Wann haben Sie mit dem
Schreiben angefangen? Früh, oder war es ein Traum, den Sie sich erst spät
verwirklicht haben?
Marcus Hünnebeck: Die ersten Schreibversuche habe ich als Kind
unternommen. „Ernst" wurde es in der 12. Klasse im Literaturunterricht.
Meine damalige Lehrerin hatte uns den Auftrag gegeben, eine Kurzgeschichte zu
schreiben. Und während es bei den meisten meiner Klassenkameraden schon mangels
Motivation bzw. Lust für maximal ein bis zwei Seiten reichte, brachte ich ca.
15-20 aufs Papier und habe seitdem kontinuierlich geschrieben.
Als Ihr erstes Buch fertig war, wie lange hat es dann ungefähr gedauert,
bis Sie einen Verlag gefunden haben?
Marcus Hünnebeck: Meinen ersten Roman habe ich mit 21
fertiggestellt. Damals übrigens kein Krimi, sondern eine (stark von S.King
inspirierte) Horrorgeschichte. Mein erster Krimi war mit 22 fertig; Verräterisches
Profil wurde zwei Monate vor meinem 30. Geburtstag veröffentlicht. Dazwischen
lagen geschätzt 150 Absagen für verschiedene Projekte.
Was war das für ein Gefühl, als Ihr erstes Buch veröffentlicht wurde, als
Sie das fertige Produkt in Händen hielten?
Marcus Hünnebeck: Nicht das erwartete Hochgefühl. Wenn man
noch keinen Vertrag hat, stellt man sich vor, dass dieser Moment einfach großartig
sein muss. Aber dadurch, dass ich schon vorher das Cover, den Klappentext etc.
kannte, hielt sich die Begeisterung etwas in Grenzen. Trotzdem war es natürlich
ein schönes Gefühl, es endgültig geschafft zu haben.
Ihr erster Krimi "Verräterisches Profil" ist nichts für
zartbesaitete Leser. Fällt es Ihnen schwer, die Szenen, in denen Gewalt ein
Thema ist, umzusetzen?
Marcus Hünnebeck: Wenn ich ehrlich bin: nein. Und das, obwohl
ich mich nicht als gewalttätigen Menschen bezeichnen würde. Aber wenn solche
Szenen in die Geschichten passen, kann ich sie genauso umsetzen wie z.B. eine
Dialogszene. Bei meinem zweiten Buch „Wenn jede Minute zählt" gibt es übrigens
nicht eine Szene, in der ich den Leser mit zuviel Brutalität konfrontiere.
Solche Szenen müssen - wie gesagt - in die Handlung hineinpassen. Außerdem bin
ich jetzt sehr froh, dass Sie mich nicht gefragt haben, ob es mir leicht fällt,
Szenen mit sexuellem Inhalt zu schreiben.
In diesem Roman lässt das Ende den Leser mit dem Gefühl zurück, wissen zu
wollen, wie es nun für die Protagonistin weitergeht. Wir es eine Fortsetzung
geben?
Marcus Hünnebeck: Die Fortsetzung liegt in den ersten Zügen
bereits in meiner Schublade. Und in meinem Kopf weiß ich genau, wie es mit
Beate Bauer weitergeht. Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, ob diese Idee
jemals das Licht der Öffentlichkeit erblicken wird. Momentan arbeite ich an
anderen Projekten und ein „Beate Bauer II" Roman ist vorläufig nicht
vorgesehen. Eine andere Sache könnte mich zudem noch stärker reizen: ein Roman
mit dem Profiler Mark Gruber in der Hauptrolle, in dem der Leser quasi
„nebenbei" erfährt, wie es mit Beate Bauer weitergegangen ist.
Was halten Sie generell von Krimis mit Serienhelden? Was könnte Sie daran
reizen?
Marcus Hünnebeck: Krimis mit Serienhelden lese ich selbst sehr
gerne. Was mich am Schreiben einer Serie reizen würde, wäre die Möglichkeit,
der Hauptfigur auch mal einen Schicksalsschlag zuzumuten (wie es z.B. Patricia
Cornwell in ihrer Scarpetta-Reihe macht), um die Entwicklung der Hauptperson in
anderen Gleisen zu lenken. Mein Traum wäre es, mit zwei oder drei Serienfiguren
auf dem Markt zu sein, um diese kontinuierlich, aber nicht jährlich wieder
aufleben zu lassen.
Der Handlungsort Ihres ersten Krimis ist Bochum, der Ihres zweiten Krimis
ist Monheim am Rhein. Beides Städte, zu denen Sie ja einen persönlichen Bezug
haben, da die eine Ihr Geburtsort und die andere Ihr Wohnort ist. Ärgert es Sie
gelegentlich, wenn jemand Ihre Krimis als sogenannte Lokalkrimis tituliert?
