Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

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Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

Beitragvon steffi » Mi 25. Jun 2025, 12:00

JMaria und ich wollen wieder eine Leserunde starten. Ausgesucht haben wir Atomstation vom isländischen Nobelpreisträger Halldor Laxness.

Inhalt:
Während des kalten Krieges, Island hat ca. 25.000 Einwohner, will die USA Atomwaffen dort stationieren. Wie wird sich dadurch die isländische Identität verändern ?


Vielleicht möchte noch jemdand mitlesen ? Wir beginnen am kommenden Wochenende.
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Re: Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

Beitragvon JMaria » Do 26. Jun 2025, 09:21

Danke fürs eröffnen des Threads, Steffi .

Ich bin schon gespannt , wie aktuell uns heute das Werk erscheint. Die Debatte gibt es heute leider wieder.

Hier ein kurzer Einspieler von Denis Scheck
https://www.ardmediathek.de/video/druck ... MGU2ZTcwMQ
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Re: Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

Beitragvon JMaria » Fr 27. Jun 2025, 14:52

„Atomstation“ erschien im Original 1948 und der Autor stand noch unter den Eindrücken der Abwürfe der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki als Island zustimmte, dass die Amerikaner einen Stützpunkt auf ihrer Insel errichten durften.


Etwas Hintergrundwissen gibt es auf Wikipedia, nicht viel aber ungefähr der Rahmen der Geschichte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Atomstation

Und über die Schließung der Basis in Keflavik gibt es einen Artikel in der NZZ
https://www.nzz.ch/articleE3KYX-ld.57591


Der 1. Absatz des Buches gibt gleich bekannt, dass wir es mit einer Ich-Erzählerin zu tun haben. Einem Dienstmädchen das neu in ihrer Stellung ist.


Soll ich diese Suppe hineintragen, sage ich.


Und auch wenn sie vielleicht noch unsicher ist, hat sie eine bemerkenswerte Beobachtungsgabe. Man sieht die Szene in Küche und Esszimmer und die Menschen darin vor sich.
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Re: Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

Beitragvon steffi » Fr 27. Jun 2025, 19:15

Danke, JMaria, für die Ergänzungen. Ich bin auch gespannt, wie sich der Roman angesichts der derzeitigen Lage liest. Und ich freue mich, mal wieder in Island zu sein !

Ich lese das ebook, übersetzt von Hubert Seelow. Das ist die neuere Übersetzung aus dem isländischen, es gibt auch noch eine ältere von Ernst Harthern, der jedoch vom Dänischen und Schwedischen übersetzte.
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Re: Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

Beitragvon JMaria » Sa 28. Jun 2025, 09:48

steffi hat geschrieben:Danke, JMaria, für die Ergänzungen. Ich bin auch gespannt, wie sich der Roman angesichts der derzeitigen Lage liest. Und ich freue mich, mal wieder in Island zu sein !

Ich lese das ebook, übersetzt von Hubert Seelow. Das ist die neuere Übersetzung aus dem isländischen, es gibt auch noch eine ältere von Ernst Harthern, der jedoch vom Dänischen und Schwedischen übersetzte.



Ich lese auch die Übersetzung von Hubert Seelow (TB).
Es gibt in meinem Taschenbuch kein Nachwort. Wie sieht es im ebook aus?

Übersetzen aus dem Isländischen scheint eine Herausforderung zu sein und damals gab’s wohl auch nicht so viele die das konnten. Hubert Seelow schrieb mal darüber in „Gedanken über das Übersetzen“. Isländisch gilt als schwierig weil ihr Flexionssystem noch dem Mittelalter entstammt. Für die Sprachforschung ist das natürlich interessant, all die alten nordischen Sagen.

Dann warst du sicher auch in Reykjavik, wo die Handlung spielt ?
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Re: Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

Beitragvon steffi » So 29. Jun 2025, 11:05

Nachwort gibts bei mir auch nicht. In Reykjavik waren wir auch und im Südwesten.

Zum Einstieg gefiel mir die Beschreibung der Familie. Der Einfluß der modernen Zeit wird sichtbar, gleichzeitig sieht Ugla das aber auch kritisch. Überhaupt wirkt sie nicht wie ein ungebildetes Bauernmädchen. Auch sie will sich ja weiterentwickeln, allerdings auf eine andere Art. Ich denke, sie wird hier in Reykjavik auch noch vieles anderes lernen als nur das Harmoniumspiel.

Im dritten Kapitel tauchen ja skurile Personen auf. Sowohl der Organist als auch der Brillantine Gott. Ich kann mir noch keine Reim auf sie machen.
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Re: Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

Beitragvon JMaria » Mo 30. Jun 2025, 13:13

Der Humor gefällt mir neben den Beschreibungen der Familie, die Kosenamen sind ja witzig. Auch der Dialog zwischen der Hausherrin und Ugla hat Witz .

….Auf der Frauenschule… was haben Sie dort gelernt?

Ach, eigentlich nichts, sagte ich….

….Was für Ansichten haben Sie?

Ansichten? Ich? Keine.



Das dritte Kapitel hat mich überrascht. Da schwirrt einem der Kopf, so verrückte Typen, ich kam mir fast vor wie in einer Geschichte von Kafka.

