Allgemeine Panik habe ich beendet, jetzt muss ich erst mal wieder auftauchen aus dem Hollywood der 50er Jahre, und mich loslösen von Freddy Otash. Das ist gar nicht so einfach, denn das war ein wirklich intensives Leseerlebnis, bei dem Wahrheit und Fiktion nicht voneinander trennbar sind. Parallel zum Buch konnte ich es nicht lassen, immer wieder im Internet zu recherchieren, um näheres über die zahlreichen Details über die Stars und Sternchen, und den Wahrheitsgehalt mancher geschilderten Verbindungen und Verbrechen zu überprüfen. Mal geriet ich in Erstaunen, da
James Ellroy der Wahrheit so nahe kommt, mal verläuft eine Spur ins Leere, oder lässt sich gar widerlegen. So verwischt Ellroys Hollywood mit dem echten Hollywood, und Ellroys Otash mit dem realen Otash. Um dem wahren Otash und seinen Enthüllungen näher zu kommen, würde ich zu gern seine Memoiren [i]Investigation Hollywood[/b] lesen, doch leider gibt es keine Übersetzung ins Deutsche, und die englischsprachige Originalausgabe ist längst vergriffen und nur noch für horrende Preise zu bekommen.
Interessante weitere Hinweise finden sich im
Wikipedia-Eintrag unter „Verweise“ und „Externe Links“. Man erfährt dort u. a. mehr über das Material, das Fred Otash hinterlassen hat, sowie dass James Ellroy Fred Otash zu Lebzeiten mehrmals begegnet ist, und auch wie Otashs Tochter zu Ellroys fiktiven Otash steht. Interessant, denn die Frage stellt man sich beim Lesen des Romans unweigerlich. Sie ist natürlich nicht einverstanden damit. Sie sagt auch, dass die Wirklichkeit viel interessanter sei als die Fiktion. Das ist auch ein Eindruck, der sich bei mir während des Lesens des Romans immer mehr verdichtete. Im Verlauf der Handlung spürt man bei paralleler Recherche im Internet manche falsche Fährte auf. Doch anstatt das es mich enttäuscht hat, hat es in mir den Gedanken heraufbeschworen, dass es sich zu einem Großteil zwar nicht genauso zugetragen hat, wie von James Ellroy geschildert, aber dass sich in Hollywood vermutlich genauso viele genauso atemberaubende Geschichten tatsächlich ereignet haben. Auf manche dieser Geschichten bin ich im Internet gestoßen. Sie bleiben bei Ellroy unerwähnt, machen aber genauso fassungslos wie die Geschichten, die der Autor den Prominenten andichtet. Man darf sich vermutlich sicher sein, dass das wahre Hollywood dem Hollywood Ellroys in Verdorbenheit in absolut nichts nachsteht! So ist Ellroys Hollywood sicher ein Abziehbild des wirklichen Hollywood.
Was ich auch bemerkenswert finde ist, dass James Ellroy mit Freddy Otash eine Figur erschaffen hat, die wirklich zu Recht im Fegefeuer verweilt. Wie Otash selbst in dem Roman über sich sagt, ist er ein Spitzel, eine Ratte, eine Petze, ein Erpresser und alles mögliche sonst noch. Da steht er dem wahren Otash vermutlich in nichts nach, wie man zahlreichen Berichten entnehmen kann. Und trotzdem schafft es Ellroy, dass man Freddy mag, ohne dass er ihm irgendwelche nicht existierenden guten Eigenschaften zuschreibt, um ihn charakterlich aufzuwerten. Das ist schon toll, wie ihm das gelingt! Er hat mich für seine Figur (und den wahren Otash dahinter) eingenommen und fasziniert.
Nun freue ich mich auf den 27.06.2024, da erscheint „Die Bezauberer“ und Freddy Otash erzählt darin von seinen Verwicklungen in den Tod von Marilyn Monroe. Da der echte Fred Otash ebenfalls mehrfach in die Affäre auf atemberaubende Weise verwickelt war, bin ich darauf ganz besonders gespannt!
Sollte ich die Wartezeit nicht aushalten, so gibt es von James Ellroy ja noch viele andere Romane zu entdecken, in denen er teilweise ebenfalls Bezug auf reale Personen und Ereignisse nimmt. Mir erscheint eines interessanter als das andere. Was für eine (späte) Entdeckung für mich!