Hallo Petra,
beim Lit-Chatten über Lydia Davis' Erzählungen würde ich auf jeden Fall mitmachen.

Letzten Monat ist übrigens Lydia Davis' einziger Roman "Das Ende der Geschichte" auf deutsch erschienen. Mehr dazu hier:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1031755/Was ihre Kurzgeschichten betrifft: Es ist nicht eigentlich so, daß sie einem damit "etwas sagen will", sondern sie will einfach nur erzählen. Meist dreht und wendet sie einen Gedanken hin und her und beleuchtet ihn von verschiedenen Seiten; in der ersten Geschichte geht es beispielsweise um das Essen bzw. dessen Zubereitung: das wird alles recht detailliert erwogen und beschrieben, wodurch sich dann ganz nebenbei ein Bild des Ehelebens ergibt (der Titel "Fleischliche Liebe" ist ja doppeldeutig, er kann sich auch auf die Sexualität beziehen) - die beiden Ehepartner passen anscheinend nicht so ganz zusammen, oder sie leben zumindest ein wenig nebeneinander her. Diese Geschichte entbehrt nicht einer gewissen Komik, diesen eigentümlichen Humor findet man auch in anderen ihrer Kurzgeschichten. Beispielsweise erklärt die Ich-Erzählerin zunächst, daß sie für ihren Mann koche, um dann ausführlich aufzuzählen, was sie
nicht für ihn kocht: kein Fleisch, keine Meeresfrüchte, kaum Fisch, keinen Käse, wegen der Fettproblematik etc. Oder gegen Ende der Geschichte trumpft die Erzählerin damit auf, daß ihr Mann immerhin ein einziges Mal von einem ihrer Gerichte begeistert war. Sie erzählt von der Polenta, um dann gleich einzuräumen, daß er davon nicht begeistert war, dann erwähnt sie den "Kuhfladen", der natürlich auch nicht für Begeisterung steht und kommt dann zum Birnen-Nachtisch, von dem ihr Mann aber auch nicht begeistert war, weil sie ihn falsch zubereitet hatte, und erst nachdem er diesen Fehler behoben hatte, war er dann schließlich endlich begeistert.
Zu "Foucault und Bleistift" schrieb Maria ja schon, daß da es keine Personalpronomen gab, die Sätze sind skizzenhaft kurz und einfach, ganz anders als bei Foucault, den die Ich-Erzählerin (das Geschlecht des Erzählers bleibt, glaube ich, unerwähnt, es könnte also auch ein Mann sein) zu lesen versucht, über die Pronomen denkt sie dabei übrigens auch nach. Auch in dieser Geschichte werden Einzelheiten und zeitliche Abfolgen genau beschrieben, aber beim Kernproblem ("Foucault lesen") gibt es keinen richtigen Fortschritt. In der ersten Geschichte ist das so ähnlich, die Erzählerin denkt über das Essen nach, beschreibt ausführlich einzelne Gerichte, aber das Kernproblem (die Beziehung zu ihrem Mann) geht sie nicht direkt an, sondern das läuft nur so nebenbei mit.
Lydia Davis wurde einmal als "Stand-up comedian für Philosophen" bezeichnet, was bestimmte Aspekte ihres Werkes gut beschreibt: das Nachdenken und Umwälzen einzelner Gedanken, was aber bei ihr mit einer eigentümlichen Komik verbunden ist, auch mit einer gewissen Vergeblichkeit (vgl. den Titel "Fast keine Erinnerung"), am Ende führt dieses Nachdenken dann eben doch zu nicht sehr viel, außer zu einer Geschichte, die dabei entstanden ist.

Schöne Grüße,
Wolf