Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

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Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

Beitragvon JMaria » Mi 21. Feb 2024, 16:29


in der Übersetzung von Antje Ravik Strubel

Hallo zusammen

Steffi und ich beginnen am Wochenende 24.02.24 die Leserunde. Wer mitmachen möchte, ist herzlich eingeladen.

Da wir bereits vor Jahren das Buch in der Übersetzung von Karin Kersten gelesen haben, möchten wir nun die Neuübersetzung hernehmen.

Hier ein paar informative Links u.a. auch über die diversen Übersetzungen:
https://www.tralalit.de/2022/11/28/zum-leuchtturm/
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Fahrt_zum_Leuchtturm

Virginia Woolf (1882 -1941)
https://de.wikipedia.org/wiki/Virginia_Woolf

Ich freue mich dieses Buch wieder zu lesen, das zu meinen Lieblingsbücher zählt.
Schöne Grüße, Maria
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

Beitragvon steffi » Do 22. Feb 2024, 10:28

Danke fürs Eröffnen. Ich bin schon sehr gespannt, ob sich das Lesegefühl bei der neuen Übersetzung ändert. Es ist auch mein Lieblingsroman der Autorin und ich freue mich, ihn nach so langer Zeit wieder zu lesen !
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

Beitragvon JMaria » So 25. Feb 2024, 14:03

Hallo Steffi,

I „Fenster“
Kapitel 1-3

Auf wenigen Seiten hat VW hier die viktorianische Familie gekonnt porträtiert:
Mr und Mrs Ramsay und ihre 8 Kinder und eine Menge Besucher.

Mr Ramsay bestimmend, die schreckliche Wahrheit aussprechend, dass es am nächsten Tag keine Fahrt zum Leuchtturm gibt und James, seinem 6 jährigen Sohn, damit Hassgefühle heraufbeschwört.

Mrs Ramsay schlichtend, positiv, ausgleichend, dass vielleicht doch das Wetter mitspielen mag und so strickt sie an den Socken weiter, die sie dem Leuchtturmwärter und seiner Familie mitschicken möchte. Sie widmet sich den Armen und Bedürftigen, führt auch eine Tabelle, um vom gewöhnlichen Kümmern hin zu einer Forscherin in der sozialen Frage zu werden. Für sie ist der Gang ins Dorf auch eher eine Expedition.

Die Perspektive ist interessant.
Teil I wird „Fenster“ betitelt.

Mrs Ramsay und Kinder im Wohnraum. Mr Ramsay und Mr Tansley bei der offenen Fenstertüre, aber außerhalb auf der Terrasse. Gehen auf und ab, und auf und ab… Mrs Ramsay beobachtet ihren Mann. Von innen nach außen der Blick.

Später im 3. Kapitel sieht die Malerin Lily Briscoe von draußen ins Fenster rein und malt Mrs Ramsay, die mit ihrem Sohn James wieder im Raum sitzt. Von außen nach Innen.

Wir haben ja schon einiges von VW und über VW gelesen, so dass uns bekannt ist, dass hier Virginia Woolf ihre Familie beschreibt. So gut, dass später ihre Schwester Vanessa sie lobt, dass sie die Toten wieder zum Leben gebracht hat und die Eltern wunderbar porträtiert hat. Auch die Stephen hatten zusammen 8 Kinder.

Das viktorianische Familienleben ist durch strenge Vorschriften geregelt.

„Zum Leuchtturm“ spielt auf den Hebriden, auf der Insel Skye, dort haben die Ramsay ein Sommerhaus.
Die Stephen hatten eine Sommerresidenz namens Talland House von 1882-1894 in St Ives, Cornwall. Eine Zeit und Gegend die Virginia Woolf liebte und sich immer wieder gern heraufbeschwor und sie als Vorlage hernimmt für ihren Roman „To the Lighthouse“.
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

Beitragvon steffi » Mo 26. Feb 2024, 10:19

Ich fand den Einfall, in die ersten Kapitel wie durch ein Fenster herein und heraus zu sehen, sehr spannend. Mir fällt überhaupt auf, dass diese Vermischung von theoretischen Ideen mit dem Bewusstseinsstrom super funktioniert. Neben den Personen, die, wie du schon geschrieben hast, die viktorianische Familie abbilden, sind auch immer wieder Farben und Natur ein Thema. Das gefällt mir auch ganz besonders gut und ist auch in meiner Erinnerung an das Buch sehr präsent.