Marcus Hünnebeck: Ärgern ist das falsche Wort. Ich finde es
bloß überflüssig. Oder würden Sie den Roman eines amerikanischen Autoren,
der in Los Angeles spielt, als Lokalkrimi bezeichnen?
Und allgemein? Wie kommt es Ihrer Meinung nach, dass in Deutschland viele
Krimis als Lokalkrimis bezeichnet werden?
Marcus Hünnebeck: Ich glaube, das ist eine Erfindung der
Buchhandlungen / Buchverlage, um Krimis in eine Schublade stecken zu können.
Vermutlich liegt man dem Irrglauben auf, dass sich die Bücher dadurch besser
verkaufen. Aber mich als Käufer schrecken solche Klassifizierungen eher ab, es
sei denn, die Stadt/Region, in der der Roman spielt, interessiert mich ganz
besonders.
Wie läuft der Entstehungsprozess eines Buches ab? Wie lange gärt die Idee
im Kopf, bevor der erste Satz geschrieben wird?
Marcus Hünnebeck: Das Buch fängt mit einer Idee an, mit der
ich tage- oder wochenlang schwanger gehe. Wie lange es dauert, bis dann der
erste Satz geschrieben ist, hängt davon ab, ob ich gerade mit einem anderen
Projekt beschäftigt bin oder freie Kapazitäten habe.
Gibt es zuerst ein Outline oder entwickelt sich die Handlung erst beim
Schreiben?
Marcus Hünnebeck: Bei mir ist alles vorher festgelegt. Ich
habe die Idee, wenn sie mir nach wochenlangem Überlegen gefällt, skizziere ich
die Geschichte und konzentriere mich auf die Punkte: Anfang, Spannungsmomente,
Schluss. Wenn mir das Projekt dann noch immer zusagt, fange ich an, mir den
Kapitelverlauf aufzuschreiben und lege zuletzt mit dem Schreiben los.
Wie lange brauchen Sie ungefähr von der Idee bis zum fertigen Buch und wie
viel Zeit nimmt dabei die Recherche ein?
Marcus Hünnebeck: Punkt a: Die Zeitspanne von der Idee bis zum
fertigen Buch hängt davon ab, ob ich sofort anfange zu schreiben oder nicht.
Wenn ich das erste Wort schreibe, dauert es meistens nur drei Monate, bis ich
fertig bin. Dann kommen die Überarbeitungen an die Reihe, die locker vier bis
sechs Monate in Anspruch nehmen.
Punkt b: Die Recherchezeit ist vom
Thema abhängig. Für meinen Erstling habe ich sehr viel über Serienmörder
gelesen und mich mit einem Kommissar der Düsseldorfer Polizei zusammengesetzt.
Für meinen zweiten Roman habe ich kaum Hintergrundinformationen benötigt.
Wie dürfen wir uns Ihren Arbeitsplatz vorstellen? Und gibt es einen festen
Tagesablauf, Rituale beim Schreiben oder ähnliches?
Marcus Hünnebeck: Mein Arbeitsplatz ist ein völlig unaufgeräumter
Computerschreibtisch. Was die Tageszeit anbelangt: Ich schreibe am liebsten
vormittags, allerdings kann ich auch zu jeder anderen Zeit schreiben. Und
richtige Rituale habe ich nicht. Meistens höre ich Musik beim Schreiben, das
ist jedoch kein „Muss". Und die Musikauswahl ist sehr unterschiedlich:
Independent Rock (Marilyn Manson, Nine Inch Nails, Radiohead etc.), Popmusik
(z.B. läuft derzeit die neue Tori Amos im Hintergrund, während ich über Ihre
Fragen schwitze) oder dramatische Soundtracks (Herr der Ringe, From Hell usw.)
Je nachdem, in welcher Stimmung ich gerade bin.
Wie viel Zeit steckt ein Verlag durchschnittlich in ein Buch, d. h. in
Korrektur / Lektorat?
Marcus Hünnebeck: Kann ich so nicht beantworten. Vermutlich
arbeitet jeder Verlag anders. Was meinen Zweitling anbelangt: Ein Exposé hatte
ich dem Verlag im März 02 zugeschickt, im Juni den kompletten Roman, im Juli
haben wir uns zum gegenseitigen „Beschnuppern" persönlich getroffen, im
Sommer habe ich den Roman noch einmal überarbeitet und im September / Oktober
ist er lektoriert worden.
Sie haben inzwischen den Verlag gewechselt. Gab es mit dem Verlag, wo Ihr
erstes Buch erschienen ist, Probleme?
