Wir
befinden uns im Jahr 1985 – also in der Vergangenheit – jedoch
nicht ganz in der, die wir gewohnt sind. Es ist eher eine
verdrehte Vergangenheit, denn man geht davon aus, dass der
Krimkrieg noch immer das Weltgeschehen beeinträchtigt, das
russische Zarenreich noch eine Rolle spielt und andere
Gegebenheiten, die für uns schon als Geschichte abgehakt sind
ebenfalls noch das Tagesgeschehen beherrschen.
Andererseits
scheinen wir uns auch in der Zukunft zu befinden, halt in einem
Jahr nach George Orwells 1984 . Denn wir erleben es, dass Menschen Zeitreisen vornehmen, mit Büchern sehr merkwürdig
umgehen und Waffen benutzen, von denen wir noch nichts gehört
haben.
In
diese Zeit geraten wir zusammen mit unserer Heldin: Thursday Next.
Sie hat einen Vater, der Colonel bei der Chrono-Garde war, bevor
er für fast alle anderen Menschen außer Thursday, aus Gründen
der persönlichen Sicherheit, verschwand. Er hat allerdings die
Gabe in brenzligen Situationen aufzutauchen und die Zeit anhalten
zu können.
Thursday,
eine Spezialagentin der SpecOps Sektion 27, auch Sektion LitAg
genannt, wird zum Charles-Dickens-Museum gerufen, aus dem das
Originalmanuskript vom Roman Martin Chuzzlewit gestohlen wurde.
Merkwürdig dabei ist, dass auf den Überwachungsbändern nichts
zu sehen ist. Nur Thursday entdeckt, auf dem unbeschädigten Glas
der Ausstellungsvitrine für das Manuskript eine leichte Kräuselung.
Der
Einsatzleiter, der auf diesen Fall angesetzt ist, hat auch schnell
einen Verdacht, wer diesen unverschämten Raub begangen haben könnte.
Für ihn ist klar, dass es nur Acharon Hades gewesen sein kann,
der eigentlich tot sein soll. Thursday war früher einmal
Studentin bei dem Ex-Professor für Anglistik und kennt sein
Aussehen, was sie für einen Job im Aufklärungsteam prädestiniert.
Auch
bei der ermüdenden Oberservierung von Hades Bruder ist Thursday
mit im Spiel. Um die Langeweile zu verscheuchen hat sie ein
Geschenk in der Tasche – Ein in Leder gebundenes Exemplar des
Buches Jane Eyre von Charlotte Brontë.
Endlich
taucht Acharon bei seinem Bruder auf, und kurzerhand versucht
Thursday ihn zu stellen, dieser Versuch endet jedoch in einem
Blutbad, sie überlebt, weil eine Kugel in ihrem
Jane-Eyre-Exemplar stecken bleibt, anstatt ihr Herz zu
durchbohren.
Wieder
zu Hause überfallen Thursday einige Erinnerungen. Besonders ein
Besuch aus der Kindheit im Brontë-Museum taucht immer wieder auf.
Schließlich hat sie dort zum ersten Mal Rochester, den männlichen
Helden aus Jane Eyre getroffen.
Onkel
Mycroft ist eine moderner Daniel Düsentrieb. Er hat schon vieles
erfunden, was gerade für die Literaturbranche von Wert ist.
Besonders seine letzte Erfindung ist spektakulär. Mit Hilfe von Bücherwürmer
und seinem Prosaportal in der Experimentierphase, ermöglicht er
seiner Frau den Besuch in der Welt ihres Lieblingsdichters. Leider
wird er während dieses Versuches von Hades überfallen, und der Rückweg
seiner Frau wird so versperrt.
Erpresserischen
Drohungen öffnen Hades das Prosaportal um in das Manuskript von
Martin Chuzzlewit einzudringen. Er entführt daraus eine
Nebenfigur, die von einem Komplizen danach umgebracht werden soll.
