von Didonia » Di 17. Dez 2024, 13:20
Und dann kommt doch, was die Mutter prophezeit hat: Jürgen trennt sich von Gertrud. Sie ist nicht die Richtige für seine Kinder. Sie soll doch mal daran denken, woher sie kommt. Als sie ihm eröffnet, dass sie von ihm schwanger ist, beschuldigt er sie der Erpressung. Doch er will für das Kind zahlen und 5000 Mark Aussteuer geben. Aber Gertrud hat ihren Stolz: "Ich weiß nicht, ob ich schön gewesen bin, als ich in dein Haus kam, aber jung bin ich gewesen. Ich laß meine Jugend auf diesem Hof zurück, eine Menge von meiner Kraft, ich laß zurück, was ich für die Liebe gehalten habe, und das ist das bitterste. Alles will ich hierlassen, aber nicht mein letztes bisschen Menschenwürde, die laß ich mir nicht abkaufen für ein paar tausend Mark."
Sie verlangt von Jürgen, dass er ihr die Hochzeit mit Kalluweit ausrichtet, auf seinem Hof. Dass er alle Leute, die was auf sich halten, einlädt - Bauern, Händler. Er wird sie in Ehren gehen lassen. Und es wird ihm leid tun, dass sie geht. "Du weiß doch, wie man schöne Worte macht. So wirst du mich los, Jürgen Leßtorff, anders nicht."
Und er staunt nicht schlecht, und denkt, eine Frau mit dieser Charakterstärke wäre die rechte. Als er auf sie zugeht, weist sie ihn angewidert ab.
Für eine kurze Übergangszeit lebt Gertrud bei ihrem Mann Kalluweit, der überhaupt nicht auf Familie eingerichtet ist. Er will aber in den von den Nazis okkupierten Gebieten Polens einen Hof übernehmen.
Aber dort ist nichts vorbereitet. Und so erleben sie hautnah die Vertreibung der polnischen Bauern mit. Plötzlich hat sie ein Mädchen bei der Hand, dessen Mutter verschwunden ist. Sie sieht, wie die Menschen in Waggons gehievt wurden, gerät irrtümlicherweise in einen mit rein, weil sie dachte, sie findet dort die Mutter des jüdischen Mädchens. Nur weil sie Krach schlägt und die Polen mitmachen, kann sie entkommen. Das Mädchen nimmt sie zu sich.
Jedoch - sie braucht Papiere für das Kind. Da kann ihr nur Leßtorff helfen. Sie muss aber noch einen Jungen mit aufnehmen. So kehrt sie mit zwei Kindern nach Hause zurück. Kalluweit meldet sich freiwillig an die Front. Er sieht mit Gertrud kein Zusammenleben. Als letzten "Liebesbeweis" unterschreibt er ihr noch die Adoptionspapiere.
Ein Bleiben auf dem Hof ist dann jedoch nicht mehr möglich für Gertrud. Die russische Front kommt immer näher, und so macht sie sich mit den Kindern auf die beschwerliche Flucht. Mitten im Winter.
Als Gertrud in ihrem Heimatdorf ankommt, hat sie gar noch einen Säugling bei sich. Und der Krieg ist zu Ende. Mit den drei Kindern kommt sie erst mal bei der Mutter in der ollen Kate unter. Doch wie die Kinder durchbringen. Bürgermeister Willi Heyer, der es geschafft hat, aus einem KZ zu entfliehen, beschlagnahmt die Kühe der Großbauern, um dem Elend abzuhelfen.
Der Leßtorffhof war immer noch stattlich anzusehen. Auf ihm hatten Zwangsarbeiter - Frauen wie Männer - gearbeitet. Die hatten noch Glück im Unglück. Die alte Herrin behandelte sie manierlich und es gab genügend zu essen. So kam es hier nicht, wie andernorts, zu Gewaltübergriffen vonseiten der Gefangenen.
Eine Zeitlang nach Kriegsende gab es hier Plünderer, die ihr Schafe und Hühner stahlen. So war sie fast froh, als die Russen kamen.
Jürgen Leßtorff kehrt aus dem Krieg zurück. Die alten Kräfte im Dorf wollen die demokratische Entwicklung nicht hinnehmen. Seine Mutter denkt, weil sie den Hof und satt zu essen haben, geht das Leben weiter wie vor dem Krieg.
"Du hast keine Ahnung, was in diesem Krieg vorgegangen ist. Hitler hat uns Berge von Schuld aufgeladen, ich kann es bezeugen, und ich sage dir, nach dieser Niederlage kann kein Deutscher dem Gegner die Hand hinreichen wie nach einem verlorenen Tennismatch. Hat sich mancher so vorgestellt, Handschlag, Strich unter die Rechnung und dann gemeinsam gegen die Bolschewiken. Von wegen, die sind sich alle einig.
Was kümmert dich die Welt, meinte die Mutter. Du hast den Hof."
Doch Leßtorff will nicht nach dem Vorbild der Alten leben.
"Eine Versuchung wird man nur los, indem man ihr nachgibt."
Markus Gasser
von meinem Lieblingsliteratur-Podcast "Literatur ist alles"