Marcus Hünnebeck: Gerade wenn man mit einem kleineren Verlag
zusammenarbeitet, sollte die Chemie zwischen dem Verlagsleiter und dem Autor
stimmen. Und da hat es beim ersten Verlag gehapert. Mehr möchte ich dazu nicht
sagen.
Sie haben einen neuen Krimi geschrieben. Wann genau erscheint er und können
Sie uns schon den Titel und etwas über den Inhalt verraten?
Marcus Hünnebeck: Ganz fertig ist der Roman noch nicht.
Beziehungsweise fertig ist nur die Erstversion, die jetzt noch von mir überarbeitet
wird. Als Erscheinungstermin schwebt mir der Herbst 03 vor, ob das klappt, wird
sich zeigen. Titel und Inhalt sind natürlich Top Secret.
Auch eine Kurzgeschichte von Ihnen wurde kürzlich in einer Anthologie mit
historischen Kriminalgeschichten veröffentlicht, in der u. a. auch
Kurzgeschichten von Tanja Kinkel und Belinda Rodik enthalten sind. Worin liegen
die Unterschiede beim Schreiben einer Kurzgeschichte im Gegensatz zu einem
Roman, und fiel es Ihnen leicht, sich in diesem Metier zu bewegen?
Marcus Hünnebeck: Kurzgeschichten lassen sich schnell
schreiben, für den eigentlichen Schreibprozess benötige ich nur einige Tage.
Dieser zeitliche Unterschied ist aber auch schon der größte. Denn natürlich
gibt es auch bei Kurzgeschichten Recherchearbeit zu leisten. Für die erwähnte
historische Anthologie habe ich mich z.B. über die Bombardierung Dresdens im 2.
Weltkrieg eingelesen; für eine im Dezember beim Scherz Verlag erscheinende
Voodoo/Aberglaube-Anthologie habe ich ein Voodoo-Buch gelesen und kann ab sofort
alle Kritiker meiner Bücher verhexen. Und auch bei Kurzgeschichten schreibe ich
mir erst den Ablauf der Geschichte auf, und nur wenn mich dieser überzeugt,
lege ich los. Grundsätzlich schreibe ich übrigens nur die Geschichten nieder,
die ich selbst gerne lesen würde.
Mich in diesem Metier zu bewegen, fiel mir relativ leicht, auch wenn meine
Geschichte in der Anthologie nicht wirklich historisch, sondern eher zeitgenössisch
ist.
Können Sie uns einige Punkte nennen, die Sie besonders an der
schriftstellerischen Tätigkeit lieben und welche, die Sie als nötiges Übel
betrachten?
Marcus Hünnebeck: Das Erfinden von Geschichten und
Charakteren, von Spannungsbögen und dramatischen Ereignissen ist einfach ein
unglaubliches Gefühl. Wenn ich mitten in einer Geschichte stecke, wird
das Schreiben zu einem sehr emotionalen Prozess, obwohl ich genau weiß, wie die
Story ausgeht. Das ist der absolute Highlight beim Schreiben. Genauso klasse ist
es, von Lesern zu erfahren, dass ihnen das Buch gefallen hat. Das macht mich
noch jedesmal ein Stück weit stolz auf meine eigene Arbeit.
Das notwendige Übel sind die ständigen Überarbeitungen, die sogar mehr Zeit
einnehmen als das eigentliche Schreiben. Wenn man eine Geschichte zum neunten
oder zehnten Mal liest, hängt sie einem manchmal zu den Ohren raus. Aber dieses
Gefühl verfliegt glücklicherweise spätestens bei den ersten positiven
Reaktionen, wenn das Buch veröffentlicht ist.
Durch Ihre Bücher haben Sie einen Einblick in die Literaturszene. Auf der
Frankfurter Buchmesse 2002 beispielsweise wurde eine Pressekonferenz wegen des
Erscheinens Ihres neuen Buches gegeben und Sie haben auch schon einige Lesungen
gegeben, etc. Gibt es vielleicht irgendeine Anekdote aus der Literaturszene, die
Sie uns anvertrauen könnten?
Marcus Hünnebeck: Leider nicht. Allerdings habe ich gelernt,
dass man hierzulande bedauerlicherweise Dieter Bohlen heißen muss, um einen
Pressesaal zu füllen. Wenn ein engagierter Verlag eine neue Krimireihe und in
diesem Zusammenhang einige innovative Ideen vorstellt, reicht das nur für eine
Hand voll Journalisten.
Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie die Criminale 2003 mitorganisieren. Wie
kam es dazu und macht Ihnen die Betätigung auf diesem Feld Spaß?
