Moin tosamen, ich wünsche euch viel Vergnügen mit euren Büchern.
Ich habe mir mal wieder ein Buch ausgesucht, das meinen Puls gewaltig in die Höhe treibt.
Gestern habe ich zwei ältere Interviews mit Alice Schwarzer gesehen, in denen es um das El Dorado Deutschland in Sachen Menschenhandel und Prostitution geht. Möglich gemacht haben soll dies das Prostitutionsgesetz, das seit 1. Januar 2002 galt. Seit 2016 gibt es eine Änderung zugunsten der Frauen, die in diesem Gewerbe arbeiten.
Um eben dieses Thema geht es auch in diesem Buch. Und es macht mich wieder mal wütend, da ich viele Fakten erfahre, wie die Frauen, in diesem Fall speziell Prostituierte, dahinvegetieren mussten. Denn als ein Leben kann man das wahrlich nicht bezeichnen.
Chicago May von Nuala O'Faolain ist ein Wahnsinnsbuch, ein wenig vergleichbar mit The Five von Hallie Rubenhold. Die Autorin schrieb nicht nur eine Art Biografie über Chicago May, sie gibt, ebenso wie Hallie Rubenhold auch viele Informationen über die Zeit, in der Chicago May lebte. Obwohl das Quellenverzeichnis am Ende des Buches nur eineinhalb Seiten umfasst, bei Hallie Rubenhold waren es meiner Erinnerung nach 25 Seiten.
Vielleicht wüssten wir heute noch nichts über Chicago May, die als May Duignan geboren wurde, wenn die Autorin nicht zufällig bei einem Aufenthalt im Westen von Irland deren Namen hörte und neugierig wurde. Von Lokalhistorikern, alles Männer, erfuhr sie im Prinzip nichts Vernünftiges:
"Als sie auf Umwegen schließlich auf May zu sprechen kamen, wurde ihr Ton vorsichtig.
,Sie war ein feiner Mensch', sagte James, doch sah er sich dabei ein wenig hilflos um, weil es nicht zu leugnen war, daß dieser feine Mensch zur berüchtigten Verbrecherin geworden war.
Unser Gastgeber, der Mann des Hauses, sagte feierlich: ,Die Duignans waren sehr anständige Leute. Sehr, sehr anständige Leute.'
,Sie war ein feiner Mensch, aber sie ist in schlechte Gesellschaft geraten', kam ihm der Balladenschreiber zu Hilfe.
Die drei Herren nickten. Sie hatten eine Formel gefunden, die May für ihren Heimatort rettete, auch wenn man ihr den freien Willen absprach."
Im Internet wurde die Autorin in der Manhattan Public Library fündig: "Chicago May. Her Story. A Human Document by the Queen of the Crooks, May Churchill Sharpe, 1928." Manhattan war allerdings 3000 Meilen entfernt. Es gab aber eine Biografie über sie von einem Lokalhistoriker, die dieser 1928 erschienenen Lebensgeschichte zugrunde liegt.
So erfahre ich, dass Chicago May gegen Ende des 19. Jahrhunderts ausgerissen ist und nach Amerika ging. Was der Grund dafür war, da spekuliert Nuala O'Faolain ein bisschen und bezieht die damaligen Lebensbedingungen der jungen Frau mit ein. Ein Leben in Armut, sie musste zu Hause richtig mit anpacken und dann auch noch Mutterstelle an den Geschwistern vertreten. Das war dann wohl zu viel. Vielleicht wurde sie auch missbraucht, was nicht unmöglich erschien...