Mit
Blitzgeschwindigkeit schreibt sich daraufhin Marin Chuzzlewit um,
was von eingefleischten Dickens-Fans schnell bemerkt wird. Ein
Professor macht Thursday darauf aufmerksam und sie erkennt
langsam, was Hades plant. Mit Hilfe ihres mittlerweile ebenfalls
entführten Onkels und dessen Erfindung will Hades ein berühmtes
Manuskript verändern und so die Literaturwelt auf den Kopf
stellen. Und richtig, der Erpresserbrief erzählt von einem möglichen
Anschlag auf Martin Chuzzlewit selbst. Lächerliche 10 Millionen
Pfund seien der Preis für einen unversehrten Chuzzlewit.
Nach
einigen hektischen Aktionen gelingt es Mycroft das
Originalmanuskript zu verbrennen, damit Hades es nicht mehr
umschreiben kann.
Davon
lässt sich Hades jedoch nicht schockieren, denn es gibt ja noch
genügend andere Manuskripte. Seine Wahl fällt auf Jane Eyre. Das
Originalmanuskript liegt noch immer in dem Museum von Haworth
House, das Thursday in ihrer Kindheit besucht hat. Hades Gedanke
an das Manuskript und Raub desselben sind beinahe eins. Als Thursday
und ihre Kollegen davon erfahren, sind sie nur mit einiger Verzögerung
am Tatort. Hades ist entkommen. Was er mit diesem Manuskript
anzustellen gedenkt, erfährt ein geneigter Leser, wenn er sich
von dem Buch gefangen nehmen lässt.
Nur soviel sei verraten:
Zeitreisen,
Plasmagewehre, korrupte Beamte – Literatur, Liebe und vieles
mehr spielen in dieser Geschichte noch immer eine Rolle.
Meine Meinung:
Eine
atemberaubende, temporeiche Geschichte aus der Vergangenheit und
der Zukunft um eine Spezialagentin der literarischen Welt. Worum
es geht – war für mich nur schwer zusammen zu
fassen, daher ist auch die Inhaltsangabe so lang geworden.
Was
für ein Roman? Genial meine ich. Eine Mixtur von
Literaturgeschichte und Agentenroman. Ausgezeichnet gemischt ist
auch, wie schon in der Inhaltsangabe beschrieben, die Zeit, die
darin vorkommt. Zum einen ist man noch sehr zurückgeblieben, z.B.
gibt es noch immer keine Flugzeuge ohne Propeller und kein
Transistor hat bisher die Industrie revolutioniert. Zum anderen
sind Zeitreisen und das Klonen von Menschen völlig normal.
Kriege, die längst beendet sind, bestimmen noch immer das
Tagesgeschehen, Erfindungen die Bücherwürmer benutzen oder
Waffen, von denen wir noch nicht mal
(alb-)geträumt haben, sind existent. Es ist jedoch auch eine
Zeit, in der es so weit gekommen ist, dass Literatur endlich so
wichtig ist, wie ich es mir als Bücherwürmchen schon lange wünsche.
Es gibt sogar
Spezialagenten, die sich darum kümmern, dass Manuskripte nicht
verfälscht werden.
Mittendrin
ist unsere Heldin plaziert. Soldatin und Agentin, mit einer unglücklichen
Liebe im Herzen und dem Mut auf die innere Stimme zu hören. Flink
und nicht auf den Mund gefallen – mit einer nervigen Mutter und
einem tollen Vater bestück.
Und
genauso mittendrin geht es um alte Manuskripte, Shakespeare,
Dickens, Brontë, Bacon …- und Namen, wie z.B. die von Acharon
Hades und seinen Mitarbeitern, die darum betteln erforscht zu
werden. Es gibt Fan-Fiktions und sogar eine Homepage
von Thursday Next . Es ist eine spannende Welt, die uns Fforde
hier zu Füßen legt.
So
temporeich ist die Geschichte, dass man das Buch kaum weglegen
kann. Außerdem lauern hinter jedem ‚pageturn’ wieder neue sprühende
Ideen.
Thursday-infizierte
werden nicht auf die deutschen Ausgaben der Folgebände "Lost in a
good book" und "The world of lost Plots" warten. Hätte ich nicht
gerade noch einen ganzen Stapel Bücher, der auf mich wartete –
wäre ich sicherlich mit im Club der Vorab-ÜbersetzerInnen tätig. (Binchen,
Juli 2004)