Marcus Hünnebeck: Kann ich momentan noch nicht so viel zu
sagen, da es um die Criminale 2004 geht und noch immer kein Treffen des
Organisationsteams stattgefunden hat. Erst nach einem solchen Treffen kann ich
sagen, ob und in welcher Rolle ich mich einbringen werde.
Grundsätzlich war es aber so, dass mich Horst Eckert angemailt hat, ob ich mir
vorstellen könnte, eine solche Aufgabe zu übernehmen.
Gibt es Autoren, die Ihnen für Ihre schriftstellerische Arbeit als
Vorbilder dienen? Was fasziniert Sie an diesen Autoren besonders?
Marcus Hünnebeck: Oh ja. Eine ganze Menge Autoren sogar. Da wäre
zum einen Jeffery Deaver, mein absoluter Lieblingsautor. An ihm fasziniert mich
ganz besonders die Art und Weise, wie er den Leser auf falsche Spuren lockt und
verschiedene Sachgebiete (z.B. die Handschriftenanalyse oder die von Hackern
ausgehende Gefahr) in spannende Handlungen verpackt.
Weitere bevorzugte Autoren sind Michael Connelly und Thomas Harris, einfach
wegen ihres Könnens, mich als ihren Leser in den Bann zu ziehen. Außerdem lese
ich wahnsinnig gerne Bücher von Bret Easton Ellis, auch wenn sowohl Ellis als
auch Harris leider nur alle paar Jahre ein Buch auf den Markt bringen. An Ellis
fasziniert mich seine schonungslose Art, Missstände in der Gesellschaft zu
sezieren und dem Leser als (grausamen) Spiegel vorzuhalten
Was lesen Sie in Ihrer Freizeit gern?
Marcus Hünnebeck: Thriller, Thriller, Thriller. Und momentan
mal wieder etwas anderes, nämlich "Neununddreißig neunzig" von Frédéric
Beigbeder.
Welches Buch hat Sie im Jahr 2002 am meisten beeindruckt und warum?
Marcus Hünnebeck: Schwierige Frage, weil ich nicht mehr genau
weiß, wann ich welches Buch gelesen habe. Aber ich glaube, „Lautloses
Duell" von Deaver ist bislang dieses Jahr mein Favorit. Begründung siehe
oben. Und da in diesem Forum des öfteren über deutsche Krimis geredet wird,
kann ich jedem Leser nur „Ausgezählt" von Horst Eckert ans Herz legen.
Eine Geschichte, die mich sofort in den Bann gezogen hat.
Wenn Sie sich ein Leben als Schriftsteller "backen" könnten, wie
würde das aussehen?
Marcus Hünnebeck: Ich würde wahnsinnig gerne irgendwann vom
Schreiben leben können. Morgens gegen acht Uhr aufstehen, in Ruhe frühstücken,
bis zum späten Mittag schreiben, anschließend meinen Sohn von der Schule
abholen und gelegentlich auf einer Lesungstour sein. Wenn ich das erreicht habe,
bin ich rundum zufrieden. Na ja. Ich arbeite dran.
Wie sehen Ihre Pläne als Autor für die nähere Zukunft aus? Können Sie
uns schon etwas darüber verraten?
Marcus Hünnebeck: Zum einen würde ich gerne verschiedene
Serienhelden auf den Markt bringen (siehe oben). Außerdem möchte ich mich auch
zeitgenössischen Themen in Romanform nähern, und mein dritter Wunsch wäre es,
Drehbücher zu verkaufen. Falls dieses Interview also von einem Filmproduzenten
gelesen wird: Ich habe ein Drehbuch fertig in der Schublade liegen. Und auf
meiner Homepage www.marcushuennebeck.de
gibt es eine eMail-Kontaktadresse.
Zum Schluss noch eine Frage. Was können Sie anderen Jungautoren mit auf den
Weg geben, was wichtig ist, damit sie Erfolg haben mit dem was sie tun?
Marcus Hünnebeck: Geduldig sein, niemals aufgeben, an diesen
Traum zu glauben und vor allem: Sehr kritisch gegenüber seinem eigenen Schaffen
sein. Es gibt vermutlich keinen Autor auf dieser Welt, der mit einer Erstversion
seines Romans sofort den großen Treffer landet. Jeder Roman ist verbesserungswürdig.
Und sachliche Kritik ist etwas wundervolles, auch wenn sie einem manchmal zu
hart vorkommt.

Vielen Dank für das
interessante Interview, und ich bin schon gespannt, was wir noch alles von Ihnen
hören werden! Die Anthologie "Ein Schnitter namens Tod", in der auch
von Ihnen eine Geschichte enthalten ist, habe ich bereits hier liegen und bin
sehr gespannt!
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