meredith - Das Geheimnis der Grays: Ich liebe es in der Adventszeit einen Weihnachtskrimi zu lesen. Dieser Krimi-Klassiker aus dem Jahr 1933 liegt erstmalig auf Deutsch vor. Der Originaltitel („Portrait of a Murderer“) hätte besser gepasst.
Dies ist kein Whodunit. Das besondere an diesem Krimi ist, dass er andersherum erzählt wird. Wir lernen die Familie Gray kennen. Dann geschieht der Mord, und der Leser weiß wer es ist. Die psychologische Spannung des Romans bezieht sich daraus, dass der Leser den Mörder während der Befragungen und Ermittlungen begleitet. Und so seine Motive verfolgen kann, ebenso wie die Versuche dem Galgen zu entkommen.
Im Nachwort erfährt man noch Interessantes zur Autorin (eigentlich Lucy Beatrice Malleson), die besonders mit Veröffentlichungen unter verschiedenen Pseudonymen sehr erfolgreich war, und anlässlich ihres Krimis „Portrait of a Murderer“ Mitglied im Detection Club war, dem auch Agatha Christie und Dorothy L. Sayers angehörten.
George Saunders - Fuchs 8: Eine wundervolle kleine Geschichte über uns Menschen, die sehr zum Nachdenken anregt, und berechtigte Fragen an uns stell. In mir wird diese Geschichte von Fuchs 8 noch lange nachhallen. Zudem ist sie bezaubernd erzählt. Genau das richtige Büchlein zum Jahresausklang.