Erstaunlich finde ich auch, wie schnell wir ein komplexes Bild der Personen bekommen. Charles Tansley, das abscheuliche kleine Männchen oder Lily Briscoe, die Malerin. Es sind aber nicht die Schilderungen eines Erzählers sondern die Gedanken der anderen Protagonisten, die uns diese vermitteln. Der Erzählernkommt nur gelegentlich vor. Das ist schon sehr raffiniert gemacht.

Zur Übersetzung habe ich dies gefunden:

https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q= ... i=89978449

Ich finde Strubels Übersetzung sehr direkt, sehr modern, vielleicht aber nicht so elegant wie die von Karin Kersten.

Ich komme zum 6. Kapitel.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

Beitragvon JMaria » Mo 26. Feb 2024, 15:07

Hallo Steffi,

ich empfehle den Anhang der Übersetzung von Karin Kersten herzunehmen, denn ab dem 3. Kapitel wird doch öfters aus Tennysons Gedicht „ The Charge of the Light Brigade“ zitiert und der Herausgeber Klaus Reichert fand es doch wichtig zum weiteren Verständnis. Im Anhang ist das Gedicht auf englisch, eine wörtliche Übersetzung und eine Übersetzung von Adolf Strodtmann.

Wobei die zitierten Strophen von Antje Ravic Strubel in deutsch erscheinen, bei Karin Kersten in englisch.

„Da hat sich einer geirrt“.
„Someone had blundered“

Ein berührendes Gedicht und so wichtig für die Engländer.

Ich finde Strubels Übersetzung sehr direkt, sehr modern, vielleicht aber nicht so elegant wie die von Karin Kersten.


Mir ist eine Stelle aufgefallen:
Auf S. 14 heißt es bei A. R. Strubel

Verstohlen wie die Diebe verschwanden sie vom Esstisch, sobald das Abendessen vorüber war…

Bei Karin Kersten
Wie die Hirsche stahlen sich, sowie die Mahlzeit vorüber war, …

Original:
Disappearing as stealthily as stags from the dinner-table directly the meal was over, …

Üblich bei uns ist die Redewendung „wie die Diebe“…, aber zu Virginia Woolf Stil passt eher „Hirsche“. Weil mich das an die tierischen Kosenamen in der Familie Stephen erinnert und weil die 8 Kinder gerne aus dem Blickfeld ihrer Mutter wollen, die sie zwar verehren, aber sich dennoch ein anderes Leben vorstellen können.

Aber wie du schreibst… Strubel ist direkter und moderner. Eigentlich mag ich dieses moderne bisher ganz gern, wenn ich auch das elegante von Karin Kersten sehr schätze.

Danke für den Link :daumen_hoch:

… sind auch immer wieder Farben und Natur ein Thema. Das gefällt mir auch ganz besonders gut und ist auch in meiner Erinnerung an das Buch sehr präsent.


Absolut. Ist mir auch noch sehr gut in Erinnerung und dies nun wiederzuentdecken ist wunderbar.

Man könnte im eigenen Garten die erwähnten Pflanzen setzen :breit_grins:

Kapitel 4
Jackmanii
Passionsblume
Pampasgras
Feuerrote Fackellilien

Wobei ich die „Geranien in den Urnen“ Kapitel 6 als „Geranium“ also Storchschnabel identifizieren würde und nicht als Geranien (Pelargonien). Ich habe aber noch nicht im Original nachgelesen ob mein Verdacht richtig ist.
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

Beitragvon steffi » Mi 28. Feb 2024, 10:02

Zum Geranium: in Kapitel 8 sieht Mr Ramsey die hängenden Geranien in der Urne, während er im Original the trailing of red geraniums sieht. Also dürfte es sich doch um Pelargonien handeln, worauf meiner Meinung das rot hinweist. Storchschnabel in rot gibt es eigentlich nicht, sie sind dann eher rot- violett. Ich finde es auch schade, dass Strubel die Farbe nicht in die Übersetzung aufgenommen hat, da eigentlich Farbe schon eine Rolle im Roman spielt.

