„Die seltsamen Ereignisse, die
Gegenstand dieser Chronik sind, haben sich 194` in Oran
zugetragen.“ Mit diesen nüchternen Worten in dürrem
Berichtstil beginnt der erfolgreichste Roman von Albert Camus.
Die seltsamen Ereignisse sind zunächst
Ratten, die aus der Kanalisation ans Tageslicht kommen und
verenden. Schon bald sterben sie ersten Menschen an einem
rätselhaften Fieber. Der Arzt Bernhard Rieux, der auch der
Erzähler dieses Buches ist, erkennt schnell, dass es sich um die
Pest handelt. Oran wird auf Anweisung der Regierung hermetisch von
der Außenwelt abgeriegelt, niemand darf die Stadt verlassen,
niemand darf sie betreten. Auch brieflicher Kontakt nach außen
ist nicht gestattet, nur über Telegramme kann mit der Außenwelt
kommuniziert werden. Auch Bernhard Rieux wird von seiner Frau
getrennt, da sie wenige Tage vor Ausbruch der Pest die Stadt
verlassen hat um zur Kur zu fahren.
In der zum Ghetto gemachten Stadt breitet
sich die Pest rasend schnell aus von den ärmeren Vierteln am
Stadtrand zum Zentrum. Besonders betroffen sind alle, die in
Gruppen zusammen leben wie Soldaten, Mönche und Gefangene. Die
dramatische Entwicklung der Pest wird erkennbar an der Form der
Beerdigungen. Zu Beginn der Seuche gibt es Einzelbestattungen mit
Trauerzeremonie, dann Massengräber und schließlich werden
Krematorien verwendet. Auch die Reaktion der Einwohner Orans
verändert sich im Laufe der Pest. Zu Beginn wird die
Ernsthaftigkeit der Krankheit verleugnet, doch mit zunehmender
Dauer bricht Panik aus. Es kommt zu Brandstiftungen und Angriffen
auf die Stadttore.
Währenddessen arbeiten Bernhard Rieux und
andere unermüdlich daran mit dem passenden Serum die Pest zu
bekämpfen.
Meine Meinung:
Die Pest ist ein moderner Klassiker und
hat ihren festen Platz in der Literatur. Im Jahr ihres Erscheinen
1947 erhielt Albert Camus im Alter von 44 Jahren den
Literaturnobelpreis.
Trotzdem hat mir das Buch nur wenig
gefallen, oft musste ich mich aufraffen weiterzulesen. Dabei ist
das Thema durchaus interessant, eine Stadt wird heimgesucht von
der Pest und total von der Außenwelt abgeriegelt. Wie reagieren
die Menschen auf das Eingesperrtsein, wie gehen sie mit dem
Verlust von Kontakten um und wie leben sie angesichts der
Bedrohung durch eine fast immer tödlich verlaufende Krankheit?
All das wird in dem Roman auch
beschrieben, allerdings völlig emotionslos und in einem
reportagehaften Stil. Und genau das hat mir nicht gefallen. Da ist
der Erzähler Bernhard Rieux monatelang getrennt von seiner schwer
kranken Frau, es ist nur ein spärlicher Kontakt über Telegramme
möglich und das alles wird einfach nur berichtet. Kein Wort
darüber wie Rieux in dieser Situation empfindet, ob es ihm leicht
fällt damit umzugehen oder nicht. Stattdessen wird berichtet wie
er als Arzt monatelang quasi ohne Feierabend und Wochenende
arbeitet um die Pest zu bekämpfen. Kein Wort davon wie es ihm
dabei geht, ob er Angst hat vor dieser stark ansteckenden Krankeit.
Es ist diese Unpersönlichkeit, die mich
gestört hat, dadurch haben die Figuren für mich keine Tiefe und
bleiben oberflächlich. Es sind übrigens nur Männer, die in
diesem Roman eine wichtige Rolle spielen, Frauen kommen nur ganz
am Rande vor.
Ich möchte hier nicht verschweigen, dass
das Thema dieses Romans als Bild verstanden werden soll. Camus,
der in Frankreich in der Résistance (Widerstand) engagiert war,
will zeigen, wie faschistisches Gedankengut sich in der
Bevölkerung wie ein Pestgeschwür ausgebreitet hat. Dieser Ansatz
ist nach meiner Meinung wirklich überzeugend und spannend zu
lesen, dennoch konnte mich der Roman insgesamt nicht begeistern.
Die Pest ist sicher kein schlechtes Buch,
aber der reportagehafte Schreibstil machte mir den Zugang sehr
schwer. (Christine)
Bewertung: **