Hallo Wolf und Maria,
vorab: Maria - ich finde es klasse, dass Du auch kurze Gedanken hier anbringen magst! Und ich kann es total verstehen, dass es für mehr nicht reicht! Ich hatte in meinem Leben ja auch Phasen (Du hast sehr nah auch eine dieser Phasen bei mir mitbekommen), wo einfach - so sehr ich es auch wollte - kein Platz im Kopf war! Ich kenne das! Also: Nur dann wenn Dir danach ist und auch in dem Umfang wie es Dir gerade behagt und es Dir zur Ablenkung förderlich ist (Ablenkung ist auch oft MEIN Mittel)! Ich freue mich über Deine Teilnahme! Und schließe mich Wolf (der es mal wieder so treffend ausgedrückt hat!): Einzelbeobachtungen sind manchmal intensiver/hilfreicher als ein Gesamteindruck. Das gibt interessante Aspekte! So z. B. schon den ersten:
JMaria hat geschrieben:"....würde mich ein Cowboy davon abbringen können, so viel zu denken." (S. 18)
und wie die Autorin zuvor ihre Gedanken hin und her dreht, bis sie zu diesem Satz kommt.
Doch was sagt mir diese Aussage über die Professorin?
Auch hier hat es Wolf schon so passend erklärt - ich empfand es ganz genauso: Sie wünscht sich ihre ständigen Gedanken abzuschalten. Einfach mal nur zu leben - so wie es ein Cowboy (in ihrer Vorstellung zumindest und auch in dem Allgemeinbild das wir alle von einem Cowboy haben dürften) tut. Denn das viele Denken kann einen auch vom tatsächlichen Leben fernhalten und sogar gänzlich entfernen. Ich selber denke definitiv auch zu viel! Konnte mir das schon ein Stückweit abgewöhnen, aber immer noch: viel zu viel! Und in meinem Leben gab es auch eine Zeit, wo ich von dem vielen Denken weg wollte, hin zum einfach drauflos leben. Einfach sein. Einfach fühlen. Nicht denken - oder nur über die elementaren Dinge. Nicht über die theoretischen. Und einfache Arbeit verrichten. Einfach am leben sein. Körperlicher als es ein Professor tut. Wobei hier der Professor ebenso ein Bild für einen Typus sein könnte. Cowboy = einfach leben. Professor = mehr durch die Gedanken leben.
Da ich diesen Wunsch nach Flucht vor der "Verkopfung" kenne, fand ich es umso schöner und erstaunlicher, wie es jemanden (Lydia Davis) gelingt, diesen Wunsch so abstrakt in Worte zu fassen. Eben durch eine Professorin, die davon träumt einen Cowboy zu heiraten, aber eben nicht weil sie solch einen Mann toll findet, sondern weil sie sich nach einem einfacheren Leben sehnt, in dem sie endlich mal aufhören kann ständig zu denken.
Und der von Dir herausgestellte Satz zeigt auch, dass die Professorin selbst schon erkennt, dass auch ein Cowboy sie nicht abhalten könnte. Oder nur sehr bedingt. Das bloße heiraten eines Cowboys macht ja auch IHR (!) keinen anderen Menschen. Sie müsste sich schon was von einem Cowboy abgucken! Das ginge ja sogar ohne heiraten. Dann könnte sie daran arbeiten, weniger zu denken. Mal bewusst abzuschalten. Und einen Kontrast zu leben, z. B. indem sie sich in der Natur aufhält und körperliche, einfache Dinge arbeitet.
Noch absurder wird das Ganze natürlich, wie Wolf so schön sagte, dadurch, dass es hier wiederum um einen ERDACHTEN Cowboy geht! Das ist ja genau ihr Problem: sie denkt zuviel. Und selbst den Cowboy erdenkt sie sich. Schöne Beobachtung!
Und weil ich es so treffend formuliert finde, hier noch ein Zitat von Wolf. Denn genau so habe ich es beim lesen auch empfunden, sicher weil ich selbst schon öfters über das Thema "zu viel denken - zu wenig wirklich leben" nachgedacht habe:
Wolf hat geschrieben:Durch ständiges Reflektieren werden Dinge und Gefühle relativiert und in Frage gestellt, wodurch sie an Bedeutung und Wert verlieren können.
Ganz genau! Danke für die tolle Formulierung!
Wolf hat geschrieben:Ein "Professor" kann die Dinge nicht so nehmen wie sie sind, er ist eben kein "Cowboy".
Ebenfalls: Vollste Zustimmung! Es wird was erlebt und man zerdenkt es! Es verändert sich. Die ursprünglichen Emotionen werden relativiert. Und überhaupt: Man kann als zu viel denkender Mensch Momente gar nicht mehr bewusst genießen und empfinden. Ich will für mich selbst auf jeden Fall immer versuchen da ein bisschen gegenzusteuern! Denn ich merke das, was Lydia Davis hier beschreibt, selbst oft! Und finde es auch störend und bedauerlich!
Sehr interessant fand ich auch Deine Idee zur Titelgebung, Wolf! Richtig... da bin ich gar nicht drauf gekommen! Aber Du hast Recht: Im Original wird sicher sie selbst mit "Der Professor" gemeint sein. Schade, dass man das nicht gründlicher hinterfragen kann. Denn wäre ja interessant, wie Lydia Davis den Titel gemeint hat. Und ob er dann vielleicht nicht so ganz richtig übersetzt ist.
Wolf hat geschrieben:Witzig fand ich die Stelle gegen Ende, wo die Ich-Erzählerin schreibt, daß sie sich inzwischen so an die Gesellschaft ihres Mannes gewöhnt habe, daß sie ihn wohl mitnehmen würde, wenn sie tatsächlich mal einen Cowboy heiraten sollte.
Ja, zumal es der Erzählung auch einen schönen Abschluss gibt. Einen Abschluss der besagt, dass sie zwar von diesem Leben (Cowboy) träumt, aber dass es nicht mehr so absolut ist. Es ist keine tief empfundene Verzweiflung, sondern ein gelegentliches Bedauern. So ganz aufgeben würde sie ihre Lebensweise (eben viel auf geistiger Ebene) nicht mehr wollen. So wacht man - mit der Professorin gemeinsam - aus diesen Träumen auf und findet sich in ihrer Realität wieder, die nicht so schlimm ist.
Ich merke jetzt schon, wie sehr mir der Austausch zu Lydia Davis mit Euch gefällt! Denn alleine verarbeitet man (ich zumindest) die Geschichten sonst doch flüchtiger.
Und da wir alle im Moment viel um die Ohren haben, sei noch mal gesagt: Wenn mal jemand von uns grad nicht dazu kommt, dann ist es ja nicht schlimm. Dann läuft die Diskussion mal etwas zeitversetzt. Wenn also mal eine Antwort zu einer Erzählung etwas länger auf sich warten lässt, dann wissen wir alle woran es liegt!