Danke, dass du Tennyson erwähnt hast. Ich habe mir das Gedicht durchgelesen, es hat einen tollen Rythmus !
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

Beitragvon JMaria » Mi 28. Feb 2024, 12:25

steffi hat geschrieben:Zum Geranium: in Kapitel 8 sieht Mr Ramsey die hängenden Geranien in der Urne, während er im Original the trailing of red geraniums sieht. Also dürfte es sich doch um Pelargonien handeln, worauf meiner Meinung das rot hinweist. Storchschnabel in rot gibt es eigentlich nicht, sie sind dann eher rot- violett. Ich finde es auch schade, dass Strubel die Farbe nicht in die Übersetzung aufgenommen hat, da eigentlich Farbe schon eine Rolle im Roman spielt.

Danke, dass du Tennyson erwähnt hast. Ich habe mir das Gedicht durchgelesen, es hat einen tollen Rythmus !



Super, du hast nachgeschaut!
Du hast recht, rot ist nicht üblich unter Storchschnabel. Dass im Original “red“ steht, ist schon wichtig fürs Verständnis. Farben sind bei Virginia Woolf sowieso sehr symbolträchtig. Man denke nur an den gelben Streifen im Bart von Augustus Carmichael, später stellt es sich als Opium heraus. Außerdem trägt er gelbe Pantoffeln. Ein Symbol des Verfalls wohl.

Ist dir aufgefallen wie verstört die Ehefrau ist, wenn der Gatte aus seinem Gleichgewicht gerät oder durch irgendwas aufgerüttelt wurde (die Szene zwischen Lily und William Banks, in die Mr Ramsay gerät… da hat sich einer geirrt…) und Mrs Ramsay erst wieder aufatmet, als er sich gefangen hatte? Mrs Ramsay ist wirklich ein Beispiel für eine trainierte Viktorianische Ehefrau. Kapitel 7 Da stand er und verlangte Mitgefühl

Das zeigen ihre Gedanken im Kapitel 7. Sie liest James das Märchen vor „vom Fischer und seiner Frau“. Eine Geschichte über das Maßlose Wollen einer Frau. Und sie sinnt sogleich darüber nach, dass sie nicht unzufrieden sein möchte, wie ihr Mann innerhalb der Familie handelt, das würde ihr nicht zustehen. Sehr raffiniert von VW verpackt mit dem Märchen.

Da fällt mir von Günter Grass „Der Butt“ ein, in der die Frau des Fischers von ihrer Schuld entlastet wird, ein Bild über Jahrtausenden hin zum feministischen Diskurs der 1970iger Jahre und weg vom patriarchalischen Gesellschaftmuster.

Und was steckt nicht alles drin in den Kapiteln 6 bis 8, diese Vatermordgedanken des 6jährigen James, da steckt viel Freud oder auch Shakespeare drin.

Im Kapitel 6 kreisen Mr Ramsays Gedanken um seine Genialität und kommt nur bis Q im Alphabet. Das soll wohl eine Metapher sein fürs Denken, dass Mr Ramsay nur linear und in streng geordneter Struktur denken kann.

Das klingt schon hinein in ein neues literarisches Denken und Schreiben bzw. die moderne Kunst, die sich damals parallel zusammen entwickelte und die nächste Generation als Befreiung sah. Nicht wie die Alten an gängigen Strukturen festkleben.

Das zeigt VW auch in ihrem Essay Mr Bennett und Mrs Brown, das sich mit der Moderne beschäftigt und als Antwort auf eine Rezension von Arnold Bennett über Woolfs „Jacobs Room“ dient.

https://en.wikipedia.org/wiki/Mr._Benne ... Mrs._Brown

Deutsch Mr Bennett und Mrs Brown im Essayband „Das Totenbett des Kapitäns“ zu finden.


Virginia Woolf hat im Alter von 9 Jahren ein Gedicht geschrieben:

An easy Alphabet for Infants.
Bezeichnenderweise passt Kleinkindliches Verhalten zu Mr Ramsay. Lily sah Mr Ramsay als lächerlich und erschreckend zugleich. (Kapitel 4)

Finden konnte ich das Gedicht nicht, aber einen Artikel dazu:

How the Alphabet Helped Virginia Woolf Understand Her Father
https://lithub.com/how-the-alphabet-hel ... er-father/

Ich komme zum 9. Kapitel
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

Beitragvon steffi » Do 29. Feb 2024, 12:10

Toll, was du alles herausgefunden hast. Da macht das Lesen ja doppelt Spaß !

