Hallo Hermy,
@Steffi,
ich glaube, der Roman ist eine Bereicherung und diese Lücke in der englischen Literatur wollte ich ja schon lange schließen.
Im 1. Kapitel des 1. Buchs werden 2 verwaiste Schwestern im Teenyalter vorgestellt, Dorothea und Celia Brooke, die bei ihrem Onkel aufwachsen. Einige Sätze haben mich sehr hellhörig werden lassen; will GE den Leser mit der Genderfrage konfrontieren und auf die Lebensbedingungen der Frauen eingehen?
„ Women were expected to have weak opinions; but the great safeguard of society and of domestic life was, that opinions were not acted on.”
Sicher und glücklicherweise zeigt der 2. Teil des Satzes gleich auch den Humor von GE. Ich mag diesen Schreibstil.
ich wurde auch hellhörig. Im Grunde gibt GE bereits im 1. Kapitel subtil den Weg vor; der Leser erfährt, dass Dorothea Brooke sich einen älteren Mann wünscht, der sie führt, wie ein Vater, ein Mann der ihr hebräisch beibringen könnte, was für sie ein vollkommenes Leben bedeuten würde.
Sie hat Ideale, wenn man an ihr Bauprojekt denkt, modern, zeitgemäß, ist aber vollkommen naiv. Ihr fehlt eindeutig die weibliche Hand in der Erziehung, die ihr mehr auf die praktische Seite des Lebens hinweist. Die Vernunft fehlt ihr und leider bekommt sie ihre Gefühle nicht in den Griff, sie neigt zu schwarzweiß denken. Celia ist ihr Cherub und Dorn in derselben Sekunde. So sehr schwankt sie. Doch muß man ihr junges Alter sehen, wie alt ist sie zu Beginn der Geschichte? 18 Jahre?
Es stecken soviele Hinweise in den ersten 5 Kapitel, dass ich kaum weiß wo beginnen. Dodo, wie ihre Schwester Celia sie nennt, will nicht sehen, dass Casaubons in einer Zeit stecken blieb, die nichts vom Umbruch der Zeit zeigt. Ihr Onkel weist sie darauf hin, dass in einer Ehe alles anders ist, da ist der Mann nun mal der Herr, auch unter guten Voraussetzungen.
Zum Text:
manchmal empfinde ich die Übersetzung etwas seltsam, z.B. im 3. Kapitel:
Es schien Mr. Casaubon nicht einmal bewußt zu sein, daß es Trivialitäten überhaupt gibt, und niemals reichte er das Geschwätz schwerfälliger Männer herum, das ebenso unangenehmbar ist wie altbackener Hochezitskuchen, der nach Schrank riecht.Ich vermute, im englischen ist das ein gängiger Spruch, dass etwas nach Schrank riecht, vielleicht gibt es im deutschen kein adäquater Spruch. Mir fällt so spontan nichts ein.
ebenfalls im 3. Kapitel ist dieser Satz, den ich nicht verstehe:
..." Ich glaube, anstelle von Lazarus am Tor sollten sie die Schweinestaälle von Häusern außen am Parktor aufstellen. Zur Geschichte:
zwischen den Zeilen bemerkt man, dass doch ein gewisser Umbruch herrschte. Die Emanzipation der Katholiken ist im Gespräch der Landbevölkerung; Mr Brooke ist wohl für eine Strafrechtreform wenn es um die Todesstrafe für Schafsdiebstahl geht; Gedanken um den Wachstum der Pflanzen um den bestmöglichen Ertrag zu erlangen usw..
Zeitgeschichtlich gibt Middlemarch doch sehr gut dosierten Einblick.
Hermy,
den Humor von GE mag ich auch, z.B. die Gedanken von Sir James, der um die Hand von Dorothea anhalten möchte und ihr ruhig eine Überlegenheit zugesteht, bleibt sie dennoch NUR eine Frau ....
Sir James hatte dieses Urteil nicht selber erfunden; doch eine gütige Vorsehung versorgt auch die schlappste Persönlichkeit mit ein wenig Stoff und Kleister in Form von Tradition. (2. Kapitel)
Die litarischen Einleitungen vor jedem Kapitel gefallen mir sehr, besonders den von Cervantes .... "Siehst du den feinen Herren, der sich uns auf einem Apfelschimmel nähert und einen goldenen Helm trägt? .... "Was ich sehe" , antwortete Sancho, "ist nichts anderes als ein Mann auf einem grauen Esel wie mein eigener....[/i]
Viele Grüße
Maria