Hallo Maria,
danke für den Hinweis auf diese Biographie. Die FAZ-Rezension von Ulla Hahn, die man über den Perlentaucher-Link erreichen kann, ist ja etwas zwiespältig. Am Schluß schreibt sie:
"Die einzige Antwort: Gertrud Kolmar lesen - vor allem ihre Gedichte. Da hat sie recht.
Im Wallstein-Verlag kam ja vor einiger Zeit eine umfassende dreibändige Werkausgabe von Kolmars Gedichten heraus ("Das lyrische Werk"). Leider ist sie mit einem Preis von etwa 100 Euro nicht so ganz billig, weshalb ich da immer herumgeschlichen bin, sie aber nicht gekauft habe. Inzwischen ist sie anscheinend schon wieder vergriffen.
Hoffentlich wird sie noch einmal nachgedruckt. Bevor ich mir eine weitere Biographie kaufe (die von Dir erwähnte Biographie von Johanna Woltmann habe ich auch), möchte ich mir lieber diese Werkausgabe zulegen. Bislang habe ich nur die 1960 erschienene Werkausgabe, eine erweiterte Ausgabe einer erstmals 1955 erschienenen Sammlung, die ebenfalls den Titel "Das lyrische Werk" trägt. Aber diese alte Werkausgabe ist eben nicht so umfangreich wie die aktuelle und auch nicht auf dem neuesten editorischen Stand.
Bei Wallstein gibt es außerdem eine Ausgabe ihrer Dramen, die muß ich mir auch noch mal kaufen, bevor es sie womöglich nicht mehr gibt.
@Rachel: Ich kann mich Maria nur anschließen: "Susanna" ist wirklich eine sehr beeindruckende und poetische Erzählung.
Bei Wallstein ist auch die Erzählung (oder der Roman, je nachdem wie man es nennen will) "Die jüdische Mutter" erschienen, ebenfalls ein sehr beeindruckender Prosatext, wenn auch mit bedrückender Thematik: Die fünfjährige Tochter einer jungen verwitweten Frau wird Opfer eines Sexualverbrechens, die Mutter findet das verletzte Kind, bringt es ins Krankenhaus, kann aber die körperlichen und vor allem die seelischen Leiden ihres Kindes nicht ertragen und tötet es heimlich im Krankenhaus mit einer Überdosis Schlafmittel. Niemand verdächtigt die Mutter, die Ärzte glauben, das Kind sei an der Folge der Verletzungen gestorben. Danach entwickelt sich dann der eigentliche Kern des Buches: Vom Gedanken an Rache erfüllt macht sich die Mutter auf die Suche nach dem Mann, den sie als Mörder ihres Kindes ansieht. Die Schilderung dieser Frauengestalt fand ich sehr beeindruckend, man leidet als Leser mit ihr mit, aber diese Figur hat gleichzeitig auch etwas Erschreckendes, einerseits handelt sie kaltblütig und überlegt, andererseits scheint sie wie von einer aus der Tiefe der Erde aufsteigenden animalischen Kraft getrieben zu sein. In dem Buch geht es also um diese Frau und ihre Auseinandersetzung mit ihrem Schicksal und ihrer Schuld, deshalb sollte man sich auch nicht von der vielleicht ziemlich abschreckend wirkenden Thematik (Sexualverbrechen an einem Kind) abschrecken lassen, der Täter kommt auch nur am Rande vor, für ihn interessiert sich die Autorin nicht, sie konzentriert sich ganz auf "Die jüdische Mutter", was ja auch der Titel dieses faszinierenden Textes ist, den es übrigens in verschiedenen Ausgaben gibt, aber die Ausgabe aus dem Wallstein-Verlag ist meines Wissens die am sorgfältigsten edierte Ausgabe.
Mit dem Thema "Biographien" hatte das jetzt zwar nur indirekt zu tun: ich wollte nur darauf hinweisen, daß man über den Biographien nicht Gertrud Kolmars eigene Texte vernachlässigen sollte, gerade auch deshalb, weil ihre Werke immer wieder vom Buchmarkt verschwinden, wie ich gerade bei der dreibändigen Lyrik-Werkausgabe feststellen mußte.
Schöne Grüße,
Wolf