Die Rolle der viktorianischen Frau ist durch Mrs Ramsey ausgezeichnet dargestellt. Alles muss sich dem Mann unterordnen, die Frau in der ausgleichenden, mütterlichen, liebevollen und sozial engagierten (Krankenbesuch und Socke) Rolle. Schlimm, dass das als selbstverständlich angenommen wurde und von wenigen hinterfragt wurde. Virginia Woolf ist aus dieser Rolle als selbständige und erwerbstätige Frau ausgebrochen, was in ihrer Sozialisierung bestimmt schwierig war.

Auch Mr Ramsey ist als egozentrischer, fordernder und von seiner Genialität überzeugter Mann ebenfalls überzeugend dargestellt. In der Realität eher hilflos, umgibt er sich mit Männern, Charles Tansley, William Blake und Augustus Carmichael, die ihm intellektuel unterlegen sind. Gleichzeitig empfand ich auch diesen Hass von James sehr stark.

Wenn man schon einiges über Woolfs Familie weiß, ist vieles biografisch und diese Familiendynamiken sind schon sehr interessant.

Für den Beginn der Moderne steht auch Zum Leuchtturm mit seiner Konstruktion, dem Bewusstseinsstrom und dem Zeitkonzept. So vergeht, während Mrs Ramsey die Socke an James abmisst, für die Erzählzeit nur Sekunden, während ihre Gedanken und die Lesezeit erheblich länger dauern. Die Erzählzeit steht still. Wie gut alles ineinander greift, finde ich toll ! Bisher ist Lily Briscoe die einzige, die ebenfalls in die Moderne unterwegs ist. Bezeichnend irgendwie, dass sie ebenfalls eine junge Frau ist.

Ich komme auch zu Kapitel 9.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

Beitragvon JMaria » Do 29. Feb 2024, 13:05

Für den Beginn der Moderne steht auch Zum Leuchtturm mit seiner Konstruktion, dem Bewusstseinsstrom und dem Zeitkonzept. So vergeht, während Mrs Ramsey die Socke an James abmisst, für die Erzählzeit nur Sekunden, während ihre Gedanken und die Lesezeit erheblich länger dauern. Die Erzählzeit steht still. Wie gut alles ineinander greift, finde ich toll ! Bisher ist Lily Briscoe die einzige, die ebenfalls in die Moderne unterwegs ist. Bezeichnend irgendwie, dass sie ebenfalls eine junge Frau ist.


Das Beispiel mit der Socke ist genial. Beim lesen läuft die Geschichte und die Zeit(en) dahin, so dass mir das nicht aufgefallen ist. Toll wie du das erkannt hast!


Im Buch „Augenblicke des Daseins. Autobiographische Skizzen“ gibt es in dem Unterkapitel „Skizze der Vergangenheit“ eine Beschreibung von Talland House in Cornwall und ihre Erlebnisse dort. Nicht alles war gut, sie schreibt dort auch über den Missbrauch als Kind durch ihren Stiefbruder. Aber ich glaube, zum Zeitpunkt von „Zum Leuchtturm“ (1927) hatte sie das in sich noch verdrängt. Erst später hat sie sich an den Spiegel und die Situation erinnert (1939/40)
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Zum Leuchtturm

Beitragvon steffi » Sa 2. Mär 2024, 16:06

In Kapitel 9 wird Mrs Ramsay von mehreren Seiten beleuchtet. Ich fand interessant, dass Lily Briscoe und Mr Banks natürlich ganz andere Gedanken hat,. Somit ergibt sich gleichzeitig auch ein Bild vom Charakter der beiden.

Während des Vorlesens schweigen Mrs Ramsays Gedanken zu Minta und Paul ab und der vermeintlichen Verlobung ab. Für sie ist Heirat und Mutter sein die Erfüllung des Lebensplans. Dass sie sich dabei in das Leben der anderen einmischen könnte, empfindet sie als gar nicht störend. Bemerkenswert fand ich auch die Stelle über die Kinder und dass sie nie mehr so glücklich sein werden wie heute und dass sie auch nichts vergessen. Dabei hat sicher Woolf wieder eigene Gedanken und Empfindungen einfließen lassen. Das Licht des Leuchtturms unterstreicht das als starke Metapher, so ähnlich, wie bei Proust die Madeleines.

Ich komme zu Kapitel 12.
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