Zum Lesen bin ich diese Woche kurz gekommen, nur das Schreiben fällt mir schwer.
Einige Gedanken
zum ersten Buch:
Es ist viel mehr als bloss die Geschichte Dorotheas Heirat mit Casaubon, George Eliot beschreibt ein wunderbares Kaleidoskop Kleinstädtischer Charaktere, sie überblickt das subtile soziale Gefüge Mitte des 19. Jahrhunderts in England, aber auch das Menschliche in ihren Protagonisten. Dadurch wird
Middlemarch auch zu dem universellen Roman der Weltliteratur, den ich gerade mit so viel Vergnügen lese.
Dorothea wie auch Casaubon, später der junge Arzt Tertius Lydgate wie auch die Bürgermeistertochter Rosamond Vincy, sie alle erträumen sich ein zukünftiges Leben, wollen es aber nicht in Worte fassen.
Dorothea möchte lernen, lernen und nochmals lernen, zeigt grosses Interesse an der Religion. Sie will nicht nur eine Ehefrau an der Seite eines vermögenden Manns sein, sie möchte ihm einfach auch in seinen Studien zur Seite stehen. In ihrem jugendlichen Eifer bemerkt sie nicht die geistige Sterilität Casaubons. Ihre Schwester Celia besitzt eine viel bessere Beobachtungsgabe, ist durch keinen Eifer geblendet. Dorotheas Verhalten birgt den Keim eines späteren Scheiterns in sich, eine universelle menschliche Verhaltensweise.
George Eliot zeigt uns auch, an Hand des Paares Dorothea mit Sir James Chettam, wie sich eine offene Freundschaft zwischen zwei Menschen entwickeln kann, nachdem die sexuelle Spannung sich gelöst hat (Kapitel 8). Diese Passage dünkte mich sehr modern für das England der 1830er Jahre. Wie denkst Du darüber, Maria?
Ein wunderbar amüsant zu lesendes Kapitel ist die Dinner Party bei den Brookes (Kapitel 10). Da zeigt sich doch mal wieder was für Klatschbasen Männer sein können
George Eliot verfeinert die Zeichnung des sozialen Umfelds in dem sich der Roman bewegt und verweist auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge der Familien Middlemarchs. Natürlich bringt auch dieses wirtschaftliche und soziale Familiengeflecht Sprengstoff mit sich. Bankiers, Honoratioren, Grossbürgertum… Fred Vincys unvorsichtiger Umgang mit Geld, Mary Garths offene Opposition ihm gegenüber.
Interessant ist auch immer wieder wie George Eliot die Hauptprotagonisten von verschiedenen Seiten aus beleuchtet. Der allwissende Erzähler gibt nicht nur deren Gedanken wieder, sondern Nachbarn, Geschäftspartnern, Familienmitgliedern geben alle ihre Meinung ab. Das bringt definitiv das Romanpersonal dem Leser näher. Zum Beispiel wird Casaubon Persönlichkeit neben Dorothea auch von Celia, Mr. Brooke, Chettam, den Cadwalladers und natürlich über seine eigenen Bedenken gezeichnet.
Neue Personen tauchen auf, es ist absehbar, dass ihre Geschichte in den nächsten Büchern dargestellt wird. Neben Dorothea und Casaubon bin ich gespannt auf Fred und Mary, auf Lydgate und Rosamond, Celia, Chattam, aber auch über Bulstrodes, dem religiösen Bankier und Schwager des Bürgermeisters möchte ich mehr erfahren. Selbst die nebengestalten machen Laune, sind sie doch häufig von Ironie und Satire begleitet, so wie die Cadwalladers und des Bürgermeisters Schwester, Mrs. Waude.