von Didonia » Sa 12. Mär 2022, 22:42
Gerade habe ich "Die Wand" von Marlen Haushofer zugeschlagen. Wow!!! Was für eine Idee, morgens aufzuwachen und von einer Wand umgeben zu seinen. Eine, die nicht zu sehen ist. Die Protagonistin sieht also, was hinter der Wand ist. Gar nichts. Der Mann und die Vögel, die sie sieht, sind tot. Wie in der Bewegung erstarrt.
Ein Hund, eine Katze, die später noch ein Junges bekommt und eine Kuh, die später auch noch kalbt, sind die einzigen lebenden Wesen, mit denen sie in Berührung kommt.
Ich bin schwer beeindruckt. Als Mitbewohnerin einer Katze fand ich die entsprechenden Passagen wunderschön. Gleichzeitig ist es auch verstörend.
Nach dem Lesen muss das Ganze bei mir erst mal sacken. Man kann viel drüber nachdenken. Ist diese Wand real? Existiert sie nur in ihrem Kopf? Wie erträgt ein Mensch das Alleinsein? Das Zusammenleben Mensch - Natur. Jede Menge Stoff zum Grübeln.
Zeitlos ist die Geschichte. Sie erschien 1963, könnte aber genauso gut heute oder morgen spielen.
Einzig das Ende macht mich wirklich ratlos. Warum auf diese Weise? Wollte sie uns nur schocken? Auf irgendein Ereignis habe ich hingefiebert beim Lesen, da sie ja Andeutungen gemacht hat. Aber so? Und dann recht abrupt das Ende.
Auf jeden Fall werde ich es irgendwann noch einmal lesen. Und ob dieses Highlight eine Ausnahme war, möchte ich gleich prüfen. Das nächste Buch von ihr wartet hier schon: "Himmel, der nirgendwo endet
Ein paar Sätze, die mir gut gefallen haben:
- Schon heute bin ich ja nicht mehr der Mensch, der ich einmal war. Woher sollte ich wissen, in welche Richtung ich gehe? Vielleicht habe ich mich schon so weit von mir entfernt, daß ich es gar nicht mehr merke.
- Wenn ich mir heute einen Menschen wünschte, so müßte es eine alte Frau sein, eine gescheite, witzige, mit der ich manchmal lachen könnte.
- Sie lebte so gerne und machte immerzu alles falsch, weil man in unserer Welt nicht ungestraft so gerne leben durfte.
- Es gibt Stunden, in denen ich mich freue auf eine Zeit, in der es nichts mehr geben wird, woran ich mein Herz hängen könnte. Ich bin müde davon, daß mir doch alles wieder genommen wird.
- Lieben und für ein anderes Wesen sorgen ist ein sehr mühsames Geschäft und viel schwerer, als zu töten und zu zerstören.