Inhalt:
Der bis vor kurzem noch
erfolgreiche Maler Alfred Seichtem, kurz Ali, stolpert nach einer
durchzechten Nacht durch seine alte Wohngegend, aus der er vor
kurzem mit hohen Schulden und geschieden hat ausziehen müssen.
Plötzlich erscheint ihm ein wundersames Licht, das ihn in eine
ihm bisher unbekannte Gasse lockt.
Am anderen Ende der Gasse erkennt er sein altes Haus, und dort
sieht er denselben Umzugswagen, der zehn Jahre vorher seinen
eigenen Umzug organisiert hat. Und nicht nur das: Hinter dem
Umzugswagen hält seine alte Ente und heraus steigen er selbst und
seine Frau Ida! Er glaubt seinen Augen nicht zu trauen: Auf der
anderen Seite der Gasse ist die Zeit zurückgedreht!
Ali glaubt, den Weg zurück gefunden zu haben, doch will er ihn
nicht alleine gehen. Er vertraut sich seiner frisch geschiedenen
Ehefrau Ida an und diese, ganz praktisch denkend, besorgt zwei große
Küchenmesser und zusammen machen sich die beiden auf den Weg, die
Vergangenheit ungeschehen zu machen und alle Fehler zu umgehen.
Gelingt es ihnen? Oder läuft alles wieder genauso ab wie ehedem?
Oder kommt es zu anderen Problemen?
Meine Meinung:
Wieder hat Akif Pirincci
bewiesen, dass er der Meister der deutschen Phantastik ist. Kein
Thriller, kein Historienroman, kein Liebesroman, und doch von
allem ein bisschen. Würde er es schaffen, seine blutrünstigen
Beschreibungen etwas weniger breitzutreten, bekäme dies seinem
Werke. Doch hat er hier zum Ausgleich gute Begründungen für all
die Toten geliefert und auch die Story ist solide. Die
verschiedenen Ebenen, in denen das Buch spielt, seien es zeitlich
getrennte Erzählstränge, seien es die gleichen Zeitpunkte,
gesehen mit verschiedenem Erfahrungsschatz, oder sogar die Ebene
der letztendlichen Auflösung, sie ziehen den Leser in den Bann.
Das Buch lässt sich nicht leicht weglegen. Verheißungsvoll mit
der Erklärung lockend, entzieht sich diese doch immer wieder,
z.B. wie Alis Sohn starb, oder warum Ali jetzt mittellos ist.
Durch das gesamte Buch versucht Ali dies zu erzählen, doch, wie
bei Betrunkenen üblich, immer wieder fällt er in das nächste
Schlagloch und wird von der geraden Linie abgelenkt, so dass er
immer wieder erst auf den richtigen Weg geschoben werden muss, was
Pirincci gerne für uns Leser übernimmt.
Jede Figur im Buch ist von der Tragik des eigenen Missgeschicks
gezeichnet, alle, die zuerst als leuchtende Vorbilder erscheinen,
zeigen Risse in der Nahaufnahme, ja zerbrechen vor den Augen Alis,
nur derjenige, der von ihm schon in seinem „ersten"
Aufenthalt in den Neunzigern als Versager abgestempelt wurde, ist
der einzige, der als „normaler" Mensch herausleuchtet und
damit zeigt, wie wenig wichtig und leicht vergänglich Geld und
Ruhm gegenüber Familienglück ist.
Die Auflösung kommt überraschend und verschiebt die Perspektive
wieder so, dass alles verständlich wird. Sie ist der Geniestreich
der ganzen Geschichte und bringt den Leser dazu, auf den letzten 3
Seiten noch einmal vollständig sein Bild von Ali und Ida zu
revidieren.
Ich halte dieses Buch für sehr lesenswert, doch nur für Leute,
die bereits Bücher gelesen haben, die keinem chronologischen
Faden folgen. Ansonsten sollte man Pirincci besser mit „Der
Rumpf" oder „Felidae" in Angriff nehmen, sonst bleibt
vielleicht der tiefere Genuss verwehrt. (KlausK)
Bewertung: ****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: Goldmann Verlag, ISBN:
3-442-30499-7, gebunden, 384 Seiten, € 19,90
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