Sie haben sich kürzlich entschlossen, Ihr Pseudonym zu lüften. Wie kam es dazu?
Anne Chaplet: Ich war die Heimlichtuerei leid. Außerdem kann die
Autorin ihre Romane immer noch am besten selbst vertreten. Und: es ist schön, auf
Lesereise zu gehen oder an der Criminale" (=Jahrestreffen des
"Syndikats", Informationen unter www.das-syndikat.com
- Anm. d. Red.) in München teilzunehmen. Das Pseudonym hat geschützt,
aber auch ein bißchen einsam gemacht.
Wie haben nicht eingeweihte Freunde/Bekannte darauf reagiert?
Anne Chaplet: Meine Freunde haben sich gefreut, meine Nachbarn sind
anhaltend neugierig, und ich entdecke plötzlich, daß ich unter alten Bekannten schon
lange begeisterte Fans habe!
Sie haben relativ spät mit dem Schreiben von Kriminalromanen angefangen. Wie kam es
dazu?
Anne Chaplet: Zufall. Ein lebensverändernder Zufall: jemand gab mir im
richtigen Moment den Anstoß - meine Freundin Antje Kunstmann im Sommer 1996. Ich war
damals gerade 45 und denke heute, daß das ein gutes Alter ist, um mit dem Schreiben von
Romanen zu beginnen. Krimis schadet es sicher nicht, wenn ihre Autorin ein bisschen
Lebenserfahrung hat.
Wie geht Ihr Mann mit dem Erfolg um?
Anne Chaplet: Rudolf Westenberger ist der erste Leser und der härteste
Kritiker meiner Romane. Was das Zusammenleben betrifft, so scheint sein Wahlspruch zu
lauten: Wo ist das Problem? Ich bin die Lösung!" Ein weiterer schöner
Wesenszug: Er liebt erfolgreiche Frauen...
Wie recherchieren Sie für ein Buch?
Anne Chaplet: Ich nehme so viel wie möglich aus dem Umfeld des Themas
auf, um das es mir geht. Für Nichts als die Wahrheit" habe ich in Berlin
recherchiert, vor allem in den Bunkeranlagen der Stadt. Für Caruso" habe ich
mir die Stasi-Zentrale in der Normannenstraße zeigen lassen. Bilder, Literatur, Gerüche
inspirieren mich. Das, was man alles so findet, schließlich wieder zu verwerfen, also
loszulassen", fällt mir richtig schwer. Nur ein stimmiger Hintergrund, glaube
jedenfalls ich, lässt auch die Personen plausibel agieren. Zuviel Stoff" aber
wirkt bloß belehrend.
Gibt es einen typischen Arbeitstag, wenn ja, wie sieht er aus?
Anne Chaplet: Typischerweise beschäftigen mich morgens die praktischen
Dinge des Lebens, ich jogge, erledige die Post und anderen bürokratischen Krempel. Am
Nachmittag schreibe ich. Abends lasse ich mir alles noch einmal durch den Kopf gehen.
Meiner Umgebung dürfte das manchmal alles ein wenig zu monothematisch sein...
Beschreiben Sie kurz ihren "Tatort"!
Anne Chaplet: Weißgestrichene Fachwerkstube. Rankende Rosen vor den
Fenstern. Katzen auf dem Sofa. Eine tickende Uhr, ein immer mal abstürzender Computer.
Viel Tee.
Wie lange dauert es bei Ihnen, bis ein Buch zu Ende geschrieben ist? (Von der ersten
Idee bis zum fertigen Buch)?
Anne Chaplet: Unterschiedlich. Ich denke, ich brauche selten weniger als
ein Jahr.
Gibt es negative Seiten an Ihrem Beruf? Wenn ja, wo sehen Sie die?
Anne Chaplet: Es ist ein Traumberuf. Da kann gar nichts negativ sein!
Höchstens eines: wer schreibt, dem wird alles zu Material".Ich habe
manchmal Angst, Menschen zu kränken, die sich wiedererkennen könnten, obwohl sie gar
nicht gemeint" sind. Übrigens: wenn ich es mal versucht habe, einen richtig
fiesen Menschen abzubilden und möglichst auch noch umzulegen, habe ich mich prompt in die
entstandene Romanfigur verliebt...
Was bedeutet Ihnen das Schreiben?
Anne Chaplet: Fast alles.
War es schwer, einen Verlag für Ihre Romane zu finden?
Anne Chaplet: Nein. Ich kannte die Verlegerin. Aber zur Beruhigung sei
gesagt: die hätte kein Manuskript gedruckt, das ihr nicht gefallen hätte.
Kostet es Mühe, die Figuren weiterzuentwickeln, oder geschieht das von selbst?
Entwickeln sie also ein Eigenleben?
Anne Chaplet: Es ist in der Tat verblüffend, mit wie viel Eigensinn
Romanfiguren ausgestattet sind. Ich glaube, es ist eine große Hilfe beim Schreiben, wenn
eine Person die Mitarbeit verweigert und der Autorin sagt: Das bin ich nicht. Das
kann ich deshalb auch nicht tun." Wer seine Figuren vergewaltigt, wird
unglaubwürdig.
Wie viele Bücher mit Paul Bremer und Karin Stark wird es noch geben?
Anne Chaplet: Noch einige.
Können Sie sich vorstellen, einmal ein Buch außerhalb dieser Reihe zu schreiben?
Anne Chaplet: Ja.
Wann wird es ein neues Buch geben? (Ich weiß, "Die Fotografin" ist gerade
erst erschienen, aber leider ist ein Buch schneller gelesen als geschrieben.)
Anne Chaplet: Es ist, siehe oben, wunderbar, auf Lesereise zu gehen oder
im Fernsehen oder Hörfunk aufzutreten. Das hält aber leider ziemlich vom Schreiben ab.
Der nächste Roman erscheint also erst im Herbst 2003...
Müssen Ihre LeserInnen befürchten, daß Sie eines Tages aufhören zu schreiben?
Anne Chaplet: Solange ich kann, schreibe ich auch. Ich kenne keinen
schöneren Beruf.
Welche Autoren bevorzugen Sie privat?
Anne Chaplet: Von den Krimiautorinnen Elizabeth George, Dorothy
Sayers,
die frühe Martha Grimes, P.D. James, Ruth Rendell. Michael Dibdin ist großartig,
desgleichen Robert Harris (unbedingt Vaterland" und Enigma" lesen!).
Stephen Kings frühe Romane sind hinreißend, aber auch jüngst Das Mädchen".
Ansonsten lese ich kaum noch Krimis, seit ich sie selber schreibe, bin
dafür süchtig nach Zeitungen, Geschichtsbüchern, Sachbüchern.
Wenn Sie Ihre Bücher selbst vermarken müssten, wie würden Sie die LeserInnen davon
überzeugen, daß er/sie gerade Ihre Bücher lesen sollte?
Anne Chaplet: So, wie ich meine Lesungen gestalte... Mit irgendetwas
jedenfalls scheine ich die Zuhörer zu überzeugen, hinterher noch mindestens eines meiner
Bücher zu kaufen.
Vielen Dank an Anne Chaplet für dieses Interview!

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