Ich weiß diese auch noch nicht einzuordnen, außer dass diese Personen überspitzt dargestellt sind. Außerdem ist das Kapitel gespickt mit sozialkritischen und religiösen Tönen, aber auf skurile Art und Weise. Da sind Personen die sich für Gott halten, ein Artikel über Jesus und dem Jenseits von einem betrügerischen Spekulanten (?) in New York wird erwähnt, und dann trägt dieser Brillantine Gott auch noch ein Fisch durch die Gegend, sehr symbolträchtig :breit_grins:
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Re: Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

Beitragvon steffi » Di 1. Jul 2025, 08:52

Im vierten Kapitel erfahren wir wieder etwas über die Familie. Die Angst vor dem Kommunismus und natürlich die Besucher des Hausherrn, die wegen des Atomabkommens kommen. Sie werden alle aus Uglas etwas naiver Sicht geschildert, ohne dass sie etwas bewertet. Als es aber dann um die Lose für den Kulturpalast geht, wird sie doch wütend. Gut erklärt finde ich auch, dass Bui Arland meint, mit Geld kann man alles regeln.

Beim Organisten dann geht es wieder um Philosophisches und Kunst: kann ein Bild das Objekt wiedergeben ? Das fand ich dann ganz bezeichnend, dass bei den Kapitalisten alleine das Geld regiert und es beim Organisten um Bildung geht. Danach lernt Ugla noch den Polizisten kennen, auch der hat wieder keinen Namen. Wie zu erwarten gibt es Korruption und Bubu kann die Nerze unbeschadet stehlen und töten.

Ich hätte bei diesem Thema eine ganz andere, realistischere Erzählhaltung erwartet. Alles klingt sehr modern und abstrakt, es gibt keine durchgehende Handlung, keinen auktorialen Erzähler und trotzdem bekommt man einen guten Eindruck der Lage.

Ich komme zum 7. Kapitel.
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Re: Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

Beitragvon JMaria » Di 1. Jul 2025, 15:32

Uglas Gedanken über Natur und Kunst am Ende des 5. Kapitels sind tiefgründig. Sie erkennt, vielleicht instinktiv, dass ein Bild auf dem die Natur zu sehen ist, nicht Natur ist, sondern nur ein von Menschen geschaffenes Abbild der Natur. In ihrer Einfachheit und Naivität schimmert ein Naturkind durch, Ugla die Eule, und hat auch was von Weisheit.

Am meisten fürchten sich die Isländer vor den Kommunisten und den Verkauf von Island an Fremdmächte.

Als Zangen ins Spiel kommt, geht es plötzlich um die Gebeine eines isländischen Nationaldichters, der in Dänemark begraben ist und dessen Gebeine sollen überführt werden. Man kann das als Leser verstehen, aber wie dieses Unterfangen ins Spiel gebracht wird ist schon wieder grotesk. Man befragt nämlich ein Medium.

Ich habe ein bisschen nachgeforscht. Uglas spiel mit dem Spiegel… während es in der Seance um die Gebeine des Dichters geht…

Spiegel spielen in Laxness Werk eine große Rolle , oftmals ist der Spiegel ein Gleichnis für die Literatur oder der Schönheit. Die Schönheit hat keine Wohnstätte, aber sie kann uns in der Literatur und in der Dichtung begegnen. Der Dichter bewahrt den Spiegel und gibt ihn der Menschheit.

Der verstorbene Dichter soll wohl Jonas Hallgrimsson sein, verstorben 1845, dessen Gebeine in Kopenhagen 1946 ausgegraben wurde und ein Unternehmer holte die Gebeine nach Nordisland, wo sie aber nicht lange blieben und sie in den Süden gebracht wurden und hinter der Kirche von Thingvellir bestattet wurden.

Dieses Gerangel um die Gebeine und zur selben Zeit die heftige Diskussion über die militärische Frage veranlasste Laxness zu seinem doch satirischen Roman.

Informationen gibt die Biographie über Laxness von Halldor Gudmundsson.

Ich komme zum achten Kapitel.
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Re: Leserunde: Halldor Laxness - Atomstation

Beitragvon steffi » Mi 2. Jul 2025, 14:57

Gute Idee in der Biografie nachzulesen :daumen_hoch: es gibt sonst online so gut wie nichts über Atomstation. Ich habe also auch mal darin geblättert. Interessant fand ich, dass der Organist Züge von Erlendur Gudmundsson hat, der Laxness väterlicher Freund war und während der Arbeit an Atomstation verstorben ist.

Deine Gedanken zu Spiegel finde ich sehr schön und einleuchtend.

Im achten Kapitel sind wir dann wieder im Haus von Bui Arland. Während seine Frau am liebsten in Amerika wäre, herrscht in der Stadt Unruhe. Kein Wunder, da die Unabhängigkeit Islands erst seit 1944 bestand. Seit dem 12. Jahhundert war Island unter norwegischer und dänischer Herrschaft. Ich kann mir vorstellen, dass das ein sensibles Thema war. Dazu kommt auch die Öffnung zum Kapitalismus und die Industrialisierung. Am Ende des Kapitels steh der Eid, von dem schon Arland und auch wir Leser wissen, dass es gelogen war: Ich schwöre … Island wird nicht verkauft werden.

Im Haus des Organisten wird Buchenwald thematisiert. Starke Worte, dass es nicht mehr möglich ist, Dichter zu sein, wenn man die Bilder aus Buchenwald gesehen hat. Die Götter überlegen, wie sie an die Herrschaft kommen könnten, der Organist jedoch ist dafür, es über Philosophie und Moral zu versuchen. Demgegenüber stellt Ugla die nordischen Sagas und das Leben ihrer Eltern. Gefühle und abstrakte Gedanken oder eigenständiges Denken hat keinen Platz. Aber sie sehnt sich auch nach Liebe und geht mit dem freundlichen Polizist. Diese Szene hat mich mehr an ein Theaterstück erinnert. Überhaupt gefallen mir bisher die Szenen in Bui Arlands Haus am besten.

Ich komme zum 10. Kapitel.
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