Liebes Binchen,
ja, man ist als Leser beim Hörbuch wirklich erst mal geneigt zu sagen: bloß keine Kürzungen! Man fühlt sich sonst um einen Teil der Vorlage betrogen.
Ist ja auch erst mal ganz richtig. Aber früher oder später stellt man hier und da auch fest, dass so eine Kürzung gut tun kann. Um es hörverträglicher zu machen (hören funktioniert ja doch etwas anders als lesen) oder weil die Vorlage schlichtweg zu ausschweifend ist.
Und wenn dann gekürzt wird, ist es manchmal gar nicht das schlechteste! Zwar bleiben immer die Zweifel, ob man jetzt nicht was verpasst hat (besonders wenn es einem so richtig gut gefallen hat!), aber wenn es denn dazu dient, dass der Hörer einfach besser bei der Stange bleiben kann, dann war es wohl eine gute Entscheidung.
Manchmal frage ich mich auch, WAS genau gekürzt wurde. Bei Hörbüchern, die mir richtig gut gefallen haben, habe ich auch schon mal im Buch quergelesen. Aber so recht mag mir da nichts auffallen. Was dafür spricht, dass die meisten Verlage schon ganz gut kürzen. Vielleicht wird auch gar nicht so viel gekürzt, wie man manchmal befürchtet. Hierzu wäre es doch echt mal interessant, sich mit einem Buch und dem entsprechenden gekürzten Hörbuch hinzusetzen und zu vergleichen.
Ich weiß, so ganz kann ich hier keine Antwort liefern. Vielleicht hätte so manch ein Autor sich wirklich von vornherein kürzer fassen sollen/können. Oder aber es liegt wirklich daran, dass Straffungen einem Hörwerk gut tun. Ich weiß es nicht.
Wo ich Kürzungen ganz gern hinnehme (manchmal sogar gar nicht böse drüber bin), sind Krimis/Thriller, wo die Figuren nicht sooooo wichtig sind, es also mehr um die spannende Handlung geht. Oder zeitgenössische Erzählungen. Warum ich das hier viel mehr verzeihe als bei Klassikern? Hmmm... wenn ich das wüsste! Vielleicht ist es einfach so, dass die Bücher, die heutzutage Klassiker sind, nur die Creme sind von dem, was einst auf dem Markt war. Sie haben die Zeiten überlebt. Und das sicher nicht ohne Grund. Und da kann es schon gut sein, dass ein Autor so gut gearbeitet hat, dass man auf keinen einzigen Satz verzichten will. Wegen des Aufbaus, der Sprache, der Entwicklungen, der Figuren... weil es vielleicht wirklich ein WERK ist und nicht „nur“ ein Roman. Es gibt bestimmt auch zeitgenössische Literatur, bei der man auf nichts würde verzichten wollen. Aber die wenigen Romane, bei denen es so ist, müssen vielleicht noch ausgesiebt werden.
Somit stimme ich mit Maria und Steffi *beidenliebwink* überein: Bei Klassikern bitte nicht! Vielleicht auch nur, weil ich die dann wirklich GANZ kennen will! Da siegt dann auch die Neugierde auf JEDEN Satz, auf JEDES Wort!
Und Bücher von Autoren, die ich wahnsinnig gerne lese, da ziehe ich bei einem gekürzten Hörbuch doch das Buch vor! Denn da möchte ich dann keine eine Zeile verpassen! Dazu gehören auch eine Menge zeitgenössischer Autoren.
Aber bei Büchern, die ich sicher nie gelesen hätte (weil anderes immer mehr reizt) aber als Hörbuch höre, kann das schon durchaus mal gut sein! Denn da würde mich manchmal die ungekürzte Version doch abschrecken. Wenn ich auf einmal 10 anstatt 6 CDs hören sollte, dann würden da auch wieder einige Titel von meiner Wunschliste gestrichen. Denn manchem möchte man sich zwar widmen, aber nicht in aller Ausführlichkeit.
Und das ist natürlich eine völlig subjektive Sache!
So bleibt nur immer schauen: Kürzung oder ungekürzte Lesung (oder gar Hörspiel) und die Entscheidung, ob ich das in dem Fall so will oder dann doch lieber das Buch lese oder es ganz sein lasse.
Fazit: So ganz verteufeln kann man Kürzungen sicher nicht!